Sommerölfrüchte verharren in der Nische
LSV Sonnenblumen und Sommerraps 2016
Die aktuellen Sortenempfehlungen zu Sommerölfrüchten stellen Dr. Stefan Weimar, Dr. Albert Anderl und Marko Goetz vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach vor.

Foto: agrar-press
Anbau von Sonnenblumen in klimatisch begünstigten Regionen
In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg konzentriert sich der Anbau von Sonnenblumen auf die klimatisch begünstigten Regionen des oberen Rheintalgrabens. Die rasch erwärmbaren Böden gewährleisten dort eine zügige Jugendentwicklung im Frühjahr und eine rechtzeitige Abreife unter möglichst trockenen Erntebedingungen im Frühherbst. In Rheinland-Pfalz lag der durchschnittliche Kornertrag an Sonnenblumen in den Jahren 2005 bis 2015 bei 30,6 dt/ha. Ein erfolgreicher Anbau von Sonnenblumen setzt eine Temperatursumme von mindestens 1450 °C auf der Basis von 6 °C zwischen April und September voraus. Für die Sortenwahl sind neben dem Korn- beziehungsweise Ölertrag eine sichere Abreife, eine ausreichende Standfestigkeit sowie eine ausgeprägte Toleranz gegenüber Botrytis, Sclerotinia und Phomopsis entscheidend. Für den praktischen Anbau stehen konventionelle Sorten zur Verfügung, deren Fettsäuremuster durch einen Anteil an ungesättigten Fettsäuren in Höhe von etwa 15 bis 20 Prozent Ölsäure und bis zu rund 70 Prozent Linolsäure gekennzeichnet ist. Als Mindestanforderung bei der Vermarktung gilt ein Ölgehalt von mehr als 44 Prozent auf der Basis von maximal 9 Prozent Kornfeuchte und 2 Prozent Fremdbesatz. Aufgrund der wirtschaftlichen Vorzüglichkeit hat sich landwirtschaftliche Praxis in Rheinland-Pfalz derzeit auf den Anbau von gestreiftsamigen konventionellen Sorten oder von „High-Oleic“- beziehungsweise HO-Sorten ausgerichtet. Die Mehrzahl der Anbauflächen befindet sich in den Landkreisen Mainz-Bingen und Alzey-Worms sowie im südöstlichen Landkreis Bad Kreuznach.
Konventionelle Sonnenblumen mit dürrebedingtem Minderertrag
Der am Standort Speyer durchgeführte Landessortenversuch schloss nach zwei sehr günstigen Versuchsjahren mit jeweils 35 dt/ha aufgrund der sehr trockenen Witterungsbedingungen im Frühjahr und Sommer 2015 um 13 dt/ha niedriger ab. Die mehrjährig geprüfte und langjährige Empfehlungsorte NK Delfi sowie die neue großkörnige Verrechnungssorte ES Violetta erreichten einen überdurchschnittlichen Korn- und Ölertrag, während sich die Vergleichssorte Vellox ertraglich deutlich unter dem Verrechnungsmittel lag. Die gestreiftsamigen Sorten Olibird und Perceval platzierten sich im Kornertrag um 13 beziehungsweise 22 Prozent unter dem Durchschnitt der Verrechnungssorten. Die gestreiftsamige Sorte B 24 BB 01 bestätigte auch unter den extremen Witterungsbedingungen das hohe Ertragspotenzial und lieferte wie bereits im Vorjahr mit relativ 118 Prozent einen überragenden Kornertrag. Die Sorte zeichnet sich zudem durch eine vergleichsweise hohe Tausendkornmasse aus. Bei den gestreiftsamigen Sorten wird auf einen Bestimmung des Ölgehalts zur monetären Bewertung der angelieferten Ware verzichtet. Zudem liegt er erfahrungsgemäß unterhalb der definierten Mindestanforderung von 44 Prozent Rohfett. Bei den konventionellen Sonnenblumen werden die gestreiftsamigen Sorten vorrangig als Vogelfutter verwertet. Erfahrungsgemäß realisieren diese bislang einen leicht geringeren Kornertrag als die übrigen konventionellen Züchtungen. Sie verfügen über einen niedrigeren Ölgehalt im Vergleich zu den Sorten, die zur Herstellung von Speiseöl geeignet sind. Aktuelle Ergebnisse zu Kornerträgen liegen aus Sortenversuchen des Landes Rheinland-Pfalz und der landwirtschaftlichen Koordinationsstelle für Bildung und Forschung Tulln in Österreich vor. Unter Berücksichtigung der mehrjährigen LSV, des EU-Sortenversuchs sowie der Sortenbeschreibung 2015 des Bundessortenamtes wird zum Konsumanbau 2016 empfohlen:
NK Delfi, Reife mittel. Hoher Beifuß-Ambrosien-Besatz in osteuropäischem Saatgut
Angesichts des derzeit hohen Besatzes von osteuropäischer Importware mit Samen der Beifuß-Ambrosie versorgen sich die Verpackungsbetriebe vorzugsweise mit Partien an gestreiftsamigen Sonnenblumenkernen aus einheimischer Produktion. Die bestehende Nachfrage wirkte bereits im zurückliegenden Anbaujahr auf eine insgesamt attraktive Preisgestaltung hin, wobei Kontraktware zu Markterlösen etwas über 400 Euro/t Erntegut frei Erfassungsstelle gehandelt wurde.
Empfehlungen zur Ernte 2016 Konsumanbau gestreiftsamige Sonnenblumen:
Reife früh: Perceval, P 64 BB 01 Reife mittel: ES Royal
High-Oleic-Sorten für Salat- und Brat-Öl
High-Oleic (HO)-Züchtungen zeichnen sich durch einen Gehalt an Ölsäure zwischen 80 und 90 Prozent des Fettsäuremusters aus. Das aus HO-Sonnenblumen gewonnene Öl wird aufgrund seiner höheren Hitze- und Oxydationsstabilität als Brat- und Frittierfett aber auch als Salatöl bevorzugt. Außerdem findet es als Rohstoff von Polyadditiven, Tensiden, Schmierstoffen sowie pharma- zeutischen und kosmetischen Artikeln vielseitige Verwendung. Das Erntegut von HO-Sonnenblumen muss einen Ölgehalt von mehr als 44 Prozent aufweisen. Beim „90plus“-Typ wird von der Oleochemie ein Gehalt an Ölsäure von mindestens 91 bis 92 Prozent und beim „80plus“-Typ von mindestens 81 bis 82 Prozent gefordert.
Für die mit höheren Marktpreisen bewerteten High-Oleic-Sonnenblumen stehen der Praxis mehrjährig geprüfte Sorten aus unterschiedlichen Reifesegmenten zur Verfügung, deren Ertragsniveau mit den konventionellen Züchtungen zwischenzeitlich durchaus vergleichbar ist. Für die Sortenwahl sind eine frühe bis mittlere Abreife, eine ausgeprägte Standfestigkeit und ein hoher Ölsäuregehalt in Verbindung mit einem genetisch stabilen Fettsäuremuster entscheidend. High-Oleic-Sorten stellen aufgrund der erfahrungsgemäß bis zu fünf Tage späteren Abreife einen höheren Anspruch an die Wasserversorgung während der Kornbildungsphase. Gleichzeitig sollte die N-Düngung verhalten bemessen werden, damit die Bestände rechtzeitig abreifen können.
Frühere Abreife pflanzenbaulich von Vorteil
Aus pflanzenbaulicher Sicht vorteilhaft zu bewerten ist die frühere Abreife der Verrechnungssorten SY Valeo und PR 64 H 10, der Vergleichssorte PE 64 HE 01 und der Prüfsorte P 63 HH 79. Die Sorten PR 65 H 22, SY Valeo, ES Ethic, PR 64 HE 01, ES Unic und P 63 HH 79 lieferten eine überdurchschnittlich hohe Tausendkornmasse, während die Sorten PR 64 H 10 und P 63 HH 69 zu einer leicht niedrigeren TKM tendierten. Das Prüfsortiment zeichnete sich durch eine ausgesprochen hohe Standfestigkeit aus und präsentierte sich mit einem vergleichsweise geringen Befall mit Botrytis am Blütenkorb und zur Reife sowie auch Scleotinia zur Reife. Nach den mehrjährigen EU-Sortenversuchen werden die nachfolgenden Sorten für den Konsumanbau 2016 empfohlen: PR 64 H 10, SY Valeo (Reife mittel, Blüte früh-mittel), PR 65 H 22 (Reife mittel, Blüte mittel).
Ergänzende Sortenbeurteilung
Konventionelle Sorten: NK Delfi realisiert auf der Basis eines sehr hohen Kornertrags und mittleren Ölgehalts einen insgesamt hohen bis sehr hohen Ölertrag. Der Blühbeginn der großkörnigen Sorte mit mittlerer Reifezeit ist als früh bis mittel eingestuft. Bei mittlerer bis hoher Pflanzenlänge verfügt die großrahmige Sorte über eine sehr gute Standfestigkeit. Die Anfälligkeit für Botrytis und Sclerotinia als gering bis mittel beziehungsweise gering eingestuft.
Gestreiftsamige konventionelle: ES Royal verfügt als mittelfrüh abreifende Sorte über eine kurze bis mittlere Wuchslänge und eine gute Standfestigkeit. Die Züchtung bildet ein mittleres bis großes Korn aus. Die Sorte ist mit einer gut ausgeprägten Resistenz gegenüber Sclerotinia, Phoma und Botrytis ausgestattet. Nach Angaben des Züchters ist die Anfälligkeit für Phomopsis als gering und für Stängel- und Blütenkorb-Sclerotinia als gering bis mittel eingestuft. Die Stress-tolerante Sorte eignet sich insbesondere für den Anbau auf trockenen Standorten.
P 64 BB 01 gehört zu den früh abreifenden Sorten. Bei mittlerer Wuchslänge verfügt die Züchtung über eine gute Standfestigkeit. Die großkörnige, attraktiv gestreifte Sorte weist nach züchtereigener Einstufung jeweils eine mittlere Toleranz gegenüber dem Befall mit Sclerotinia am Stängel und Blütenkorb auf. Sie ist ausreichend resistent gegenüber den bekannten Rassen des Falschen Mehltaus. Perceval zählt zu den sehr früh blühenden Züchtungen mit früher Abreife. Die großkörnige Sorte zeichnet sich durch eine rasche Jugendentwicklung aus. Die großrahmige Züchtung gilt als sehr standfest. Nach Einschätzung des Züchters verfügt die robuste Sorte über eine geringe Anfälligkeit für Sclerotinia am Stängel und Blütenkorb, die Anfälligkeit für Phomopsis ist als gering eingestuft.
High-Oleic (HO)-Sorten: SY Valeo erreicht einen mittleren bis hohen Korn- und Ölertrag. Bei einem mittleren Ölgehalt zeichnet sich die Züchtung durch einen stabil hohen Ölsäuregehalt aus. Der Blühbeginn der Sorte ist als früh bis mittel eingestuft. Die nach der offiziellen amtlichen Einstufung zum mittleren Reifesegment gehörende Züchtung reift zeitlich vor den Sorten PR 64 H 10 und PR 65 H 22 ab. Der großrahmige Wuchstyp verfügt über eine sehr gute Standfestigkeit. Die Anfälligkeit der Sorte für Botrytis und Sclerotinia ist züchterseitig als gering bis mittel eingestuft.
PR 64 H 10 realisiert einen mittleren Korn- und Ölertrag. Der als mittel eingestufte Ölgehalt ist durch einen stabil hohen Ölsäuregehalt gekennzeichnet. Die zum mittleren Reifesegment gehörende, kleinkörnigere Sorte reift vor der Sorte PR 65 H 22 ab. Nach züchtereigener Einschätzung verfügt die Sorte über eine hohe Toleranz gegenüber der Befall mit Sclerotinia am Blütenkorb. Die sehr standfeste Sorte besitzt eine ausreichende Resistenz gegenüber den bekannten Rassen des Falschen Mehltaus. PR 65 H 22 definiert mit einem konstant mittleren bis hohen Kornertrag sowie einem mittleren Ölgehalt und stabilen Fettsäuremuster einen bislang hohen Qualitäts-standard. Die großkörnige Züchtung ist entwicklungsphysiologisch dem mittleren Blühzeitfenster und Reifesegment zuzuordnen. Sie weist eine mittlere Wuchslänge mit ausgezeichnter Standfestigkeit auf. Nach Angaben des Züchters besitzt die Sorte eine hohe Toleranz gegenüber dem Befall mit Sclerotinia am Blütenkorb, die an der Restpflanze ist als mittel einzustufen. Gegenüber den bekannten Rassen des Falschen Mehltaus besteht ebenfalls eine ausreichende Toleranz.
Sommerraps weiter auf den Rückzug
Der Anbau von Sommerraps einschließlich Sommer- und Winterrübsen erstreckte sich im Jahr 2015 auf bundesweit rund 3900 ha. Ein nennenswerter Anbau findet erfahrungsgemäß in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt statt. Die aktuelle Sortenempfehlung orientiert sich grundsätzlich an den Einstufungen der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes und der Verfügbarkeit von Saatgut aus den jeweiligen Züchterhäusern. Aufgrund der abnehmenden Bedeutung dieser Art im heimischen Anbau sind beim Bundessortenamt derzeit nur vier frei abblühende und zwei Hybridsorten eingetragen. Darüber hinaus werden von den Handelspartnern verschiedene EU-Sorten vertrieben. Auf der Grundlage der bisherigen Versuchserfahrungen und der aktuellen Sortenbeschreibung des Bundessortenamtes werden für den Konsumanbau 2016 folgende Sorten empfohlen:
Liniensorten: Ability Hybridsorten: Makro EU
Die Hybridsorten werden in Einheiten mit 2,1 Mio. keimfähigen Körnern geliefert, die für jeweils drei Hektar ausreichen. Die Liniensorten werden noch in Partien à 10 kg angeboten. Die Aussaat von Sommerraps sollte im Frühjahr vergleichbar zeitig wie die von Hafer erfolgen, um kräftige und standfeste Pflanzenbestände mit tiefer Durchwurzelung zu etablieren. Unter optimalen Bedingungen werden folgende Aussaatstärken empfohlen: Liniensorten: 80 - 90 kf Körner/m2 Hybriden: 50 - 70 kf Körner/m2
Mehrjährige Untersuchungen aus Bayern zeigten, dass Bestände mit Aussaatstärken zwischen 40 und 50 keimfähigen Körnern/m2 eine deutlich höhere Standfestigkeit lieferten gegenüber denen mit 70 bis 80 keimfähigen Körnern/m2. Die standfesteren Bestände erreichten zudem einen um etwa 1 Prozent höheren Ölgehalt. Insbesondere auf Standorten mit hoher N-Nachlieferung des Bodens beziehungsweise mit regelmäßiger organischer Düngung sollte die Aussaatstärke verhaltener bemessen werden. Die N-Düngung kann in 2 Teilgaben mit ca. 70 bis 80 kg/ha N zur Saat und 50 bis 60 kg/ha N zum Beginn des Längenwachstums erfolgen. Außerdem ist auf eine ausreichende Schwefel- und Bor-Versorgung der Bestände zu achten.
Rapsglanzkäfer auch in der Sommerung ein Problem
Erfahrungsgemäß wird der Sommerraps relativ stark vom Rapsglanzkäfer befallen, der von den umliegenden Winterrapsbeständen massiv einwandert und ertragsrelevante Ausmaße annehmen kann. Besonders attraktiv für diesen Knospenschädling sind Winterrapsschläge, die nach dem vorzeitigen Umbruch von Teilflächen mit Sommerraps nachgesät wurden. Ab dem Knospenschieben sollte der Zuflug des Rapsglanzkäfers regelmäßig kontrolliert und beim Überschreiten der Bekämpfungsschwelle die Bestände umgehend behandelt werden. Der Befallseinschätzung liegen die gleichen Schwellenwerte zugrunde wie bei Winterraps. Aufgrund der späteren Abreife neigt Sommerraps zu einem stärkeren Befall mit der Weißstängeligkeit (Sclerotinia sclerotiorum) und Rapsschwärze (Alternaria brassicae), der mit einer Fungizidmaßnahme zur Vollblüte wirksam begegnet werden kann.
Ergänzende Sortenbeurteilung Liniensorte: Ability entwickelt aus einem hohen Kornertrag und hohen bis sehr hohen Ölgehalt einen insgesamt hohen bis sehr hohen Ölertrag. Die sehr früh bis früh blühende Züchtung des frühen bis mittleren Reifesegments repräsentiert den sehr kurzen bis kurzen Wuchstyp. Die mittlere Standfestigkeit ist durch verhaltene Aussaatstärken abzusichern. Die großkörnige Sorte weist eine mittlere Toleranz gegenüber Alternaria auf.
Ergänzende Sortenbeurteilung Hybridsorte: Makro EU gehört zu den Sorten mit einem mittleren Blühbeginn bei gleichzeitig mittlerer Reifezeit. Die nach züchterseitiger Einschätzung mit einem hohen Ölgehalt ausgestattete Hybride realisiert einen sehr hohen Korn- und Ölertrag. Dank der zügigen Jugendentwicklung erreicht die Sorte eine rasche Bodenbedeckung. Die für alle Standortqualitäten geeignete Züchtung verbindet den mittellangen Wuchstyp mit einer guten Standfestigkeit.
– LW 6/2016