Spezialseminar für die Sachverständigen
Landwirtschaftliche Sonderkulturen – Gemüsebau
Landwirtschaftliche Sonderkulturen, speziell der Gemüsebau, standen im Fokus eines Seminars für öffentlich bestellte und vereidigte landwirtschaftliche Sachverständige. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz führte die Veranstaltung in Zusammenarbeiit mit dem Hauptverband der Landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS) Süd-West durch.

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Da in Rheinland-Pfalz genauso wie in anderen Bundesländern die Zahl der ö.b.v. Sachverständigen in diesem Spezialgebiet nicht sehr groß ist, wurden auch Sachverständige aus Hessen und Baden-Württemberg eingeladen. So konnten auf dem Queckbrunnerhof zehn dieser „Spezialisten“ begrüßt werden.
Als fachkundige Referenten hatte die Kammer Dr. Annette Kleineke-Borchers, Anne Schubach und Dr. Manfred Berndt, allesamt Sachverständige bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie Dr. Sebastian Weinheimer, Lothar Rebholz und Joachim Ziegler vom DLR Rheinpfalz gewinnen können.
Lange Verfahren bei leicht verderblicher Ware
Dr. Annette Kleineke-Borchers verblüffte eingangs ihres Vortrages die Teilnehmer mit der Aussage, dass eine „gerichtsfeste Beweisführung“ äußerst schwierig sei und auch ihr nicht immer gelinge. Auch sei ein „selbstständiges Beweisverfahren“ nicht unbedingt immer zielführend.
Vor allem die oft recht lange Dauer eines solchen Verfahrens sei ein Problem bei leicht verderblichen Produkten. Im Falle eines Privatauftrags an einen Sachverständigen seien die Anforderungen an die Beweisführung außerordentlich hoch.
„Alles, was nicht sauber dokumentiert, quantifiziert und nachgewiesen ist, wird in der Regel in einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung nicht anerkannt“. Anhand von Beispielen erläuterte Dr. Kleineke-Borchers sechs abzuarbeitende Schritte bei der Erstellung von Gutachten: Erkennen und Erfassen des Problems, Beschreiben, Quantifizieren und Messen, Beweissicherung, Diagnostizieren und Verifizieren. Dabei sei das Beschreiben wegen der Notwendigkeit guter Nachvollziehbarkeit der wichtigste Schritt in jedem Gutachten.
Anne Schubach beleuchtete intensiv die „Überprüfung der Existenzgefährdung durch geplante öffentliche Maßnahmen“. Grundsätzlich sei immer die Situation des Betriebes und nicht die des Betriebsleiters zu betrachten und zu analysieren. Angefangen bei der Überprüfung der Existenzfähigkeit vor dem Eingriff bis zur Überprüfung nach dem Eingriff tauche eine Vielzahl von „Stolperfallen“ auf. Erschwerend wirke hier eine unterschiedliche Definition der Existenzfähigkeit aus Sicht des Eigentümers, der Kreditgeber, der Lieferanten und Arbeitnehmer, der Kunden und zu guter Letzt der Öffentlichkeit. „Es ist Aufgabe der Planfeststellungsbehörde abzuwägen, ob die Gefährdung des konkreten Betriebes mit seinen Eigenschaften abwägungsrelevant ist. Dies ist nicht Aufgabe des Sachverständigen.“ Dies verdeutlichte Schubach mehrfach den Zuhörern. Ebenso erläuterte sie, warum der „Cashflow“ die zentrale Größe bei der Ermittlung der Existenzfähigkeit eines Betriebes ist.
Auch bei Dauerkulturen, wie Spargel, gibt es Stolperfallen
Dr. Manfred Berndt ging in seinen Ausführungen intensiv auf „Stolperfallen“ bei der Entschädigungsberechnung für Dauerkulturen anhand eines Beispiels für Spargel ein. Dabei sprach er folgende Bereiche an: Dauerkulturen auf Eigentums- und Pachtflächen, Erwerbsverlust und Verlagerungskosten, Schadenshöhe und fallbezogener Deckungsbeitrag, Zinsanrechnung und Abzinsung – inklusive Zinssatzdiskussion, An- und Durchschneidungen, Um- und Mehrwege, Betroffenheiten durch Trassenbau und somit Veränderungen von Kleinklima, Boden, Wasserhaushalt sowie Beeinträchtigungen während der Bauzeit.
Lothar Rebholz vom DLR Rheinpfalz berichtete kurz über die Vielzahl der Probleme bei der Feststellung der Schäden auf Gemüse- und Frühkartoffelflächen aufgrund der extremen, ja dramatischen Niederschläge im Mai/Juni 2016 in der Vorderpfalz. In Baden-Württemberg seien nach seiner Kenntnis bereits Entschädigungszahlungen seitens des Landes geflossen. Für Rheinland-Pfalz könne er dies nicht bestätigen.
Vollkostenkalkulation hilft bei Schadensbewertung
Joachim Ziegler vom DLR Rheinpfalz stellte neue Vollkostenkalkulationen für den Gemüsebau vor, angepasst an die neuen Rahmenbedingungen im Anbau, in den Betrieben, angesichts aktualisierter Lohnkosten (Mindestlohn) und Preisen. Das Excel-basierte Berechnungsprogramm des DLR enthalte eine Vielzahl relevanter Stammdaten, sei aber auch einzelbetrieblich anpassbar. Da dies wertvolle Daten sind, bedankten sich einige Teilnehmer ausdrücklich bei Ziegler für die seit Jahren geleistete Arbeit des DLR auf dem Gebiet der Vollkostenkalkulation für den Gemüsebau. Die Programme und die bereitgestellten Daten seien eine in Deutschland einzigartige Informationsquelle und für jeden Sachverständigen im Gemüsebau ein überaus wichtiges Hilfsmittel.
Im weiteren Verlauf des Seminartages führten der Leiter des Versuchsbetriebes Dr. Sebastian Weinheimer und Lothar Rebholz die Gruppe zu einigen Versuchsfeldern des Queckbrunnerhofs. So wurde über einen Düngeversuch bei Brokkoli, einen Dünge- und Bewässerungsversuch bei Staudensellerie, einen Abdriftversuch bei Radieschen und einen Versuch der Nematodenbekämpfung mittels Solanum Sisymbriifolium, dem Raukenblättrigen oder Klebrigen Nachtschatten informiert. Eine Kopie der einzelnen Präsentationen kann gegen Erstattung einer Schutzgebühr in Höhe von 40 Euro im Referat 15 der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach, Tel.: 0671 / 793 1129 oder 0671 / 7931 161, E-Mail: michaela.beerbaum@lwk-rlp.de bestellt werden.
Günter Müller – LW 39/2016