Schwarzwild und die Jagdverpachtung

Eine Bestandsaufnahme am Beispiel des Landes Hessen

Nachdem in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz jüngst erste Fälle von Schweinepest bei Schwarzwild festgestellt wurden, reagieren Politik und Verwaltung.

Die Vermehrungsrate der Wildschweine wurde lange Zeit unterschätzt.

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Als entscheidende Gründe für die steigende Populationsentwicklung des Schwarzwildes werden genannt, dass das Schwarzwild in Deutschland weitestgehend keinen natürlichen Feinden ausgesetzt ist, es sich durch die milden Winter ganzjährig problemlos mit Nahrung versorgen kann, sich das Nahrungsangebot durch erhöhte Fruktifikationstätigkeit von Buche und Eiche erheblich verbessert – fruktifizierte die Buche früher etwa alle sieben Jahre, ist heute etwa alle zwei bis drei Jahre eine Bucheckernmast festzustellen, zunehmend größer strukturierte Schläge dem Schwarzwild als ideales Einstands- und Nahrungsangebot dienen und die Geschlechtsreife beim Schwarzwild immer früher eintritt und Zuwachsraten von 300 Prozent und mehr zu verzeichnen sind.

Buchenmast ist deutlicher Faktor

Insbesondere der Faktor „Buchenmast“ ist in den Schwarzwildstreckenergebnissen deutlich ablesbar. So folgen auf Mastjahre meist sehr gute Schwarzwildstrecken, wo hingegen die Strecken abfallen, wenn die Mast ausgeblieben ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Streckenergebnisse auch den Wildbestand widerspiegeln.

Folge ist, dass allein in Hessen im Jagdjahr 2001/2002 mit einer Strecke von mehr als 70 000 Stück Schwarzwild ein Maß erreicht wurde, das der Gesamtstrecke der BRD und der DDR Ende der 60er Jahre entspricht. Prob­leme treten aufgrund der erhöhten und sicherlich vielfach überhöhten Schwarzwildbestände in allen Bundesländern in dreierlei Hinsicht auf:

  • Gefahr des Ausbruches der Schweinepest beim Schwarzwild und Ãœbergriff auf Hausschweine,
  • erhöhte Zahl von Wildunfällen mit Massenkarambolagen, Verletzten und Todesopfern bei Mensch und Tier,
  • erhöhter Wildschaden in Feld und Flur.

Die Forderung der hiervon Betroffenen ist einhellig: Die Schwarzwildpopulation muss zurückgeführt werden.

Die Frage des „Wie“ wird allerdings sehr unterschiedlich beantwortet. Am weitestgehenden sind zurzeit wahrscheinlich die Forderungen der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), die folgende Maßnahmen fordert:

  • verbindliche Abschusspläne für Schwarzwild, deren Einhaltung von den Kreisveterinärbehörden überprüft werden,
  • Anordnung von revierübergreifenden Bewegungsjagden,
  • Anordnung der Zwangsbejagung im Falle der Weigerung oder Nichterfüllung der vorgenannten Punkte,
  • Beiordnung von Berufsjägern an die Jagdpächter auf Antrag,
  • ganzjährige Jagdzeit auf Schwarzwild ausgenommen führende Bachen,
  • Einsatz von Antibabypillen für Schwarzwild,
  • Verbot missbräuchlichen Kirrens,
  • Erlaubnis von Nachtsichtgeräten und Laservisieren bei der Jagd auf Schwarzwild,
  • Einrichtung von Saufängen.

Insbesondere die Frage des Wildschadensersatzes lässt die Parteien des Jagdpachtvertrages in hitzige Vertragsverhandlungen eintreten. Gerade in Jahren, in denen der Umfang des Wildschadens gleichzeitig mit den Preisen für die angebauten landwirtschaftlichen Erzeugnisse – hier insbesondere für Getreide und Mais – anwächst, potenzieren sich die Wildschadensersatzforderungen der Landwirte. Spätestens, wenn die Höhe der Wildschadensersatzforderungen die der Jagdpacht übersteigt, kommen beim Jagdpächter Ãœberlegungen auf, ob die Jahrzehnte lange Praxis der Ãœbernahme der Wildschadensersatzpflicht noch zeitgemäß ist. Insbesondere das Schreckgespenst „Bioenergiemais“ wird bei Vertragsverhandlungen vermehrt ins Feld geführt. Dabei ist bisher noch nicht einmal wissenschaftlich geklärt, ob ein vermehrter Maisanbau auch zu erhöhten Populationen und erhöhten Wildschäden führt. Das vierjährige Modellvorhaben ist im letzten Jahr angelaufen. Zudem wird – so zumindest in Hessen – in den letzten Jahren nicht mehr Mais angebaut als in den vorangegangenen Jahren und Jahrzehnten. Im Gegenteil ist der Maisanbau teilweise sogar rückläufig gewesen.

Die Jagdpraxis ändern?

Doch was wäre die Folge einer Abänderung der heutigen Praxis? Sowohl bei der Pauschalierung der Wildschadensersatzforderung als erst recht bei der vollständigen Verweigerung, den Wildschadensersatz als Jagdpächter zu übernehmen, steht zu befürchten, dass bei dem einen oder anderen Jagdpächter die Motivation, die Schadwildbestände kurz zu halten, ins Hintertreffen gerät und die Wildschadensersatzpflicht der Jagdgenossenschaft zur Last fällt. In letzter Konsequenz haben die einzelnen Jagdgenossen, das heißt also die Grundstückseigentümer den Wildschaden zu tragen. Bei einer sehr kleinen Parzellierung der Grundstücke mit unterschiedlichen Eigentümern, wie sie etwa in Hessen vielerorts anzutreffen ist, finden sich vermehrt Grundstückseigentümer, die weder der Jagd noch der Landwirtschaft zugetan sind. Werden diese Grundeigentümer in großer Anzahl als Jagdgenossen zum Wildschadensersatz herangezogen, steht zu befürchten, dass sie das derzeitige deutsche Jagdsystem mit seinem Reviersystem und der Zwangsmit­gliedschaft in der Jagdgenossenschaft, wodurch eine flächendeckende Bejagung überhaupt erst ermöglicht wird, in Frage stellen werden. Die derzeit schon erhobenen Forderungen von Jagdgegner zur Abschaffung der Jagd und zur Abschaffung des Reviersystems in seiner heutigen Ausprägung würden dadurch von einer breiteren Öffentlichkeit vertreten. Diese Entwicklung hätte für sämtliche an der Jagd Beteiligte erhebliche negative Auswirkungen. Aus Sicht der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer kann daher nur die Forderung erhoben werden: Die Wildschadensersatzpflicht muss bei demjenigen liegen, der als einziger maßgeblichen Einfluss auf die Populationsentwicklung hat – also beim Jäger und Jagdpächter!

Wildschäden vermeiden

Die Jagdpächter hingegen sehen in steigenden und nur schwer beherrschbaren Schwarzwildpopulationen und den daraus erwachsenden Wildschäden teilweise eine Existenzbedrohung und fordern eine Deckelung, Pauschalierung oder Regelung zum Wildschadensersatz. Der Regelungsfantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

Teilweise wird von vornherein ein versöhnlicher Weg eingeschlagen: Dabei setzen sich Landwirte, Jäger und Jagdgenossenschaftsvertreter zusammen und regeln gemeinsam das Miteinander unter Auferlegung von Pflichten, die alle drei Gruppen betreffen, aber einhellig das Ziel haben, Wildschäden erst gar nicht entstehen zu lassen. Eines ist sicher: Dort wo Jäger, Jagdgenossen und Landwirte Hand in Hand zur Vermeidung von Wildschäden zusammenarbeiten, bestehen Wildschadensproblematiken nicht oder werden behoben – ein Erfolgsmodell. Eine mögliche Alternative liegt in der Eigenbewirtschaftung des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes durch die Jagdgenossenschaft. Dabei werden Jäger von der Jagdgenossenschaft angestellt, um Strecke zu machen. Das Jagdausübungsrecht verbleibt in diesem Falle bei der Jagdgenossenschaft, die dann auch Einzelabschüsse und Gesellschaftsjagden organisieren kann. Das Wildbret vermarktet in diesem Fall die Jagdgenossenschaft selbst und kann dadurch neben der Vergabe von Abschüssen die Jagd finanzieren. Diese Variante wird in Bayern teilweise mit Erfolg propagiert.

In Hessen sind Fälle der langfristigen Eigenbewirtschaftung des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes durch die Jagdgenossenschaft bisher nicht bekannt geworden. Die Problematik der Unverpachtbarkeit der Reviere oder dass sich die Jagdpachtvertragsparteien über die Vertragsmodalitäten nicht einig werden, ist in Hessen bisher grundsätzlich nicht anzutreffen. Umfragen bei den Unteren Jagdbehörden haben ergeben, dass nur sehr vereinzelt Jagdreviere nicht verpachtet werden können. Wo es vorkommt, ist es auf ein unverhofftes Ausscheiden des bisherigen Jagdpächters zurückzuführen und es wird schnell ein Nachpächter gefunden. In einigen Landkreisen Hessens sind Regelungen zu Wildschadensersatzpauschalierung oder unbekannt. In den Ballungsgebieten wie dem Rhein-Main-Gebiet ist eine Tendenz steigender Jagdpachtzinsen zu verzeichnen. Hier und da wird die Jagdgenossenschaft aber auch bei der Verpachtung bei ihren Konditionen nachgeben müssen. Das ist aufgrund der heutigen Entwicklung hin zur Versiegelung von Flächen, Urbanisierung und ständig wachsendem Freizeitdruck teilweise unvermeidlich.

Um zu brauchbaren Ergebnissen bei der Problemlösung zu kommen, müssen sich alle Beteiligten disziplinieren und Bereitschaft zeigen, einen eigenen Beitrag zur Problemlösung beizusteuern. Björn Schöbel, Geschäftsführer des Verbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer in Hessen (VJEH)