Theorie in der Ukraine, Praxis in Deutschland
Projekt soll Partnerschaft mit der Ukraine verbessern
Seit Mitte April arbeiten Volodymyr, Maksym und Yuliia auf dem Steinbrücker Hof bei Peter Lipp in Weiterstadt. Die ukrainischen Agrarstudenten stechen Spargel, ernten Erdbeeren, legen den Spargel in Sortiermaschinen ein und lernen die deutsche Kultur und Arbeitsweise kennen. Das Ganze ist Teil eines Pilotprojektes von Peter Gheorgean, Geschäftsführer des RBV Starkenburg und der Beschäftigungsgesellschaft für ländliche Räume (BLR). Am vergangenen Donnerstag traf sich die ukrainische Generalkonsulin Alla Polyova mit den Verantwortlichen, Studenten und Vertretern des Landkreises Darmstadt-Dieburg bei Bauer Lipp und sicherte dem Projekt ihre Unterstützung zu.

Seit bereits 29 Jahren findet ein reger Austausch mit einer polnischen Universität statt, von der jedes Jahr mehrere Studenten in über 30 hessischen Betrieben arbeiten. Das Interesse an der Ukraine veranlasste Gheorgean dann zu diesem neuen Projekt, um auch ukrainischen Studenten diesen Austausch zu ermöglichen. Und so dürfen die drei Studenten nun ihre Theorie auf dem Betrieb Lipp in die Praxis umsetzen.
Sie arbeiten 48 Stunden die Woche an sechs Tagen, bezahlt werden sie mit dem Mindestlohn. Auch das Kultur- und Fortbildungsprogramm kommt nicht zu kurz. Auf dem Plan stand ein Besuch des DLG-Testzentrums in Groß-Umstadt und der Techniker Schule Aereboenia in Griesheim mit einem Bericht vor den Schülern über die ukrainische Landwirtschaft. Gheorgean möchte den Studenten möglichst viel von Deutschland zeigen, aber auch in Straßburg, der „Hauptstadt Europas“ waren sie schon. „Ich fühle mich wie zu Hause, es gefällt mir sehr gut hier“, fasst Volodymyr seine Eindrücke der vergangenen Wochen zusammen.
Auch Germanistikstudenten sollen eingeladen werden
„Das Interesse ist auf beiden Seiten riesengroß. Die Studenten stehen Schlange, und es haben sich über 200 Betriebe gemeldet, die gerne ukrainische Studenten aufnehmen würden“, so Gheorgean.
Bei dem Projekt geht es nicht darum, Saisonarbeitskräfte für die Erntearbeiten zu bekommen. Vielmehr sollen Fachkräfte aus der Ukraine gefördert und unterstützt werden. Und das soll im zweiten Teil des Projektes noch ausgeweitet werden. Geplant ist, nicht nur Agrarstudenten auf deutsche Betriebe einzuladen, sondern auch Studenten der Germanistik. „Das Ziel ist es, den Germanistikstudenten mit der Arbeit in Verkaufsständen zu ermöglichen, die deutsche Sprache nach den Prinzipien der Dualen Ausbildung zu verbessern“, so Gheorgean. Dies wird abschließend vom Hessischen Bildungsministeriums zertifiziert. Alle Beteiligten wollen das Projekt unterstützen Die Voraussetzungen für den Start des zweiten Teils des Projektes sind gut. Die Behördengänge in der Ukraine haben Gheorgean und Lipp mit positiven Rückmeldungen hinter sich gebracht. „Der Wille von allen ist da.“ Die ukrainische Generalkonsulin Polyova und die Vizekonsulin Oksana Kushnirchuk sicherten den Beteiligten ihre Unterstützung zu. Denn ein kleines Problem gibt es noch – die Prüfungen der Germanistikstudenten liegen genau in der Spargel- und Erdbeerzeit.
Polyova versicherte, sie werde sich für flexiblere Prüfungstermine einsetzen und alles möglich machen, um den deutsch-ukrainischen Austausch zu fördern. Sie möchte das Projekt mit Kontakten von Ansprechpartnern unterstützen, damit im nächsten Jahr die ersten Germanistikstudenten nach Deutschland kommen können. „Das ist für alle eine Win-Win-Situation“, so die Generalkonsulin. Zustimmung gab es auch vom Landkreis Darmstadt-Dieburg.
Peter Lipp hat 95 Verkaufsstände in Hessen
Für Peter Lipp ist es eine große Freude, den Studenten den Alltag auf dem Sonderkulturbetrieb näher zu bringen. Der Steinbrücker Hof bewirtschaftet 250 ha, davon werden auf 120 ha Spargel und auf 30 ha Erdbeeren angebaut. Ein Teil der Produkte wird im Hofladen vermarktet.
In der Hauptsaison beschäftigt Lipp etwa 300 Saisonarbeitskräfte, größtenteils aus Rumänien. Weitere 100 Verkäufer bringen den frischen Spargel, Erdbeeren, selbstgemachte Marmelade und vieles mehr in den 95 Verkaufsständen in ganz Hessen an den Kunden. Im nächsten Jahr dann vielleicht auch die Germanistikstudenten aus der Ukraine.
jk – LW 24/2017