Sorge um die Eschen
Waldschutzsituation 2010/11 in Hessen
Unterstützt durch die günstige Witterung, entspannte sich 2010 die Lage bei den Borkenkäfern in der Fichte signifikant, obwohl erhöhter Anfall von Windwurf- und Schneebruchholz auftrat. In der Eiche gab es nur sehr geringe Fraßschäden, der Eichenprozessionsspinner nimmt allerdings hinsichtlich Intensität und Verbreitung weiter zu. Anhaltende Sorgen bereiten neuartige Schäden an der Esche, die durch bisher harmlose Pilze verursacht werden.
Der weltweite Trend zu höheren Durchschnittstemperaturen setzte sich im Jahr 2010 fort. In Deutschland war es seit 13 Jahren erstmals „fast überall etwas zu kühl“ (DWD Jahreskurzübersicht). Wesentlich dafür war der strenge Winter 2009/10, der bis weit in den März hinein dauerte. Etwas zu kalt waren auch die Monate Mai, September, Oktober und Dezember. Größere Schwankungen zeigten die Niederschlagsmengen, die oft über dem langjährigen Mittel lagen, vor allem im Sommer. Während in östlichen Gebieten Deutschlands zum Teil lokal über 150 Prozent des langjährigen Mittels an Niederschlag fielen, waren die westlichen Gebiete oft etwas zu trocken.Prävention heißt die Devise
Borkenkäfer: Die Buchdrucker-Populationen konnten witterungsbedingt erst ab Mitte Mai stärkere Schwärmflüge durchführen. Die Käfer waren 2010 nicht in der Lage, in nennenswertem Umfang Stehendbefall zu erzeugen, der Bruterfolg an liegendem und stehenden Holz war daher meist gering. Der Ausflug der Jungkäfer erfolgte zwischen Mitte Juni und Mitte Juli, verlief zeitlich gestreckt und relativ unauffällig. Insgesamt konnte sich die zweite Generation an den Bestandes¬rändern und im Inneren der Bestände in der Regel nur in geringem Umfang etablieren. Betriebe mit Fichten sollten weiterhin die Möglichkeiten der integrierten Bekämpfung konsequent nutzen, wie saubere Waldwirtschaft, zeitnahe Beseitigung von frischem Stehendbefall und eventuell lokaler Einsatz von Fangsystemen, denn nur durch konsequente Einhaltung dieser bewährten Grundsätze kann man effektiv vorbeugen.
Betriebe mit höheren Fichtenanteilen hatten 2010 in Hessen in beträchtlichem Umfang mit Windwurf und Schneebruch zu kämpfen. Sofern die Aufarbeitung der angefallenen Holzmassen so terminiert war, dass die Borkenkäfer nicht zur Reproduktion kamen, ist von einer weiterhin entspannten Lage auszugehen. Wenn bruttaugliche Hölzer nicht zeitgerecht aufgearbeitet wurden, sollten im Frühjahr 2011 verstärkte Überwachungen und eventuell Bekämpfungsmaßnahmen vorgesehen werden. Insbesondere die aktuelle Witterung um Ostern begünstigt durch anhaltende Trockenheit und Wärme die Entwicklung und das Befallspotenzial von Buchdrucker und Kupferstecher.
Waldmaikäfer: Im Frühjahr 2010 entschied sich die Stadt Pfungstadt, auf Teilen ihrer Waldflächen eine Bekämpfung des Waldmaikäfers durchzuführen. Im geplanten Bekämpfungsraum und der angrenzenden Umgebung wurden systematische Grabungen angelegt (250 x 250m). An zwei Terminen im Mai 2010 fand die Applikation des Pflanzen¬schutz¬mittels „Jaguar“ per Hubschrauber statt. Bisherige Ergebnisse zeigen einen guten unmittelbaren Be¬kämp¬fungs¬erfolg, wie sehr starken Totenfall. Mittelfristig – das heißt bis 2014 – wird der Bekämpfungserfolg (Reduktion der Engerlingsdichte) durch systematische Probe¬grabungen in den Folgejahren und im direkten Vergleich mit unbehandelten Flächen der näheren Umgebung untersucht und nachgewiesen.
Auf den Flächen des Hessischen Rieds muss, trotz der für den Maikäfer außerordentlich ungünstigen Witterungsbedingungen während seiner Flug- und Reifungsfraßzeit im Mai 2010 trotz mehrerer Kälteeinbrüche, von einer anhaltenden Reproduktion und somit einer weiterhin hohen, lokal auch weiter angestiegenen Engerlingsdichte mit zunehmendem, bis hin zu bestandesbedrohenden Schadpotenzial ausge-gangen werden.
Im Bereich Hanau-Wolfgang hat sich eine weitere stabile Population des Waldmaikäfers aufgebaut, die derzeit intensiver untersucht und erfasst wird. Das Befallsgebiet erstreckt sich über die Landesgrenze hinaus nach Bayern (Raum Alzenau). Aktuell sind dort Engerlinge des dritten Stadiums im Boden (Hauptfraß), die sich im Laufe des Sommers 2011 verpuppen werden, um im Frühjahr 2012 auszufliegen und sich weiter zu vermehren.
Eichenfraßgesellschaft: Aus Hessen wurden 2010 insgesamt rund 650 ha Fraßfläche in Eichenbeständen gemeldet. Etwa 200 ha davon waren Fraßschäden durch den Eichenwickler. Die Überwachungen mit Leimringen ergaben in Hessen für das Frühjahr 2010 einen fast historischen Tiefstand der Dichten der Frostspanner. Die Schadmeldungen vom Frühsommer 2010 bezogen sich größtenteils auf den Eichenwickler, der in Hessen nicht überwacht wird.
Auf hessischen Beobachtungsflächen lagen die durchschnittlichen Blattverluste durch Fraß allgemein niedrig (1 bis 12 Prozent), nur einzelne Eichen hatten Blattverluste um 25 Prozent. Die Situation auf intensiver beobachteten Flächen im Reinhardswald war mit durchschnittlichen Werten zwischen 1 und 8 Prozent ähnlich, wobei einzelne Bäume aber auch um 50 Prozent Entlaubung aufwiesen.
Eichenprozessionsspinner (EPS): In Südhessen setzt sich, ähnlich wie in Teilen von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, der Aufwärtstrend des EPS fort. Die Raupen dieses Schmetterlings gefährden durch mehrmaligen Kahlfraß nicht nur Eichenbestände existenziell, sondern kommen auch in Siedlungen und an Straßenbäumen vor, wodurch die Gesundheit von Mensch und Tier ernsthaft gefährdet ist.
In Südhessen (Groß-Gerau, Darmstadt und Lampertheim) wurden 2010 zahlreiche Befallsflächen gemeldet. Inzwischen wird das Vorkommen des EPS auch in Forstämtern nördlich der Mainlinie beobachtet (Königstein, Hanau-Wolfgang). Im Stadtwald Frankfurt und in der „Fasanerie“ im FA Hanau-Wolfgang wurde der EPS im Frühjahr 2010 mit LFZ und dem biologischen Pflanzenschutzmittel Bacillus thuringiensis erfolgreich bekämpft. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wurden im Mai 2010 über 1 000 ha Wald, Straße und Siedlungsbereiche vom Hubschrauber aus erfolgreich mit Bazillus thuringiensis behandelt.
Aktuell ist festzustellen, dass der EPS weiter auffällig bleibt und auch im Frühjahr 2011 wahrscheinlich lokal Bekämpfungsmaßnahmen mit Luftfahrzeugen notwendig werden.
Schwammspinner: Die Überwachung des Schwammspinners mit Pheromonfallen in sechs hessischen Forstämtern des Regierungsbezirks Darmstadt und im Stadtwald Frankfurt hat 2010 eine leicht sinkende Tendenz angezeigt. Schadmeldungen über Fraß durch die Raupen dieses Schmetterlings liegen nur aus dem FA Darmstadt vor. Hier handelte es sich allerdings um Fraßschäden, die aus einem Mischbefall durch Schwammspinner und andere Arten der Eichenfraßgesellschaft resultieren. Konkrete Hinweise, wie auffälliges Vorhandensein von Eischwämmen, wurden bisher nicht gemeldet.
Eschentriebsterben durch Pilze
Eschentriebsterben: Das Eschentriebsterben in Wäldern und im urbanen Grün wird durch den Schlauchpilz Hymenoscyphus pseudoalbidus hervorgerufen. Nach neuesten Erkenntnissen hat sich dieser Erreger aus der bisher als harmlos eingestuften Stengelbecherlingsart Hymenoscyphus albidus entwickelt. Gesunde Jung¬eschen, die im Frühjahr 2009 auf einer Fläche in Südniedersachsen in direkter Nachbarschaft zu einer stark befallenen Eschenerstaufforstung gepflanzt wurden, hatten bereits im darauffolgenden Frühjahr 2010 zu 80 Prozent Symp¬tome des Eschentriebsterbens. Eschen aller Altersklassen und auf allen Standorten können befallen werden. Auf feuchteren Standorten werden oft stärkere Befallsintensitäten festgestellt. Eschenreinbestände scheinen stärker betroffen zu sein als Mischbestände. Durch die äußerlich sichtbaren Rindennekrosen wird nur ein Teil der tatsächlichen Schädigung angezeigt, die Pilzausbreitung im darunterliegenden Holz ist wesentlich größer. Der Zeitraum zwischen Pilzinfektion und sichtbar werdenden Rindennekrosen kann sechs bis neun Monate betragen. Vektoren, wie Insekten oder ähnliche spielen bei der Ausbreitung und Übertragung des Pilzes keine Rolle. Die Disposition des Einzelbaumes scheint Einfluss auf die Befallsintensität zu haben. Es wurde festgestellt, dass es Eschen gibt, die weitgehend befallsfrei bleiben. Gesunde Eschen sollten daher auf jeden Fall im Bestand erhalten werden.
Freistehende Buchen gefährdet
Kronenverlichtung an Buche: Im August 2009 wurde über eine vorzeitige Laubverfärbung und verfrühten Blattfall bei der Rotbuche berichtet. Besonders betroffen waren Randbuchen und frei stehende Bäume (Ãœberhälter) mit sehr starkem Fruchtanhang. Dieses Phänomen des vorzeitigen Blattfalles wurde im Wesentlichen mit Trockenstress, Strahlungs- und Temperaturspitzen und erhöhtem Wasserverbrauch aufgrund der guten Fruchtbildung erklärt. Im Herbst 2009 wurden in stark betroffenen Lagen von der NW-FVA Beobachtungsbäume ausgewählt und im Juni 2010 bonitiert: die im August 2009 stark mit Blattverfärbung und Blattfall zeichnenden Buchen hatten im Frühjahr 2010 zwar wieder gut ausgetrieben, teilweise waren in der Kronenperipherie aber trockene, frisch abgestorbene Zweigspitzen zu erkennen. Solche Altbuchen, die im Freistand ohnehin schon seit mehreren Jahren unter der sogenannten „Buchen-Vitalitätsschwäche“ mit schütterer Belaubung und einem „Heruntertrocknen“ von Kronenästen leiden, zeigten 2010 örtlich nochmals stärkere Vitalitätsverluste mit zunehmender Kronenverlichtung und auch auffälligen Trockenästen.
Licht stehende Buchen-Bestandesteile und sonnenexponierte Bestandesränder mit Vorschädigungen sollten künftig regelmäßig in Augenschein genommen werden. Von Käfern befallene und absterbende sowie sehr stark zeichnende Bäume, das heißt mit vielen neu hinzugekommenen Trockenästen, sollten Ende August, und zwar noch im Laub, markiert und für den Einschlag im kommenden Winter vorgesehen werden. Dr. Michael Habermann, NW-FVA