Sensor braucht Biomasse

Precision-Farming-Tagung von Agri Con in Gießen-Kleinlinden

„Ganz am Anfang stand die Ertragskartierung“, sagt Jens Symanneck, bei dem Unternehmen Agri Con zuständig für Hessen. In den 90er Jahren sei Precision Farming noch ein „Spielfeld für innovative Betriebe mit Spaß an Technik“ gewesen. Mit zunehmender Standardisierung der Methoden ab dem Jahr 2000 seien die Profis eingestiegen und mittlerweile seien die Techniken in der Landwirtschaft allgemein akzeptiert.

In Gießen-Kleinlinden informierte die Firma Agri Con vorige Woche mit iher Tagung „Precision Farming“ über neueste Entwicklungen auf diesem Gebiet.

Foto: Michael Schlag

Die Ertragskartierung der vergangenen Ernte als Basis für den Düngerbedarf heranzuziehen, sei allerdings nicht mehr Stand der Technik. Denn sie unterstelle eine feste Beziehung zwischen Düngergabe und Erntemenge, die es in der Praxis gar nicht gebe; der Entzug derselben Fläche könne sich vielmehr von Jahr zu Jahr mit wechselnder Witterung vollkommen ändern. Bezogen auf die Düngung laute das Ziel von Precision Farming deshalb heute, „zu den physiologisch wichtigen Entwicklungszeiten die Versorgungssituation erheben und darauf reagieren,“ so Jens Symanneck.

Düngerbedarf während der Vegetation messen

„Den Düngerbedarf kann ich nur während der Vegetation messen,“ sagt Gerald Siewers, bei Agri Con zuständig für Niedersachsen. Für die Praxis heißt das: „Wir müssen den Bestand beobachten - und das geht nur mit Sensoren.“ Siewers legte auf der Tagung „Precision Farming“ der Firma Agri Con kürzlich in Gießen-Kleinlinden Untersuchungen vor, wie stark der Düngerbedarf im Verlauf einer Fahrgasse schwanken kann. Treffe man an einem Punkt mit 100 kg Stickstoff das wirtschaftliche Optimum der Düngung, könnten 200 Meter weiter schon 40 kg N ausreichen – und noch einmal 200 Meter brauche man für das Optimum 175 kg N. „Das sind über 100 Kilogramm Differenz innerhalb derselben Fahrgasse“, sagt Siewers. Diese Differenzen im Nährstoffbedarf der Pflanzen lassen sich mit bloßem Auge aber nicht präzise erfassen und manuell könne man während des Düngerstreuens auch nicht genau darauf reagieren. Agri Con stellte auf der Tagung seine Methode vor, den „Yara N-Sensor,“ der für die zweite und dritte Düngergabe eingesetzt wird. Die erste Düngergabe erfolgt für das ganze Feld noch einheitlich, denn das System funktioniert erst, wenn die Pflanzen ausreichend groß sind: „Der Sensor braucht Biomasse“, sagt Siewers, um von den Blättern den Düngerbedarf abzulesen. Montiert als Querbalken auf dem Schlepperdach, erfassen Sensoren über die Licht­reflexionen des Bestandes links und rechts der Fahrgasse den aktuellen Ernährungszustand der Pflanzen.

Innerhalb des Schlages erhebliche Schwankungen

Gedüngt nach Sensor zeigen sich innerhalb desselben Schlages dann erhebliche Schwankungen bei der ausgestreuten Düngermenge. So wurden bei einer Testreihe Ende April 2010 als zweite, konstante Gabe 66 kg N pro Hektar Winterweizen gegeben. Variabel, nach Optimum-Berechnung des Sensors ausgestreut, wurden es zwar wieder 66 kg/ha – dahinter verbargen sich aber Schwankungen in einer Bandbreite von 33 bis 76 kg. Noch deutlicher wurde es bei der dritten Stickstoffgabe Mitte Juni des Jahre 2010: Konstant für das ganze Feld wurden 70 kg Stickstoff pro Hektar ausgestreut. Mit optischer Analyse der Biomasse bei der Methode „variable Düngung“, schwankten die Gaben dann im Bereich zwischen 20 und 88 kg, insgesamt wurde jetzt mit einem Durchschnitt von 50 kg auch deutlich weniger gedüngt. Per saldo summierte sich die höhere Effizienz auf 3,5 Dezitonnen Winterweizen mehr pro Hektar, bei gleichzeitig 20 kg weniger Stickstoff, außerdem einer verbesserten N-Bilanz.

In der Zusammenfassung der Jahre 2001 bis 2005 habe man gesehen: „6 Prozent mehr Ertrag bei 12Proezent weniger Einsatz“. Für Siewers der klare Nachweis: „Der Sensor weiß genau, wann er herauf- und wann er herunterregeln muss.“ Die reine Einsparung von Dünger steht somit nicht im Zentrum der Methode: „Die Einsparung kann auch bei null liegen - dafür ist die Menge aber besser verteilt.“

Ãœber Erfahrungen mit dem Sensor berichtet

Sven Borchert berichtete von den Erfahrungen mit dem Sensor auf der Groß Germersleben GbR in Oschersleben, Sachsen-Anhalt, die das System seit dem Jahr 2002 verwendet.

Borchert nannte einen positiven Ertragseffekt von 2 Prozent bei einem Dünger-Minderaufwand von 3 Prozent, homogenere Proteinwerte des A-Weizens, „kein Lagergetreide“ und eine einheitlichere Sortierung der Kartoffelgröße in Folge der Präzisionsdüngung. Positiv verbucht Borchert auch den Mähdruscheffekt der gleichmäßig gewachsenen Weizenbestände und kommt insgesamt auf positive Effekte von 30 bis 50 Euro pro Hektar.

Sensor ist in zwei Bauarten auf dem Markt

Eingeführt wurde der Yara N-Sensor 1999 vom Düngerproduzenten Yara, der auch die Patente des Verfahrens besitzt. Der Sensor wird in zwei Bauarten angeboten: Die passive Variante nutzt das Sonnenlicht, sie ist damit täglich 8 bis 10 Stunden einsetzbar. 2005 kam das System ALS („active light source“) mit eigener Lichtquelle dazu, die den Bestand während der Fahrt anleuchtet. Damit steigt die Einsatzzeit auf 24 Stunden, denn „Betriebe mit 1 000 Hektar können nicht um 18 Uhr aufhören zu düngen,“ sagt Siewers. Weltweit ist der „Yara N-Sensor“ nach Firmenangaben heute auf 900 landwirtschaftlichen Betrieben im Einsatz, davon 500 in Deutschland, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Hessen wird das System auf fünf Betrieben angewendet, wobei Hessen-Berater Symanneck meint: „Gerade in den klein strukturierten Gebieten brauchen Sie ein präzises Gerät.“ Die Anschaffungskosten (Komplettpreis mit Terminal) betragen für das System mit passivem Sensor 25 000 Euro und für das aktive System mit eigener Lichtquelle 38 000 Euro.

Das Unternehmen Agri Con wurde 1997 gegründet, Firmensitz ist Ostrau westlich von Dresden. Das Unternehmen hat 45 Mitarbeiter und erzielt mit Beratung und Entwicklung von Precision-Farming sechs Millionen Euro Umsatz im Jahr. Schlag