Punktlandung statt Schrotschuss

Einsparung und Mehrertrag durch Einzelkornsaat?

Die Einzelkornsaat bei Reihenkulturen ist Standard und hat sich bewährt. Bei Getreide hingegen ist sie nicht nur technisch herausfordernder, sondern auch Sorte und Saatgut spielen eine große Rolle. Gleichzeitig bietet die Methode sehr großes Potenzial – vor allem hinsichtlich weiterer Beschränkungen im Pflanzenschutz als auch bei Wasserknappheit während der Abreife.

Während bei der Drillsaat eine typische „Häufchenbildung“ von Saatgut dazu führt, dass sich Einzelpflanzen gegenseitig im Wachstum behindern während dazwischen oft Lücken von 30 bis 40 cm auftauchen, schafft die Einzelkornablage einen sehr homogenen Bestand.

Foto: privat

In einer Onlineveranstaltung lud die Ökomodell-Region Rhein-Main kürzlich Wissenschaft und Praxis zum Gespräch. Dr. Ludger Linnemann, Justus-Liebig-Universität Gießen, zeigte auf, wie stark Weizenpflanzen auch innerhalb einer Sorte in ihrem Ertragspotenzial streuen. Die allgemeine Ansicht sagt, dass Sorten in sich sehr ausgeglichen und homogen seien. Dabei weisen die verschiedenen „Idiotypen“ (die verschiedenen Pflanzentypen innerhalb einer Sorte) zum Teil sehr große Unterschiede auf. „Innerhalb einer Sorte gibt es Anteile von Pflanzen mit zum Beispiel weit über 10 t/ha Ertragspotenzial, die durch solche mit nur 5 t/ha ausgeglichen werden. Am Ende steht der Durchschnittsertrag, den die Landwirte dann in den üblichen Sortenlisten finden.“

Diese Eigenschaft ist nicht nur theoretisch. In Versuchen mit Dr. Andreas Hammelehle (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen) konnte durch Selektion innerhalb einer Sorte wirklich 30 Prozent mehr Korn gegenüber der unselektierten Sorte geerntet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Einzelpflanzen nicht gegenseitig in der Entwicklung behindern. Das heißt, sie brauchen mehr Platz als in der üblichen Drillsaat. Was im genannten Selektionsversuch mit weiten Abständen zwischen den Einzelpflanzen in einer Art Selektionsgarten passiert, kann auch in einer tatsächlichen Einzelkornsaat in der Praxis erkannt werden.

Einzelkornsaat bei Winterweizen

Wilfried Mißlbeck, Landwirt aus Sachsen-Anhalt, arbeitet seit einigen Jahren ausschließlich mit Einzelkornsaat bei Winterweizen. Mit Bildern von Praxisschlägen zeigte er die Unterschiede zwischen Drillsaat und Einzelkornsaat. Während bei der Drillsaat eine typische „Häufchenbildung“ von Saatgut dazu führt, dass sich Einzelpflanzen gegenseitig im Wachstum behindern während dazwischen oft Lücken von 30 bis 40 cm auftauchen, schafft die Einzelkornablage einen sehr homogenen Bestand.

Letzterer ist für Mißlbeck Basis für sein Bestandsmanagement. Bei lediglich etwa 370 mm Jahresniederschlag in den vergangenen Jahren muss er das wenige Wasser möglichst gut an die Pflanzen bekommen. Ein homogener Bestand bei einer Saatstärke von lediglich 110 Körner pro Quadratmeter ermöglicht den Einzelpflanzen eine bessere Durchwurzelung des Bodens und weniger Konkurrenz um Wasser.

Weniger Wachstumsregler

Ausschlaggebend für ihn ist auch der stark reduzierte Aufwand an Wachstumsreglern. Typisch für Drillsaat-Bestände und den teils sehr engen Pflanzenabständen war es stets, dass sich die Einzelpflanzen in Konkurrenz um Licht nach oben trieben. Seit der Einzelkornsaat bleiben die Pflanzen auf Grund der verringerten Konkurrenz lange niedrig und bestocken sich viel besser bei nur einem Bruchteil des bisherigen Wachstumsregleraufwandes. Auch sind die Einzelpflanzen wegen besserer Bestandsdurchlüftung und wahrscheinlich kräftigerem Blattaufbau weniger oder später anfällig gegenüber Pilzinfektionen.

Gleichzeitig müssen bei der Einführung neuer Methoden – wie immer – auch Kompromisse eingegangen werden. So stehen einer bis zu 30 prozentigen Saatguteinsparung, geringerem Pflanzenschutzaufwand und besserer Wassernutzung eine 10 bis 15 Prozent geringere Flächenleistung, eine aufwändige Technik und teures, weil kalibriert und staubfreies Saatgut entgegen. Dennoch: „Ich und auch andere Anwender auf Nachbarbetrieben können uns eine Rückkehr zur Drillsaat nicht mehr vorstellen.“ sagt Wilfried Mißlbeck.

Linnemann und Hammelehle sehen vor allem für den Ökolandbau große Chancen in einer verbesserten Selektion von ertragsstarken Phänotypen. Bisherige Sorten werden ausschließlich im Drillsaaatverfahren geprüft und bewertet. Die Erfahrungen zeigen, dass Sorten und vor allem die darin befindlichen Idiotypen nur bei einer Standraumverteilung in Gleichstandsaat (zum Beispiel 50 cm) ihr Ertragspotenzial zeigen.

In Züchtung und Selektion stecken hier große Potenziale, um hohe Erträge bei reduziertem Input zu erreichen. Im Parzellenversuch war dies bei der Abreife sehr gut zu erkennen: Die eng gesäten Bestände reiften schneller ab, da ihnen das Wasser ausging, während die Einzelkorn-Bestände (100 Körner pro Quadratmeter) länger aktiv waren und damit eine verbesserte Kornfüllung erreichten.

Aus der Diskussion wurde schnell klar, dass – unabhängig von ökologischer oder konventioneller Bewirtschaftung – die Förderung von Einzelpflanzen auch im Getreideanbau durch gezielte Selektion und Einzelkornsaat die Ertragsfähigkeit auch unter veränderten Rahmenbedingungen erhalten – teils sogar gesteigert werden kann.

Matthias Bathon – LW 10/2023