Schweinemast in Zeiten der Krise

Die Lage von Hessens Mästern

Schon seit Monaten ist die Lage auf dem Schweinemarkt durch die Corona-Krise und den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) angespannt. Bisher ist keine nennenswerte Erholung der Situation in Sicht. Das LW hat bei Thomas Fögen von der landwirtschaftlichen Unternehmensberatung des Hessischen Bauernverbandes (HBV) sowie Mästern aus der Wetterau, dem Vogelsbergkreis und dem Landkreis Kassel nachgefragt, wie sie die Krise erleben.

Die Schweinehalter stehen vor allem aufgrund der Corona-Kirse vor großen Herausforderungen. Mastschweinehalter Stefan Kaiser aus Trais-Münzenberg vermarktet seine Schweine an Metzger aus der Umgebung und an einen Viehhändler.

Foto: Weller, Adams, Olbrich, Kramm

Der Schweinemarkt ist geprägt von einem starken Preisdruck und einem Überangebot bei Schweinen, Ferkeln und Fleisch. Die Preise sind seit Monaten auf einem extrem niedrigen Niveau, zuletzt auf dem niedrigsten Stand seit Januar 2011 mit 1,19 Euro/kg. Diese Preise stehen den derzeit verhältnismäßig hohen Futterkosten gegenüber. Flächenarme Betriebe, die Futter zukaufen müssen, stehen so zusätzlich unter Druck. Außerdem war dieses Jahr in Teilen von Hessen die Gerstenernte besonders schlecht.

Seit Beginn der Krise hat sich ein aktueller Überhang von bundesweit rund 670 000 schlachtreifen Schweinen angestaut. Dieser Rückstau soll über Weihnachten nicht weiter anwachsen, jedoch ist die tatsächliche Schlachtkapazität in den Schlachthöfen durch die weiterhin angespannte Corona-Lage schwer zu planen. Über die Feiertage entfallen zudem einige Schlachttage.

Kurzer Stillstand mit weitreichenden Folgen

Thomas Fögen von der landwirtschaftlichen Unternehmensberatung des Hessischen Bauernverbandes (HBV) sieht die Lage sehr kritisch: „Ein weiterer Corona-Fall in einem der Schlachthöfe, gefolgt von allen Konsequenzen, wäre eine Katastrophe.“

Alleine der etwa vier Wochen lange Stillstand von Tönnies im Frühjahr sei für rund 400 000 Schweine verantwortlich, die nun noch im Rückstau stehen. Das Nadelöhr auf den Schlachthöfen sei vor allem die Zerlegung, nicht unbedingt die Schlachtung selbst. Denn durch Abstandsvorgaben könnten die tatsächlichen Zerlegekapazitäten nicht ausgeschöpft werden, so käme es zusätzlich auf den Schlachthöfen zu Rückstau.

Fögen betont, dass derzeit vor allem Corona das Problem sei. „Die Konzentration lag lange auf der ASP, doch welche Folgen eine Pandemie wie Cronona für den Schweinemarkt haben könnte, konnte sich vorher keiner wirklich vorstellen.“

Dennoch fehlt dem Handel derzeit aufgrund der ASP besonders der Export von Nebenprodukten wie Rüsseln, Pfötchen, Ohren und Schwänzen in die asiatischen Länder. Diese müssen nun zu weitaus geringeren Preisen in der EU, beispielsweise für die Herstellung von Tierfutter vermarktet werden.

Viele Mäster, die an Vion und Tönnies liefern, hatten große Probleme mit dem Rückstau. Auch trotz Vertrag wurden sie immer wieder vertröstet und der Abholtermin weiter nach hinten verschoben. So kam es zu viel zu schweren Schweinen und in Folge dessen großen Preisabzügen. Fögen betonte jedoch auch: „Nicht nur die niedrigen Preise sind das Problem. Das kennen Mäster und Ferkelerzeuger leider schon. Doch was nun neu war, war der Rückstau. Damit weiß keiner so richtig umzugehen.“

Getreide vom eigenen Betrieb

Thomas Fögen blickt mit Sorge auf die Corona-Pandemie und die Auswirkungen auf den Schweinemarkt.

Foto: Weller, Adams, Olbrich, Kramm

Regional ist die Lage dennoch sehr unterschiedlich und für den einzelnen Betrieb stark von den jeweiligen Vermarktungswegen abhängig, deshalb hat das LW auch bei drei Schweinemästern aus Hessen nachgefragt.

In Trais-Münzenberg in der Wetterau liegt der Betrieb von Stefan Kaiser. Der 51-jährige Landwirtschaftsmeister bewirtschaftet den Familienbetrieb mit 1 200 Mastplätzen und Ackerbau. Sein Betrieb hat keine Angestellten, er wird jedoch von Seniorchef, Onkel und einem Neffen unterstützt. Die Stallungen außerhalb der Ortschaft entsprechen den aktuellen Standards, das Getreide baut Kaiser vollständig selbst an. Angebaut werden Weizen, Gerste, Raps und Zuckerrüben. Alle drei Wochen kommen etwa 220 neue Ferkel vom Betrieb Ritter aus Bebra. Diese Zusammenarbeit besteht bereits seit einigen Jahren.

Vermarktung über Metzger und Viehhändler

Vermarktet werden die schlachtreifen Schweine zu etwa 40 Prozent an vier Metzger aus der Umgebung. Immer montags fährt Kaiser die Schlachtschweine zu dreien seiner Metzger. Der vierte holt sie aus logistischen und zeitlichen Gründen selbst ab. Die übrigen 60 Prozent werden über den Viehhandel Helwig aus Schwalmstadt verkauft. Mit den Metzgern hat Kaiser einen festen Preis vereinbart, der Viehhandel zahlt den aktuellen Marktpreis.

Er selbst hat glücklicherweise noch keine starken Auswirkungen des Rückstaus gespürt. Dies ist durch die anteilmäßig starke Vermarktung an Metzger direkt zu erklären, bei denen die Schlachtzahlen unverändert blieben. Auch die belieferten Schlachthöfe konnten in nahezu gleichbleibender Kapazität arbeiten, da es nicht zu schwerwiegenden Corona-Ausbrüchen unter den Mitarbeitern kam.

Fehlende Planungssicherheit

Der niedrige Marktpreis betrifft ihn dabei dennoch. Kaiser ist jedoch zuversichtlich: „Ein Auf und Ab gab es schon immer. Man sollte nie aufgeben, denn irgendwann kommen auch wieder bessere Zeiten, auch wenn der Ausgang derzeit noch ungewiss ist, besonders, wenn sich die ASP weiter ausbreitet.“

Er geht davon aus, dass viele Landwirte darüber nachdenken, aufzuhören. So würde sich der Markt früher oder später wohl neu ordnen. Er selbst möchte weitermachen, eine Erweiterung steht jedoch durch fehlende Planungssicherheit auch nicht zur Debatte. Kaiser findet, dass die Ferkelerzeuger, bei einem Preis von rund 30 Euro je Ferkel, derzeit noch schlechter dran sind als die Mäster. „Das erste Glied in der Kette sind die Ferkelerzeuger. Es besteht seit Jahren ein gutes Geschäftsverhältnis und ich habe großes Vertrauen zu unserem Ferkellieferanten, wir verstehen uns. Es steht für mich außer Frage, mal eine Partie auszusetzen oder mich nach noch billigeren Ferkeln umzusehen, auch wenn sich die Lage vermutlich noch weiter anspannt“, so Kaiser.

Langjährige Kooperation

Auch beim Betrieb von Bernd und Julian Olbrich in Mücke im Vogelsbergkreis besteht eine lange Kooperation mit dem Ferkelerzeuger, welche nicht aufgegeben werden soll. Julian Olbrich sieht die aktuelle Situation ebenfalls kritisch: „Veränderung gab es ja schon immer. Jedoch legt der Ferkelerzeuger zurzeit bei jedem Ferkel Geld dazu.“ Dies könne langfristig nicht gut gehen. Seit gut 20 Jahren bezieht der Mäster seine Ferkel vom Betrieb Faust aus Großenlüder in Osthessen. Der Juniorchef des Familienbetriebes, Julian Olbrich, ist 23 Jahre alt. Zusätzlich hat der Familienbetrieb einen Angestellten in Teilzeit.

Teilnahme an der Initiative Tierwohl

Besonders auf Tierwohl setzt Betrieb Kramm im nordhessischen Grebenstein. Jörg Kramm und Sohn Moritz liefern Schweine an Tönnies sowie an regionale Metzger. Neben der Schweinemast gehört auch eine Legehennenhaltung und ein Lohnunternehmen dazu.

Foto: Weller, Adams, Olbrich, Kramm

Regulär haben die Stallungen 2 400 Mastplätze. Aufgrund der Teilnahme an der Initiative Tierwohl sind die Stallplätze um 10 Prozent reduziert und bieten so Platz für 2 150 Mastschweine.

Zusätzlich müssen organisches Beschäftigungsmaterial angeboten werden und weitere Basiskriterien erfüllt werden. Etwa 75 Prozent des Futters stammen von den eigenen Ackerflächen. Angebaut werden Weizen, Gerste und Triticale, ab nächstem Jahr auch Ackerbohnen.

Olbrichs gehören der Erzeugergemeinschaft „Land Primus“ des Lebensmitteleinzelhändlers Tegut an, über diesen Weg werden die Schweine vollständig vermarktet. Diese Eigenmarkte wirbt mit Regionalität und dem Slogan „Wissen wo's herkommt“. Die Höfe befinden sich im Vogelsberg, der Rhön und dem Landkreis Schwäbisch Hall. So sollen tierschonende kurze Transporte von maximal vier Stunden gesichert werden. Auch der Ferkelerzeuger muss dabei bereits eine Gentechnik-freie Fütterung der Ferkel garantieren.

Die Preise liegen über dem Marktpreis, zudem gibt es eine spezielle Maske. Pro Jahr liefert Olbrich rund 6 200 Schweine an Tegut, die am Schlachthof in Bayreuth geschlachtet werden. Dieser hat eine Kapazität von etwa 3 000 Schweinen pro Woche. Trotz besserer Preise bekommen auch Olbrichs Auswirkungen der aktuellen Situation am Schweinemarkt zu spüren.

So waren an den Schlachthof gelieferte Schweine zu schwer und es gab Abzüge. Tegut habe jedoch angekündigt, diese Verluste zu tragen und die Landwirte so zu unterstützen. Julian Olbrich blickt trotz der schlimmen Lage auf dem Schweinemarkt zuversichtlich in die Zukunft: „Wir sind seit 70 Jahren Schweinemäster und haben bisher alle Höhen und Tiefen miterlebt und gemeistert.“

Verschiedene Betriebsstandbeine

In Nordhessen, ausgesiedelt zwischen Grebenstein und Hofgeismar, liegt der Betrieb von Jörg Kramm. Der Familienbetrieb ist mit Ackerbau, der Schweinemast, Legehennenhaltung und einem Lohnunternehmen breit aufgestellt.

Unterstützt werden sie von einem Vollzeitangestellten sowie einigen Teilzeit-Arbeitskräften. Sohn Moritz Kramm ist ebenfalls im landwirtschaftlichen Betrieb tätig und bereits mit in die GbR eingestiegen. Jörg Kramm ist zudem stellvertretender Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Kurhessen und engagiert sich dabei für die heimische Landwirtschaft.

Die Mastställe wurden in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert, auf zuletzt 2 500 Mastplätze, aufgeteilt in Altgebäude und Neubau. Zusätzlich zur eigenen Anbaufläche kauft Kramm die Ernte direkt ab Feld von den Kunden seines Lohnunternehmens.

„Neuer Durchgang, neues Glück“

Seit drei Jahren bezieht er seine Ferkel über einen Viehhändler von einem Ferkelerzeuger aus Niedersachsen, nachdem der vorherige Sauenhalter aus dem Nachbarort die Ferkelerzeugung aufgab. Kramm glaubt, dass die Sauenhalter wohl auch in Zukunft durch immer neue Vorschriften weniger werden. Die Mast sei flexibler, wenn eine Partie schlecht laufe, könne es bei der nächsten schon wieder viel besser aussehen.

Die Ferkelerzeuger hingegen seien durch den biologischen Ablauf im Stall gezwungen, entsprechend des Abferkelrythmus die Ferkel auszustallen. Der Mäster könne sowohl beim Ferkelkauf als auch beim Mastschweineverkauf den Termin schieben.

Hinzu kämen in den letzten Jahren immer neue Herausforderungen für den Sauenhalter, sei es beispielsweise das Kastenstandurteil oder das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration, die zur verstärkten Aufgabe führten. Der schlechte Ferkelpreis werde diese Reaktion wohl beschleunigen.

Schweine verlassen den Hof im Schnitt schwerer

Vermarktet werden die Mastschweine auf zwei Wegen: Etwa die Hälfte geht in das etwa 100 Kilometer entfernte Rheda-Wiedenbrück, zu Tönnies.

Kramm: „Der Rückstau ist spürbar. Die Maske wurde zwar schon nach oben aufgemacht, jedoch gehen die Schweine derzeit im Schnitt 6 bis 8 Kilo schwerer vom Hof.“ Auffällig sei zudem, dass sich die Liefertermine oft nach hinten verschieben würden und die Stückzahlen gekürzt werden. Vor der Krise konnte man zuverlässiger, meist eine Woche vorher planen, wie viele Schweine den Hof verlassen.

Die andere Hälfte der Schweine geht zu regionalen Metzgern, bei denen derzeit eine erhöhte Nachfrage spürbar ist: „Ich glaube die Verbraucher achten verstärkt auf Regionalität und kaufen so nun mehr beim Metzger vor Ort. Das habe ich beispielsweise auch bei unseren Eiern bemerkt und auch einige Kollegen mit Direktvermarktung berichten einen erhöhten Andrang. Die Frage ist bloß, ob es auch nach Corona so bleiben wird“, fasst Kramm die aktuelle Situation zusammen.

In Zukunft mehr auf Regionalität setzen

Besondere Zuschläge oder feste Preise sind bei den Metzgern nicht vereinbart, Kramm beteiligt sich jedoch wie Olbrich an der Initiative Tierwohl. Der neue Stall, somit etwa die Hälfte der Mastschweine, ist bereits in diesem Programm.

Die Altgebäude befinden sich derzeit noch in der der Umstellung, um zukünftig auch den Kriterien der Initiative Tierwohl zu entsprechen. Dadurch sinkt der Bestand leicht. Eine Erweiterung ist nicht geplant, jedoch will Kramm in Zukunft noch mehr auf Regionalität und Tierwohl setzen und diesen Vermarktungsweg ausbauen.

liw – LW 52/2020