Südhessische Landwirtschaft ist gut aufgestellt

Vertreterversammlung des RBV Starkenburg in Traisa

Dr. Willi Billau und seine Kollegen aus dem Vorstand des Regionalbauernverbandes Starkenburg (RBV) begrüßten zur Mitglieder offenen Vertreterversammlung vorigen Mittwoch zahlreiche Landwirte. Neben den Mitglie­dern waren auch Ehrengäste und Vertreter der Landwirtschaftsämter gekommen. Turnusgemäß standen Vorstandswahlen an. Den Gastvortrag hielt der stellvertretende Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes, Dr. Hans Hermann Harpain.

Das Podium bei der Mitgliederversammlung des Regionalbauernverbandes Starkenburg vergangenen Mittwoch in Traisa, mit von links: Nina Buchholz, Axel Strauß, Peter Gheorgean, Dr. Willi Billau, Referent Dr. Hans H. Harpain, Hans Trumpfheller und Hubert Wolf.

Foto: Kirsten Sundermann

RBV-Vorsitzender Dr. Billau ging auf aktuelle Themen im Verbandsgeschehen ein. An erster Stelle stand hier die Diskussion um den Mindestlohn. „Wir werden uns an höhere Löhne gewöhnen müssen“, meinte er, konnte als Erfolg aber auch berichten, dass die Lohnsteigerung auf 8,50 Euro/Stunde in drei Stufen erfolgen solle und erst ab Ende 2017/Anfang 2018 gültig werde. Noch dramatischer ist seiner Ansicht nach jedoch die 60-Stunden-Arbeitszeit-Regelung, für die noch Verhandlungsbedarf bestehe.

Vorstand des RBV einstimmig im Amt bestätigt

Was die Diskussionen um die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, beziehungsweise des Waldumbaues sowie Aufspiegelung im Ried angehe, so werde derzeit aus Kostengründen eine Lösung in Richtung „Waldumbau“ favorisiert, meinte er. Die entsprechenden Ackerflächen seien also nicht mehr gefährdet.

Als „Unding“ bezeichnete Billau aber, dass die deutsche Chemieindustrie wegen der extrem strengen „zonalen“ Gesetzesvorgaben derzeit lieber die europäische, als die heimische Landwirtschaft beliefere. Was die um­strittene Hofabgabeklausel angeht, so hat er Verständnis für die älteren Landwirte, die noch arbeiten können und wollen, dies aber nicht tun dürfen, da sie sonst ihre Rente gefährden. Um dieses Problem zu lösen, müsse eine „politische“ Lösung angestrebt werden. Dass der Milchpreis jetzt mit dem Wegfall der Milchquote zum 1. April, ebenso wie beispielsweise die Fleischpreise, auf dem freien Markt angekommen seien, findet er normal. Auch wenn es einigen Milch­bauern verständlicherweise noch schwer falle, diese Entwicklung zu akzeptieren.

RBV-Geschäftsführer Peter Gheorgean trug den Jahres-Abschluss vor. Der RBV hat im vergangenen Jahr gut gewirtschaftet und mit einem kleinen Plus abgeschlossen. Die Vertreter stimmten einstimmig der Entlastung des Vorstandes sowie dem Haushaltsentwurf für das laufende Geschäftsjahr zu. Auch Wahlen zum Vorstand standen auf der Tagesordnung, da die Wahlperioden für Dr. Willi Billau aus Lampertheim, Werner Wenz aus Pfungstadt, Michael Dörr aus Roßdorf, Franz Keil, aus Wald-Michelbach, Wilfried Bär-Arras aus Reichelsheim, Sebastian Roßkopf aus Rodgau und Thomas Schuchmann aus Reinheim endeten. Bis auf den Letztgenannten stellten sich alle Vorstandsmitglieder der Wiederwahl und wurden einstimmig in ihren Ämtern bestätigt.

Für Schuchmann wurde der (nicht mit ihm verwandte) Björn Schuchmann aus Otzberg nominiert und einstimmig gewählt. Gerald Stork aus Bad König-Fürs­tengrund ergänzt fortan das Team der Kassenprüfer.

Dr. Billau ehrte Dr. Klaus Neumeyer.

Foto: Kirsten Sundermann

Eine Ehrung wurde Dr. Klaus Neumeyer zuteil, dem früheren Leiter der Friedrich-Aereboe-Schule in Griesheim. „In seinen fast 35 Berufsjahren hat er sich um das Beste gekümmert, was wir haben“, stellte Dr. Billau heraus und meinte damit den bäuerlichen Nachwuchs. Er überreichte dem beliebten Fachlehrer zwei Bücher als Präsent und zugleich Zeichen der Wertschätzung seitens der Landwirte.

Betriebe in Hessens Süden erzielen hohe Wertschöpfung

Ãœber die aktuelle Lage der südhessischen Landwirtschaftsbetriebe sprach Dr. Hans Hermann Harpain vom HBV. Der mit vielen statistischen Details unterlegte Vortrag ermöglichte den anwesenden Betriebsleitern eine unter dem Strich gesehene positive Standortbestimmung der landwirtschaftlichen Betriebe in Südhessen. Dr. Harpain ging auf die Leistungen der Landwirtschaft ein und meinte, dass die Landwirte „stolz auf das Erreichte“ sein könnten. Man habe gut ausgebildete Betriebsleiter, motivierte Familien, leistungsfähige Betriebe und ein ertragsfähiges Geschäftsmodell.

Deutschland sei mittlerweile der zweitgrößte Agrarproduzent in der Europäischen Union und sogar drittgrößter Agrarexporteur weltweit. Hier sei außerdem Lebensmittelsicherheit, Rückverfolgbarkeit sowie Tier- und Umweltschutz garantiert.

Den Fachvortrag hielt Dr. Hans Hermann Harpain, stellvertretender Ge­ne­ralsekretär des Hessischen Bauernverbandes.

Foto: Kirsten Sundermann

Zugleich gebe es in Deutschland immer weniger Landwirte. Waren es im Jahr 1948 noch rund 4,82 Mio. Betriebe, so seien heute nur noch rund 619 000 Menschen in der Landwirtschaft tätig. Problematisch sei der nach wie vor gravierende Flächenverbrauch, auch wenn das Tempo des Verlusts mittlerweile reduziert werden konnte. Doch noch immer gingen in Hessen täglich rund 2,5 ha landwirtschaftliche Fläche verloren. Hier müsse weiterhin gegengesteuert werden, Kompensationsmaßnahmen sollten auf den Prüfstand gestellt und verbindliche Obergrenzen für die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen eingeführt werden.

Flächenstilllegung bedroht Existenzen in Südhessen

Ein weiteres Problem sieht der stellvertretende HBV-Generalsekretär in der Umsetzung der europaweit geforderten, ökologischen Vorrangflächen. Die bürokratischen Vorgaben zwängen viele Betriebsleiter zu einer faktischen „Flächenstilllegung.“ Dies sei angesichts der globalen Herausforderungen – Nahrungs­mittelversorgung und Energiewende – unverantwortlich, vor allem in Südhessen, wo zwei Drittel aller Hessen auf einem Drittel der Fläche dieses Bundeslandes leben. Gut aufgestellt sei Südhessen vor allem bei den Sonderkulturen, also Gemüse und Erdbeeren, und komme damit auf einen Produktionswert von über 130 Mio. Euro. Wichtig sei dazu auf jeden Fall eine verlässliche Versorgung mit Betriebsmitteln, insbesondere im Bereich Pflanzenschutz. Dr. Harpain wünscht sich hierbei Diskussionen, die auf fachlich/sachlicher Basis geführt werden.

Weiterer Schwerpunkt in seinen Ausführungen war der ausufernden Bürokratie gewidmet, die dringend abgebaut werden müsst. Dazu sei beispielsweise die Zuteilung der Prämien wieder an der Fläche fest zu machen. Vorgaben für die Betriebe müssten praxistauglich ausgestaltet werden.

Deutliche Kritik äußerte Dr. Harpain am sogenannten Grünlanderhaltungsgebot. Bereits heute bestehe in Hessen ein Ãœberhang an Grünland. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Grünlandstatus führt zu einem fundamentalen Vertrauensverlust und gefährdet den kooperativen und freiwilligen Umwelt-, Natur- und Gewässerschutz.Sundermann

Sundermann  – LW 14/2015