Schafkäse aus der Hungener Käsescheune

Schäfer investieren in Milchschafherden und Melkstände

Die Städte Hungen und Hüttenberg blicken auf eine lange Schäfertradition zurück: In Hungen hütet der Stadtschäfer eine gut 800-köpfige Herde und bildet bis Ende 2013 sogar eine Schäferin aus. In Hüttenberg gibt es noch eine Bauernschäferei, in der auch kleine Schafgruppen privater Besitzer in einer Herde gehütet werden. Ab Mai wird die Hungener Käsescheune ihren Betrieb aufnehmen und dort Schafmilch aus den Betrieben Heintz und Schmid verarbeiten, so eine Pressemitteilung der Hungener Käsescheune (das LW berichtete in Ausgabe 2/2013, ab Seite 26).

Stefan Heintz, Juniorchef der Schäferei Heintz, stockt seine bisher knapp 20-köpfige ostfriesische Milchschafherde auf 100 Schafe auf und wird die Milch an die Hungener Käsescheune liefern (im Bild mit Lebensgefährtin Christine Damm).

Foto: Schick

Auch Stefan Heintz und sein Vater Reinhard, der bereits seit 30 Jahren Schafe hält und Vorsitzender des Hessischen Verbandes für Schafzucht und -Haltung ist, wandern einmal im Jahr fünf Stunden mit ihrer 500 Kopf starken Merinolandschafherde nach Fernwald-Steinbach, wo gut 8 ha Kuppen der Hutung „Hoher Stein“ beweidet werden, und dann wieder zurück. Dieses Areal ist eine der im Life+-Projekt „Wetterauer Hutungen“ ausgewiesenen Flächen. Ziel dieses Naturschutzprojektes ist es, die traditionell schafbeweideten Hutungen vor Verbuschung zu schützen, regionaltypische Pflanzen zu schützen und durch die Verbesserung der Infrastruktur (Tränken, Triftwege, Zäune) sowie Vernetzung der Schäfer und ehrenamtlicher Landschaftspfleger, zu erhalten.

Stefan Heintz (27), Juniorchef der Schäferei Heintz, stockt seine bisher knapp 20-köpfige ostfriesische Milchschafherde derzeit auf. Die Nachzucht gehört ebenso dazu wie einige Zukäufe. Sein Ziel: um die 100 Tiere. Denn er wird ab Mai 2013 die Schaukäserei in der Hungener Käsescheune mit Schafmilch beliefern. „100 Tiere braucht man, um betriebswirtschaftlich erfolgreich die Milchschafhaltung betreiben zu können“, erklärt er. Und für einen Liter Schafmilch muss er zwischen 1,20 und 1,60 Euro erzielen, damit sich die Schafhaltung auch lohnt.

Hungener Käsescheune wird im Mai Betrieb aufnehmen

Im Gegensatz zur Wanderschäferei ist die Haltung von Milchschafen aufwendiger. Milchschafe werden zwei Mal am Tag gemolken und müssen deswegen in Stallnähe gehalten werden. Bei Schäfer Heintz weiden die Schafe und Lämmer deswegen von Frühling bis Herbst auf rund 6 Hektar Flächen rund um die Stallungen. Gentechnikfreie Zusatzfütterung im Stall inklusive. Ein Schaf gibt bis zu 600 Liter jährlich. Um alle Schafe effizient melken zu können, erweitert Familie Heintz den bisherigen Melk­stand auf 20 Plätze.

Die Hungener Käsescheune (www.hungener-kaesescheune.de) wird im Mai 2013 ihren Betrieb aufnehmen und zunächst täglich zwischen 2 000 und 3 000 Liter Kuhmilch aus der Region verarbeiten. Außerdem ist sie neben einer bayerischen Molkerei die einzige in Deutschland, die Schafmilch in großen Mengen (300 Liter jeden zweiten Tag) annimmt und verarbeiten wird. „Leider überlassen wir das Geschäft mit der Schafmilch den südeuropäischen Nachbarn wie Griechenland, Spanien oder Frankreich“, beklagt Stefan Heintz. Hessenweit müsse Schafmilch bisher in der eigenen Hofkäserei verarbeitet und direkt auf Märkten, im Hofladen oder über Lebensmittelfachgeschäfte vermarktet werden. In der Wetterau und dem Landkreis Gießen bietet die Hungener Käsescheune Schäfern und Landwirten nun ein zukunftsfähiges Vermarktungsstandbein mit wirtschaftlich berechenbaren Einkünften an und übernimmt so eine Vorreiterstellung – nicht nur in der grünen Mitte Hessens. „Es war in der Planungsphase der Hungener Käsescheune zunächst schwierig, Schäfer zu finden, die bereit sind, ihre Milchschaftbestände aufzustocken oder wie Andreas Schmid eine neue Herde aufzubauen. Aber wir wollen die Schäfertradition rund um Hungen nachhaltig wiederbeleben und regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Deswegen sind wir sehr froh, zwei Schäfer in der Nähe gefunden zu haben, die uns mit Schafmilch beliefern werden“, sagt Reiner Wechs, Produktentwickler in der Hungener Käsescheune.

Betriebe Heintz und Schmid investieren in Milchschafhaltung

Die innovativen und risikofreudigen Schäfer Stefan Heintz (Hüttenberg) und Andreas Schmid (Münzenberg) investieren in die Zukunft der Milchschafhaltung. Familie Heintz legte sich bereits vor zwei Jahren Milchschafe zu. Ohne die Kooperation mit der Käserei in der Hungener Käsescheune wäre es jedoch bei etwa 20 Tieren geblieben, resümiert Heintz. Einen Partner und zuverlässigen Abnehmer in der Nachbarschaft zu haben, hat auch den gelernten Forst- und Tierwirt Fachrichtung Schafhaltung Andreas Schmid aus Münzenberg-Gambach bewogen, seine bisherige Merino-Schafherde um eine bis zu 200 Köpfen starke Milchschafherde zu erweitern. Andreas Schmid bevorzugt jedoch Lacaune-Schafe. Gerade hat er 50 Lämmer und 35 Jährlinge gekauft. Diese beweiden nun auch traditionelle Wetterauer Hutungen, unter anderem in der Metz bei Münzenberg. Im großzügigen und luftigen Stall mit komfortablem Strohbett für die Tiere, werden die Schafe mit selbst erzeugter Grassilage, Stroh sowie Mineralfutter zugefüttert. Der passionierte Schäfer – seine Familie betreibt seit gut 80 Jahren eine Schäferei – investiert zudem in eine neue, moderne Melkanlage. Insgesamt gut 35 000 Euro. Er hofft, ab Spätsommer 2013 Schafmilch an die Hungener Käsescheune liefern zu können. Mittelfristiges Ziel: 2 000 Liter monatlich. „Gern mehr“, wie er sagt. Neben allen technischen und wirtschaftlichen Ãœberlegungen soll aber auch das traditionelle Hüten der Schafe mit seinen Hunden (altdeutsche Schäferhunde und ein Australien Shepherd) nicht zu kurz kommen. „Der Umgang mit den Tieren, die Arbeit in der Natur, die Kontemplation, wenn man mit den Schafen zieht, das möchte ich auf keinen Fall missen“, erzählt Schmid.

Konstante Milchlieferung erreichen

Was aber tun, wenn die Milchschafe Lämmer haben? Die sind nämlich die ersten an der „Tankstelle“ und trinken die Milch weg. Die Käseproduktion in der Hungener Käsescheune müsste dann ruhen. Da das wirtschaftlich nicht darstellbar ist, überlegen beide Schäfer, wie sie eine konstante Milchlieferung garantieren können. Erste Möglichkeit: die Lämmer gehen in einen Kuhbetrieb und werden per Flasche aufgezogen. Zweite Möglichkeit: die Herde wird aufgeteilt und die Mutterschafe bekommen zu unterschiedlichen Zeiten ihre Lämmer. Dann würde sich die Milchlieferung jedoch über zweimal acht Wochen halbieren. „Es ist ja noch etwas Zeit und wir werden eine nachhaltige Lösung finden“, so die beiden Schäfer.

 – LW 11/2013