Regionale Fleischverarbeitung im Büdinger Schlachthof
Kurze Wege und wenig Stress für die Tiere
Der genossenschaftliche Schlachthof Büdingen bildet mit den Metzgern vor Ort und ihren landwirtschaftlichen Erzeugern eine durchgängige regionale Fleischerzeugungskette. In der östlichen Wetterau bietet die Schlachtstätte darüber hinaus die Möglichkeit der Lohnschlachtung, die sonst nur weiter entfernt beispielsweise in Aschaffenburg und Fulda angeboten wird. Mit der Biozertifizierung, die der Schlachthof im vergangenen Jahr erhalten hat, eröffnet er auch die Möglichkeit, biologisch erzeugte Tiere zu schlachten. Allerdings sind die Kapazitäten insgesamt nicht sehr groß.
Das Schlachthaus wurde 1898 von der drei Jahre zuvor neu gegründeten Schlachthofgenossenschaft Büdingen gebaut. Von außen haben die historischen Gebäude eine Patina, von der man sich aber nicht täuschen lassen darf. Innen ist alles auf dem neuesten Stand, aber eben nicht mit Großschlachtstätten zu vergleichen.50 Schweine pro Woche
„Pro Woche werden etwa 50 Schweine geschlachtet“, erläutert Metzgermeister Klaus Frühling, 2. Vorsitzender der Genossenschaft und Eigentümer einer Metzgerei in Büdingen. Hinzu kommen etwa zehn Rinder (Färsen, Bullen, Kühe und Kälber). „Mit sechs Mann schlachten wir in zwei Stunden etwa 15 Schweine“, sagt Metzgermeister Heiko Nagel, 1. Vorsitzender der Genossenschaft und Inhaber einer Fleischerei in Büdingen-Büches. Im Schlachthof Fulda, dem größten in Hessen und nächstgelegenen werden an drei Tagen allein pro Stunde maximal 100 Schweine geschlachtet. Ganz andere Dimensionen gibt es bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, wo vor der Corona-Krise 30 000 Schweine pro Tag geschlachtet werden konnten.
Regionales Einzugsgebiet
Über eigenes Personal, außer einem Hausmeister, verfügt der Schlachthof Büdingen nicht. Die Metzger bringen zum Schlachttag am Montag ihr eigenes Personal mit.
Ein Vorteil des kleinen Schlachthofes ist sein regionales Einzugsgebiet mit kurzen Anlieferungswegen. Denn dies bedeutet weniger Stress für die Schweine. „In den meisten Fällen werden die Tiere von den Landwirten, also direkt vom Erzeuger, mit dem Anhänger angeliefert“, wie Frühling erklärt. Die Schweine werden am Sonntag angeliefert und verbleiben bis zum nächsten Tag in dem schlachthofÂeigenen Wartestall. Das Verweilen der Schweine im Wartestall trägt zur Beruhigung der Tiere nach dem Transport bei. Am Vorabend der Schlachtung findet auch die Lebendbeschau durch den Beschautierarzt statt.
Alles noch reine Handarbeit
Vom Wartestall werden die Schweine in kleinen Gruppen in das Schlachthaus geführt. „In der Regel treiben wir jeweils nur zwei Tiere ein, damit der Stress für sie so gering wie möglich ist“, erklärt Frühling. Dort werden die Schweine dann mit der Elektrozange betäubt, mittels einer Anschlingkette an den Beinen hochgezogen und gestochen, so dass sie ausbluten. Anschließend kommen sie in den Brühkessel in 60 Grad heißes Wasser und danach in eine Enthaarungsmaschine.

Foto: Mohr
Die Rinder können jeweils nur einzeln geschlachtet werden. Sie werden direkt angeliefert, ohne Zwischenaufenthalt im Wartestall. Hier erfolgt die Tötung mit einem Bolzenschussapparat und das Ausbluten im Liegen. Allerdings gibt es hier eine Halbierungssäge. Großvieh kann die ganze Woche über nach Anmeldung geschlachtet werden. Für beide Tierarten gibt es getrennte Schlachträume und Kühlhäuser.
Schweine- oder Rindererzeuger können einen Metzger beauftragen, ihre Schweine und Rinder in Büdingen zu schlachten. Die Schlachtgebühren betragen 25 Euro für das Schwein (inklusive Entsorgungskosten) plus Beschaugebühren von 10 Euro. Für ein Rind werden 70 Euro verlangt, plus 17 Euro Beschaugebühren. Hinzu kommt der Schlachtlohn. Frühling und Nagel nehmen für das Schlachten 40 bis 50 Euro für das Schwein und rund 100 Euro für ein Rind. Allerdings haben sie nur noch wenig zusätzliche Arbeitskapazitäten frei, weil sie mit den eigenen Betrieben weitgehend ausgelastet sind.
Seit vergangenem Jahr biozertifiziert
Seit vergangenem Jahr ist der Schlachthof biozertifiziert. Die Zertifizierung wurde vom Landkreis Wetterau unterstützt im Rahmen der Ökomodellregion. Derzeit lassen laut Nagel sieben bis acht Ökoerzeuger hier Tiere schlachten, davon zwei bis drei regelmäßig. Für die Ökolandwirte und Selbstvermarkter sei dies eine gute Einrichtung, sagen beide. Einige Betriebe wünschten sich eine Zerlegung und eine weitergehende Verarbeitung. Dies sei jedoch mit den vorhandenen Arbeitskapazitäten kaum leistbar.
Den Vorteilen der Regionalität und der kurzen Wege stehen die Nachteile der höheren Kosten gegenüber, die sie im Vergleich zu Großschlachtereien haben, wie Nagel und Frühling erläutern. Das fängt bei den Lohnkosten an und zieht sich über Beschaugebühren, die bei hohen Stückzahlen natürlich deutlich geringer sind, bis hin zu der Verwertung von Nebenprodukten. Rinderfüße beispielsweise lassen sich noch auf Märkten in Asien und Afrika verwerten. Hier aber werden sie entsorgt, weil die Aufbereitung zu aufwändig ist. Das gleiche gilt für Nebenprodukte bei Schweinen. Allerdings seien im ländlichen Raum immerhin noch Schweinsfüße beispielsweise für Eintöpfe vermarktbar, sagt Frühling.
Nagel bezieht seine Schweine hauptsächlich von einem Betrieb in Geis-Nidda im Wetteraukreis, Frühling von einem Schweinemäster in Utphe im südlichen Kreis Gießen. Wie die meisten selbstschlachtenden Metzger verarbeiten sie gerne etwas ältere Tiere. So haben ihre Schweine ein Schlachtgewicht von 100 bis 105 Kilogramm gegenüber den in den großen Fleischunternehmen üblichen 90 bis 100 Kilogramm. „Das Fleisch ist bei älteren Tieren ausgereifter, hat eine bessere Struktur und einen geringeren Aw-Wert, also freies Wasser, und ist deshalb besser, insbesondere für die Wurstherstellung“, erklärt Frühling. „Dafür erhalten die Erzeuger pro Kilogramm Schlachtgewicht selbstverständlich mehr Geld.“
Der Markt hat sich unterdessen in den vergangenen Jahrzehnten sehr gewandelt. „1920 gab es noch 14 Metzger in Büdingen, das damals halb so groß war“, erzählt Frühling. Heute gebe es in der Kernstadt nur noch zwei. Ein Großteil des Bedarfs an Fleisch und Wurst wird mittlerweile auch hier durch die Lebensmittel-Handelsketten wie Rewe, Edeka oder Discounter wie Aldi, Lidl und Penny abgedeckt. „Dabei sind die Wurst- und Fleischprodukte im Supermarkt nicht billiger als bei uns“, sagt Nagel. Allerdings würden die großen Handelsketten Sonderpreisangebote anbieten, die diese durch Mischkalkulation besser ausgleichen können als die kleinen handwerklichen Betriebe.
Nagel beschäftigt 25 Mitarbeiter inklusive Arbeitnehmer in Teilzeit, Frühling 12 Mitarbeiter. Die Metzgermeister legen Wert auf ein möglichst großes eigenes Sortiment. Rund hundert verschiedene Wurst- und Fleischprodukte haben sie im Angebot. Nur zehn Prozent, was Sortiment und Mengen betrifft, sind Fremdware. „Denn die Kunden kommen vor allem wegen der handwerklichen Zubereitung der Wurst und der regionalen Spezialitäten wie Kartoffelwurst, Schwartenmagen oder Schlachtplatte zu uns“, so Nagel. „Wir kennen unserer Landwirte seit vielen Jahren, wissen also genau wie die Schweine aufwachsen und was sie fressen. Damit können wir uns neben dem wichtigen Argument der kurzen Wege und des geringen Stresses der Tiere von den anderen Anbietern wie den Handelsketten absetzen“, ist der Metzgermeister Frühling überzeugt.
Strukturwandel bei den Metzgern
Die Genossenschaft hat derzeit noch 8 Mitglieder, darunter drei aktive Metzger, die hier noch schlachten, inklusive Nagel und Frühling. Auch die Genossenschaftsmitglieder müssen Schlachthofgebühren bezahlen und sogar eine monatliche Umlage zum Erhalt der Schlachtstätte. Dem steht die Teilhabe an dem Gebäude und dem Grundstück gegenüber. Und für die Büdinger Metzger spielt auch der Erhalt der Metzger-Tradition eine große Rolle. Diese ist in dem Büdinger Metzgermuseum dokumentiert, in dem man Frühling oft als Museumsführer antreffen kann.
Die längerfristige Zukunft der Genossenschaft ist angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft und im Metzgerhandwerk sowie bei der Entwicklung des Verbraucherverhaltens ungewiss, wie Frühling (49) und Nagel (52) feststellen. In ihren Betrieben ist auch nicht klar, wer die Metzgereien später einmal übernimmt, aus der Familie voraussichtlich keiner. Ein wichtiger Grund für die sinkende Zahl der handwerklichen Metzgerbetriebe ist, neben den Kosten und den steigenden Auflagen verbunden mit hohen Investitionen, der Berufsnachwuchs. Die Zahl der Auszubildenden ist weiter stark rückläufig. „Zu unserer Ausbildungszeit gab es in Friedberg in der Berufsschule noch vier Metzgerklassen und weitere Klassen für Fleischereifachverkäufer, heute nur noch eine Klasse mit beiden Gruppen zusammen“, so Nagel. Und der Beruf des Metzgers zähle bei den jungen Leuten nicht zu den angesagtesten. Harte Arbeit und das Ansehen schrecken ab. Und als Selbstständiger muss man sich auf lange Arbeitszeiten auch abends und am Wochenende, insbesondere wenn auch Partyservice angeboten wird, einstellen.
CM – LW 33/2020