Tiergesundheitsdienste weiterhin nutzen

Verwaltungsaufwand steigt durch De-minimis-Beihilfen

Die Tiergesundheitsdienste in Hessen stellen eine wichtige Institution zur Seuchenprävention und Medikamentenreduzierung in der Nutztierhaltung dar und tragen damit zu mehr Tierwohl bei. Das LW Hessenbauer hat Dr. Frank Jäger, Geschäftsführer der Hessischen Tierseuchenkasse (HTSK) in Wiesbaden, zur Nutzung und Finanzierung von Tiergesundheitsdiensten befragt.

LW: Welche Bedeutung haben die Tiergesundheitsdienste in Hessen und wie werden sie bislang finanziert?

Dr. Frank Jäger, Geschäftsführer der Hessischen Tierseuchenkasse.

Foto: privat

Dr. Jäger: Sowohl die Hessische Tierseuchenkasse als auch das Land Hessen halten die bei der Universität Gießen und dem Landesbetrieb Hessisches Landeslabor angesiedelten Tiergesundheitsdienste für einen unverzichtbaren Bestandteil bei der Gesunderhaltung der hessischen Tierbestände. Daher beteiligen sich beide mit jeweils vierzig Prozent an den anfallenden Kosten, zwanzig Prozent beträgt der Eigenanteil des Tierhalters. Insgesamt wurden für das Jahr 2015 Aufwendungen von circa 207 000 Euro für knapp 400 Tierhalter geleistet. Für jeden Tiergesundheitsdienst kann der Tierhalter pro Jahr bis zu 1 500 Euro in Anspruch nehmen. Vor dem Hintergrund stetig steigender Anforderungen an den Tierschutz und die Gesunderhaltung unserer Nutztierbestände rechnen wir mit einer stärkeren Inanspruchnahme der hessischen Tiergesundheitsdienste. Dazu müssen die rechtlichen Voraussetzungen zukunftssicher auf ein solides Fundament gestellt werden.

LW: Warum muss nun ein Teil der Leistungen der Tiergesundheitsdienste als De-minimis-Zahlungen abgerechnet werden?

Jäger: Durch die VO EU Nr. 702/2014 ist es der Hessischen Tierseuchenkasse nur noch möglich, Leistungen in Form von Beihilfen für die Tiergesundheitsdienste zu gewähren, wenn sie der Bekämpfung von bestimmten Tierseuchen dienen, die bei der Weltorganisation für Tiergesundheit oder in der VO EU Nr. 652/2014 der Europäischen Union aufgeführt sind. Dies betrifft auch den Kostenanteil des Landes.

Um auch in Zukunft möglichst alle Leistungen des Tiergesundheitsdienstes in der gewohnten Form abzuwickeln, müssen Untersuchungen für nicht gelistete Tierkrankheiten wenn möglich über die De-minimis-Beihilfen im Agrarsektor nach VO EU Nr. 1408/2013 abgerechnet werden. Die Gewährung von De-minimis-Beihilfen ist derzeit die einzige Möglichkeit, Untersuchungsleistungen für nicht gelistete Tierkrankheiten zu gewähren.

LW: Wieso werden Tierseuchenkassenbeiträge der Tierhalter, die als Laborleistungen wieder an die Tierhalter zurückfließen, überhaupt als staatliche Beihilfen angesehen?

Jäger: Nach den Vorgaben der EU sind die aus Steuermitteln bestehenden Beihilfen des Landes und die steuerähnlichen, sogenannten parafiskalischen Mittel aus der Tierseuchenkasse, zunächst grundsätzlich als wettbewerbsverzerrende Maßnahmen verboten. In der Verordnung EU Nr. 702/2014 hat die EU-Kommission jedoch geregelt, unter welchen Bedingungen Zahlungen doch stattfinden dürfen, beispielsweise zur Tierseuchenbekämpfung. Diese muss man sich dann auch bei der Kommission genehmigen lassen. Die möglichen freiwilligen Leistungen der Hessischen Tierseuchenkasse können in unserer Beihilferichtlinie nachgelesen werden.

LW: Was sind eigentlich De-minimis-Beihilfen?

Jäger: Manche Beihilfen sind so gering, dass ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht spürbar sind. Sie müssen daher nicht von der Europäischen Kommission genehmigt werden, sondern können ohne deren Zustimmung von den Mitgliedsstaaten direkt gewährt werden. Nach der Agrar-De-minimis‑Verordnung EU 1408/2013 steht dem Tierhalter eine Beihilfe von maximal 15 000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren zur Verfügung. Diese Mittel können beispielsweise für Aufwendungen für nicht gelistete Tierkrankheiten in Anspruch genommen werden.

LW: Hat das Ganze nicht einen weiteren Zuwachs an bürokratischem Aufwand zur Folge?

Jäger: Die Umsetzung dieses Verfahrens bedeutet für alle Beteiligten, Tierhalter, Tiergesundheitsdienste und Tierseuchenkassen einen erhöhten Verwaltungsaufwand. So müssen beispielsweise die Tierhalter erklären, ob sie in den vergangenen drei Jahren De-minimis-Beihilfen erhalten haben und sie müssen die Belege über die empfangenen Leistungen zehn Jahre aufbewahren. Die Tiergesundheitsdienste müssen entscheiden, welche Leistungen zukünftig wie bisher und welche nach De-minimis abgerechnet werden. Die Tierseuchenkasse als Beihilfe gewährende Stelle achtet darauf, dass die Leistungen innerhalb von drei Jahren die Obergrenze für derartige Beihilfen von derzeit 15 000 Euro nicht überschreiten. Alles in allem bedeutet dies leider mehr Aufwand, bei gleichem Leistungsangebot. Die Alternative wäre jedoch, dass keine Leistungen mehr für nicht gelistete Tierkrankheiten gewährt werden dürften.

LW: Was muss der Tierhalter in Zukunft beachten?

Jäger: Der Tierhalter stellt wie bisher über seinen Hoftierarzt oder LLH-Berater den Antrag auf Inanspruchnahme des Tiergesundheitsdienstes. Neuer, zusätzlicher Bestandteil des Formulars ist die Mitteilung der Tierseuchenkasse, dass sie beabsichtigt, dem Tierhalter eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren, sowie die Erklärung des Tierhalters, welche De-minimis-Beihilfen sein Unternehmen im laufenden und in den zwei vorangegangenen Kalenderjahren erhalten hat. Antragsformulare und Merkblätter können unter www.­hessischetierseuchenkasse.de heruntergeladen werden. Für Fragen stehen die Mitarbeiter der HTSK zur Verfügung (Infos zur Verwaltungsratssitzung der HTSK siehe Rubrik "Aus der Region").

 – LW 19/2016