SPD will Politik für ländliche Räume

Gemeinschaftsaufgabe so weit öffnen, wie möglich

Für ein neues agrarpolitisches Selbstverständnis seiner Partei hat der zuständige Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Wilhelm Priesmeier, geworben. „Für uns ist moderne Agrarpolitik Politik für den ländlichen Raum“, sagte Priesmeier in einem Gespräch mit dem Pressedienst Agra-Europe.

Wilhelm Priesmeier

Foto: spd

Der Schwerpunkt liege nicht mehr auf dem landwirtschaftlichen Sektor, sondern auf den Wirtschafts- und Lebensbedingungen der Menschen, die auf dem Lande leben. Dies habe Konsequenzen für die konkrete Politikgestaltung und betreffe die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ebenso wie einen schrittweisen Abbau der Direktzahlungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik nach 2020.

Direktzahlungen keine Lösung für Problem

„Direktzahlungen bieten keine Lösung für Probleme auf dem Lande“, betonte Priesmeier. Die sektorübergreifende Sichtweise seiner Partei auf die Agrarpolitik bedeutet laut Priesmeier allerdings nicht, „dass wir die Landwirtschaft vernachlässigen“. Die SPD betrachte sie aber viel stärker unter dem Aspekt, „welche Rolle sie zur Entwicklung ländlicher Räume spielt und welchen Beitrag zur Wertschöpfung sie leistet“.

Ausdrücklich bekannte sich Priesmeier zum verfassungsmäßigen Auftrag der Erhaltung gleichwertiger Lebensbedingungen im gesamten Bundesgebiet. Beispielsweise müsse die Förderung künftig stärker auf bedürftige Regionen konzentriert werden. Nicht Gießkannenförderung sei gefragt, „sondern gezielte Maßnahmen zur Lösung bestehender Probleme“.

Seine Fraktion werde versuchen, die GAK „so weit zu öffnen, wie es möglich ist“, kündigte Priesmeier an. Zumindest wolle man erreichen, dass künftig die Fördermöglichkeiten des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) vollständig genutzt werden können.

Hohe Erwartungen setzt Priesmeier in das für 2015 angekündigte neue Bundesprogramm ländliche Entwicklung. Mit diesem wolle man Erfahrungen für eine Förderung „jenseits der derzeitigen engen agrarstrukturellen Grenzen der GAK“ sammeln. „Das kann eine Blaupause für eine künftige Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung werden.“

Die Große Koalition biete die einmalige Chance für eine Neujustierung der Gemeinschaftsaufgabe. Der SPD-Agrarsprecher geht davon aus, dass sich die Länder dem nicht verweigern werden. Bekanntlich bedarf eine für die Öffnung der GAK erforderliche Grundgesetzänderung auch einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat.

Rente mit Abschlag bei Betriebsfortführung

Als weiteres wichtiges Thema seiner Fraktion bezeichnete der Agrarsprecher die Neugestaltung der Hofabgabeklausel in der Alterssicherung der Landwirte (AdL). „Weder akzeptieren wir ein Hinausschieben dieses Themas auf die lange Bank, noch werden wir uns mit kosmetischen Änderungen zufrieden geben“, so Priesmeier. Nicht hinnehmen will der SPD-Politiker eine Verschiebung der Thematik unter Hinweis auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfas­sungs­gerichts zur Erbschaftssteuer. Das werde man Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt „nicht durchgehen lassen“.

Die bislang bekanntgewordenen Ãœberlegungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums gehen Priesmier nicht weit genug. „Das ist nicht annähernd das, was wir uns vorstellen“, betonte der Sozialdemokrat. Ältere Landwirte, die ihren Betrieb über das 65. Lebensjahr hinaus weiterführen wollen, müssten dies künftig tun können. Dafür müsse ihnen eine Rente mit Abschlag gewährt werden. Eine solche Neuregelung dürfe nicht an den damit verbundenen zusätzlichen Kosten für die Alterssicherung scheitern, warnte der Agrarsprecher.

FNR braucht Transparenz und klare Zuständigkeiten

Handlungsbedarf sieht der SPD-Agrarsprecher bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Deren Arbeit müsse auf eine neue Grundlage gestellt werden. Beispielsweise sei ein privater Trägerverein nicht geeignet, Forschungsmittel des Bundes in Höhe von alljährlich rund 60 Mio. Euro zu vergeben. Notwendig sei ein klares Konzept, „das Transparenz schafft und Zuständigkeiten sichtbar macht“. Weder Vertreter von Politik noch von Inte­ressenverbänden sollten nach Priesmeiers Auffassung an der Verteilung von Forschungsgeldern mitwirken. Ob man dafür in Zukunft noch eine selbstständige Einrichtung brauche oder eine Angliederung der FNR an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die bessere Alternative darstelle, „sollten wir ergebnisoffen diskutieren“.

„Tierschutz-TÃœV wird kommen“

Bedeutung misst Priesmeier der Einführung eines bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahrens für Tierhaltungssysteme bei: „Der Tierschutz-TÃœV wird kommen.“ Auf der Agenda bleibe zudem die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für Tiergesundheit.

Flächengebundene Tierhaltung

Kein Weg führt dem gelernten Tierarzt zufolge zudem an einer Größendiskussion vorbei. Nicht akzeptabel seien aus seiner Sicht Tierhaltungsanlagen in einer Dimension von mehreren Zehntausend Plätzen, „wie wir sie bislang nicht kannten“. Derartige Anlagen seien weder unter epidemiologischen Gesichtspunkten wünschenswert noch sei die Problematik der Gülleverwertung gelöst. „Hier müssen wir Grenzen einziehen, nicht zuletzt um Anlagen in vernünftiger Größenordnungen zu sichern“, mahnte Priesmeier. Ziel der Koalition sei vereinbarungsgemäß eine flächengebundene Tierhaltung. Gewerbliche Großanlagen stünden damit nicht in Einklang.

Eindeutige Beschlusslage zur Grünen Gentechnik

Für einstweilen abgeschlossen hält der SPD-Abgeordnete die grundsätzliche Diskussion seiner Partei über die Grüne Gentechnik: „Wir haben mittlerweile eine eindeutige Beschlusslage und lehnen den Einsatz der Grünen Gentechnik ab.“ Die SPD trage damit den Vorbehalten einer großen Mehrheit der Bevölkerung Rechnung. Priesmeier räumte ein, dass er der Gentechnik in der Vergangenheit offener gegenübergestanden habe. Zum einen sei er jedoch lernfähig, zum anderen akzeptiere er die Positionierung seiner Partei in dieser Frage.

Eindeutig äußerte sich Priesmeier zur Umsetzung der Opt-out-Regelung: Die Möglichkeit zum Ausstieg aus dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen könne nur national geschaffen werden. „Wir wollen eine bundeseinheitliche Regelung.“ Wenn die Umsetzung nicht rechtzeitig vor der nächsten Aussaat erfolge, benötige man eine Schutzklausellösung, um analog zu MON 810 den Anbau der Maislinie 1507 zu verhindern.

age – LW 31/2014