Schallkanonen zum Kitzschutz sind wichtig und sollten fortentwickelt werden

Ziel ist, den bewegungslosen Reflex des Jungtiers zu „knacken“

Mit Beginn der Setzzeit des Rehwildes startet in Kürze auch der erste Schnitt des Futteraufwuchses. Rehkitze sind dann besonders gefährdet, von den Schneidwerken erfasst zu werden. Jeder Landwirt möchte dies vermeiden. Gleichzeitig ist der Arbeitsdruck hoch und der Termin kann sich kurzfristig oft noch ändern, so dass nicht immer rechtzeitig der Jagdpächter informiert werden kann, um am Abend vorher das Grünland noch mit seinem Jagdhund auf Jungwild abzusuchen.

Nachwuchs beim Rehwild: Hat die Bockjagd begonnen, dauert es nicht mehr lange, und die ersten Kitze sind da.

Foto: Michael Breuer

Technische Methoden sind daher ein wichtiger Baustein zur erfolgreichen Wildrettung bei der Mahd. In der Wetterau wird seit drei Jahren der Einsatz von sogenannten Schallkanonen, die auf dem Mähwerk angebracht werden, praktiziert. Landwirte und Jäger arbeiten hier eng zusammen und machen mit den Schallkanonen sehr gute Erfahrungen. Gleichzeitig arbeitet man an weite­ren Verbesserungen, wie Andreas Mohr, Vorsitzender des Jagdvereins Hubertus Büdingen, dem LW mitteilt.

Technische Verbesserung auf Basis der Erfahrungen

Anstatt zu flüchten drücken sich erst wenige Tage alte Jungtiere am Boden beim Herannahen der landwirtschaftlichen Maschinen. Der Jagdverein hatte in einem Testlauf 200 Geräte aus Österreich importiert und nach dem ersten Einsatzjahr die Erfahrungen bei den beteiligten Landwirten und Jägern abgefragt.

„Mehrheitlich wollten die Tester nicht mehr darauf verzichten. Sie gaben uns aber auch Verbesserungsvorschläge mit, die vom Hersteller aber nicht umgesetzt werden konnten“, berichtet der Vorsitzende. Da in Deutschland kein Hersteller ausfindig gemacht wurde, der die Schallkanonen auf Basis der gemachten Erfahrungen der Wetterauer baut, ergriffen sie selbst die Initiative und vergaben einen Entwicklungsauftrag für den Bau von Schallkanonen.

Mit dem Ergebnis: „Diese Geräte „Made in Hessen“ vertreiben wir nun selbst zum Selbstkostenpreis in Höhe von 116 Euro, zuzüglich Mehrwertsteuer.“ Die meisten Geräte werden von Jagdgenossenschaften gekauft, so Mohr. Mittlerweile gebe es dazu eine Rahmenvereinbarung mit dem Jagdgenossenschaftsverband.

Schallkanonen werden per Magnethalterung am Schlepper angebracht. Die Geräte erzeu­gen impulsartig schrille Ultraschalltöne, die für Menschen kaum hörbar sind, aber mit denen das Wild aus dem hohen Gras vergrämt wird. Mit der Fortentwicklung von Schallkanonen soll das Ducken und Tarnen junger Kitze „geknackt“ werden, um sie vor dem Mähwerk zu schützen. Flatterbänder oder das Absuchen der Grünlandflächen einen Tag vor der Mahd mit dem Jagdhund sowie der Einsatz einer Kameradrohne sind weitere wichtige wildtierrettende Maßnahmen.

Foto: JVBüd

Der Vorsitzende fügt hinzu, dass diese Methode, das Wild mit den Schallkanonen zu vergrämen, bereits sehr erfolgreich ist. Er schätzt, dass auf diese Weise über 80 Prozent der Wildtierverluste durch Ausmähen vermieden werden. Wichtig nach den bisher gemachten Erfahrungen ist aber, dass das Aufscheuchen erst funktioniert, wenn Rehkitze um die zehn Tage und mehr alt sind, weil sich zuvor das Jungtier beim annähernden Schlepper noch instinktiv duckt, statt auszuweichen. „Vorher klappt eine Sicherung nur mit Vergrämungsmaßnahmen gegen das Muttertier. Die Ricke muss davon überzeugt werden, dass der Liegeplatz unsicher ist und das Kitz verlegt werden muss“, folgert der Jäger. Sobald die Kitze aufstehen, habe der Fahrer überhaupt erst eine Möglichkeit, sie zu erkennen und zu reagieren. Dann wirken auch Flatterbänder und Blinklichter gut. In stark belebten Gebieten mit dauerndem Verkehr haben Blinklichter keinen Effekt, denn das Wild gewöhnt sich daran. Die erfolgreichste Methode, Wild aufzufinden, ist nach wie vor der Jagdhund. Seine Einsatzzeit ist jedoch aufgrund des Pollenflugs und der damit verbundenen zunehmenden Geruchsunempfindlichkeit begrenzt.

Unterschiedliche Töne werden auf ihre Wirkung hin erprobt

Der durchdringende Ton sorge für das Aufstehen und in der neuen Schallkanone sei unter anderem ein Prozessor verbaut, der das Aufspielen gegebenenfalls wirkungsvollerer Töne ermöglicht. Dazu betreiben die Büdinger Jäger gemeinsam mit den beteiligten Jagdgenossenschaften derzeit eine weitere Fortentwicklung. Denn es gebe noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse der Wildbiologen, mit welchen Tönen der angeborene Reflex des Rehkitzes des bewegungslosen Verharrens optimal aufgebrochen werden kann.

Moe – LW 18/2017