Schadholz – was tun, wenn die Preise am Boden liegen?

Ist die energetische Verwertung eine langfristige Perspektive?

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe veranstaltete gemeinsam mit dem Bundesverband Bioenergie den Fachkongress Holzenergie als digitale mehrtägige Veranstaltung. Unter dem Titel „Holzenergie als Partner im Risikomanagement durch Schadholzverwertung“ wurde der berechtigten Frage nachgegangen: Ist die energetische Holzverwertung eine Lösung in Kalamitätsjahren?

Massig Käferholz gibt es die letzten zwei Jahre. Das führte auch dazu, dass die Holzpreise für Fichte am Boden liegen und die Aufarbeitung oft den Holzerlös schluckt.

Foto: agrarfoto

Sebastian Henghuber, der Geschäftsführer der MW Biomasse AG im bayerischen Irschenberg, ist davon überzeugt, dass sie was Gutes tun. Seit 2006 gibt es die MW Biomasse, sie wurde aus drei Maschinenringen und drei Forstbetriebsgemeinschaften gegründet. Rund 100 000 fm Holz werden im Jahr geerntet, mit Hackschnitzeln und Pellets gehandelt und 25 Heizwerke in verschiedenen Gemeinden betrieben. „Unser Hauptgeschäft ist das Wärme-Contracting“, sagt Henghuber. Als Wärmeversorger aus Waldbesitzerhand agiert das Unternehmen rund um Rosenheim und wirbt mit 100 Prozent sicherer Wärmeversorgung, 100 Prozent Klimaschutz durch Ersetzen der fossilen Energien sowie 100 Prozent für die Region. „Wir sind stolz, dass wir die Wertschöpfung in der Region halten, dass wir Arbeitsplätze generieren, ja zu einer 7 bis 8-fach besseren Beschäftigung beitragen“, bemerkt Henghuber.

Regionale Wertschöpfung ist sehr groß

Denn das Unternehmen besitzt keinen eigenen Hacker, Transporter oder Wartungstrupp. Die MW Biomasse AG vergibt Aufträge an Waldbesitzer, Landwirte und Installationsbetriebe. Letztere warten die professionellen Hackschnitzel-Heizungen. Es sei ein langfristiges Geschäftsfeld, das Stabilität in die Regionen bringe, so Henghuber. Der Heizwert des Schadholzes sei nicht geringer, man spare die Trocknung. „Dank des Wärme-Contractings sind den Waldbesitzern die niedrigen Preise am Holzmarkt nicht so sehr auf die Füße gefallen“, sagt Henghuber.

Von solchen Einschätzungen kann Johannes Röhl, der als Forstdirektor seit 20 Jahren die Wittgenstein-Berleburg´sche Rentkammer der Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg leitet, nur träumen. Die drei Dürresommer mit der Borkenkäferkalamität haben den rund 13 000 ha großen Wäldern der Familie sehr geschadet.

Fichtenschwerpunkt im Betrieb rächt sich

In normalen Jahren fallen am Südhang des Rothaargebirges, wo der fast aroundierte Forstbetrieb mit Schloss liegt, 1 200 mm Niederschlag, die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 6 °C. Der jährliche Holzeinschlag lag bei 80 000 bis 100 000 m3, davon 80 Prozent Nadelholz und 20 Prozent Laubholz. Knapp 60 Prozent der Flächen waren mit Fichte bestockt und knapp 30 Prozent mit Buche. Die Altersklassenverteilung zeigte jeweils gut 1 000 ha Fichte in den sechs Säulen von 0 bis 20, 20 bis 40 bis schließlich 120 Jahre.

Im Jahr 2018 wurden 78 000 fm Holz geerntet, zu 70 Prozent Käferholz der Baumart Fichte. Im Jahr 2019 mussten rund 100 000 fm Käferholz und dieses Jahr 160 000 fm Käferholz aufgearbeitet werden. Dabei sanken die Holzpreise laut Röhl von 95 Euro/fm für Sägeholz auf 40 Euro/fm Fi 2b+ B/C-Qualität. Für Exportholz erhielt Röhl Ende September noch 30 Euro/fm, rund 60 000 fm wurden davon abtransportiert. Röhl sieht die energetische Nutzung von Holz als die älteste Form der Holznutzung, die nie aufgegeben wurde. Er sieht darüber hinaus ein großes ungenutztes Potenzial an energetisch nutzbarem Holz, das nicht ausgeschöpft wird von den Waldeigentümern, die lieber stilllegen, die nicht über die notwendigen technischen Möglichkeiten verfügen oder einfach kein Interesse an Waldnutzung haben.

Das Mitgefühl der stofflichen Holzverwerter für die Waldbesitzer sei minimal. Es gebe solche, die sich um den Rohstoff Holz in Zukunft sorgen und solche, die kein Morgen kennen und weiter auf Preissenkungen pochen. Ihn als Waldbesitzer interessiere der Holzpreis. Zahlen die Brennholzkunden mehr, dann kommt das Holz in den Ofen statt auf die Säge. Röhl bedauerte, dass es jene Wärme-Contracting Infrastruktur von Bayern nicht in Nordrhein-Westfalen gibt.

Hackschnitzel und Pellets sind die Grundstoffe für Nah-Wärmesysteme. Langfristig wird mit dem Waldumbau mehr Energieholz zur Verfügung stehen.

Foto: Setzepfand

Silvio Mergner von den Bayerischen Staatsforsten sprach zum Thema Einfluss von Schadholz und die Rolle der Holzenergie. Rund 85 Mio. fm Holz, davon 85 Prozent Schadholz, wurden 2019 in Mitteleuropa geerntet. Es besteht ein deutlicher Schadholzüberhang, zu viel Holz, zu minderen Qualitäten. Die Holzenergie hilft, kann jedoch die Mengen nicht so schnell aufnehmen.

Mergner machte deutlich, dass die Holzenergie monetär eine geringe Bedeutung für den Waldbesitz hat. Nur 10 Prozent des Wertes und 20 Prozent der Menge mache die Holzenergie bei den Bayerischen Staatsforsten aus. 80 Prozent der Menge und 90 Prozent des Wertes werden durch Stammholz und Industrieholz erzielt.

Dennoch zeigte Mergner, dass die Holzenergie in der Diversifizierung und Risikostreuung eine wichtige Rolle spielt, da dieser Markt einer anderen Dynamik folge als die Schnittholzproduktion, Papier, Zellstoff oder Innenausbau. Ein Problem sei, dass wenn die Preise zu gering sind, dass dann die minderen Qualitäten einfach im Wald liegen bleiben als Nährstoffquelle.

Mehr Holz zur Wärmegewinnung nutzen

8 Mio. t Holz werden in Bayern im Jahr energetisch genutzt. Es könnte ein Vielfaches sein, wenn Öl und Gas als Wärmeenergie ersetzt werden. Doch Mergner wies auch darauf hin, dass die Waldbesitzer die Schadholzmengen nicht steuern können.

Dieses Argument gilt beim österreichischen Biomasseverband (ÖBMV)nicht. Dort wird weitergedacht. Christoph Pfemeter, der Geschäftsführer von ÖBMV, sprach über Holzenergie-Ansätze zur Bewältigung von Borkenkäferkalamitäten. Auch in Österreich spielt die Holzenergie mit 10 Prozent des Wertes angeblich nur eine geringe Rolle für den Forstbetrieb. „Doch wenn wir genauer hinsehen, dann ist dies das Zünglein an der Waage. Hier entscheidet sich, ob ein Forstbetrieb einen Gewinn erzielt“, betont Pfemeter. Grund dafür sei die Tatsache, dass am Energieholzmarkt ein hoher Wettbewerb besteht. Hier kaufen in Österreich 150 Kraftwerke, 2 300 Nahwärmeanlagen,

700 000 Haushalte mit Holzzentralheizung und 500 000 Haushalte mit Öfen. Er sieht Energieholz auch als Untergrenze, es minimiere Verluste, wenn kein Industrieholz abgenommen werde. Den Energieholzmarkt nannte er die Hygienemaßnahme gegen Forstschädlinge. Letztlich trage der Energieholzmarkt dazu bei, dass ein Forstbetrieb überhaupt einen positiven Betriebserfolg verzeichne.

Pfemeter betrachtete in der Videokonferenz auch zukünftige Entwicklungen auf dem Wärmemarkt. So gehe er von einer weiteren Klimaerwärmung um ein Grad Celsius aus, die zu einem geringeren Wärmebedarf von 14 Prozent beitragen werde. Bessere Dämmung, effiziente Anlagentechnik und der Umstieg auf andere Heiztechnik, wie Power to heat und Solarthermie führen dazu, dass weniger Holz zum Heizen gebraucht werde. Effekte, die dazu führen, dass mehr Holz zum Heizen benötigt werde, nannte Pfemeter den Ausbau der Stromerzeugung, den Ausbau von Großkesseln, den Ausbau von Kleinkesseln und die neuen Techniken mit Holzdiesel und Holzgas.

Auf der Angebotsseite sieht Pfemeter, dass zukünftig mehr Energieholz zur Verfügung steht, wenn die Wälder Mitteleuropas in Mischwälder umgewandelt werden mit einem Laubholzanteil von 80 Prozent, wenn klimabedingte Schadereignisse wie Stürme, Trockenheit und Borkenkäferkalamitäten zunehmen und wenn die Holzbauoffensive der Länder tatsächlich greift. „Dann werden pro Kubikmeter verbautes Holz sechs Kubikmeter Nebenprodukte anfallen“, erklärte Pfemeter.

Land- und Forstwirtschaft erdölfrei machen

Bei steigendem Energieholzangebot zeigt sich der Biomasseexperte skeptisch, ob sich der Energieholzeinsatz steigern lasse. Es sei denn, es werde das Projekt der Technischen Universität Wien durchgeführt, das die österreichische Land- und Forstwirtschaft bis 2035 zu 100 Prozent mit Holzdiesel und Holzgas versorgt werde und somit erdölfrei agiere. Es existiert eine Machbarkeitsstudie, die auch die Kosten errechnete. Demnach sollen durch thermochemische Gaserzeugung mit anschließender Synthese zu Holzdiesel (FT-Synthese) oder Holzgas (SNG Synthese) Treibstoffe in 100 MW-Anlagen generiert werden. Die Produktionskosten für Holzdiesel liegen dann bei 1,15 bis 1,40 Euro/l und für Holzgas bei 65 bis 80 Euro/MWh. Für eine Holzdieselanlage müssten 200 Mio. Euro investiert werden, für eine Holzgasanlage 150 Mio. Euro. Um die ganze Land- und Forstwirtschaft in Österreich zu versorgen, müssten neun Holzdiesel- und eine Holzgasanlage erbaut werden. Die TU Wien hat vorgeschlagen, vorerst ein Reallabor mit 5 MW zu bauen, um das Vertrauen in die neue Technologie zu stärken.

Pfemeter ist überzeugt davon, dass der Wald- und Holzsektor eine Vorreiterrolle einnehmen sollte bei der Einsparung fossiler Energien, denn diese ruinieren durch den Klimawandel die heimischen Wälder. Ein Ausstieg aus den fossilen Energien sei langfristig die einzige Möglichkeit, den Klimawandel zu stoppen. Das anfallende Schadholz muss genutzt werden, um nicht noch mehr CO2 durch absterbende Wälder zu erzeugen. Die neuen Technologien zur Holzdiesel- und Holzgaserzeugung sollten konsequent genutzt werden, um diesen Weg zu beschreiten. Damit würde dann die Holz­energie langfristig eine größere Rolle in der Forstwirtschaft spielen.

zep