Tragend oder nicht tragend? – die Milch verrät es
Informationsveranstaltung von ZBH und HVL in Rattlar
Im Zuge der 13 Wintertagungen von ZBH und HVL fand am vergangenen Freitag in Willingen eine Veranstaltung statt. 100 Landwirte informierten sich zu den Themen Milchleistungsprüfung und Besamung, zur Tiervermarktung sowie Zucht und Zuchtwertschätzung und zur Kuhlernstichprobe. Ferner über die Enthornung von Kälbern.

Foto: Ernst-August Hildebrandt
Mit jedem negativen Testergebnis über die Jahre erreiche die Herde einen höheren Zuverlässigkeitsgrad der Unverdächtigkeit. Das ermögliche Tierhaltern im Handel, die Paratuberkulosesituation seines Betriebes sowie die des Vertragspartners beim Kauf besser einzuschätzen oder Handelsvorteile beim Verkauf zu nutzen. Tiere aus unverdächtigen Betrieben stellten zukünftig die Grundlage für die Remontierung positiver Herden dar. Die Probenahme könne durch den HVL während des MLP-Besuchs erfolgen. Im ersten Jahr beteilige sich in Hessen die Tierseuchenkasse zu 50 Prozent an den Untersuchungskosten. Weitere Infos erhalten Interessierte im Internet www.hemap.de.
PAG-Test ab Mitte Dezember möglich
Ab Mitte Dezember will der HVL auch den PAG-Test zur Trächtigkeitskontrolle anbieten. Der PAG-Test, auch Idexx-Test genannt, reagiere auf Glycoproteine (PAGs = pregnancy associated glycoproteins), die ausschließlich in der Trächtigkeit von der Gebärmutter gebildet werden. Nach einer Kalbung oder einem Abort seien die PAGs noch circa 60 Tage nachweisbar. Daher müsse für einen aussagekräftigen Test die letzte Kalbung mindestens 60 Tage und die Besamung mindestens 28 Tage zurückliegen. Dann erreiche der Trächtigkeitstest aus der Milch eine 98 prozentige Zuverlässigkeit. Die Kosten für den Test läÂgen bei 5,90 Euro für Mitgliedsbetriebe und 7,90 Euro für Nichtmitglieder. Zur Tierarzneimitteldatenbank TAM führte er aus, dass im 2015er Meldehalbjahr 1 1339 melÂdepflichtige Nutzungsarten in 890 Betrieben erfasst wurden.
Die halbjährige Meldepflicht bestehe für Betriebe mit über 20 Mastkälber bis acht Monate, über 20 Mastrinder ab acht Monate, über 250 Mastferkel bis einschließlich 30 kg, über 250 Mastschweine über 30 kg über 1 000 Mastputen oder mehr als 10 000 Masthühner. Der HVL biete hier Dienstleistungen bei den Eingaben der meldepflichtigen Angaben, bei der Fehlerbearbeitung sowie eine telefonische Beratung an. Neu sei, dass die Beschaffung der BVDV-Ohrmarken für den Zeitraum vom 1. Februar 2016 bis 31. Dezember 2018 EU-weit ausgeschrieben werden müsse. Wer den Zuschlag bekomme, sei noch nicht bekannt. Dr. Baltissen bittet die Rinderhalter um Geduld und darum, die vorhandenen Ohrmarkenzangen vorerst noch nicht zu entsorgen.
Auch sprach der Referent über einen Beschluss des Vorstandes zur Auflösung des Verbands durch die Mitgliederversammlung. Der Hintergrund dieser Absicht liege darin, dass zu befürchten sei, dass der HVL durch die Mitgliedschaft in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und der damit entstehenden exorbitant gestiegenen Kosten überfordert wird. Versuche, die Entwicklung abzuwenden seien bisher gescheitert, eine juristische Prüfung sei allerdings noch im Gange.
Um Kosten für den HVL zu senken und die Kosten für die Mitgliedsbetriebe konstant zu halten und auch eine größere Flexibilität für Kooperationen mit Partnern (ZBH, Thüringen, und weiteren) zu haben, würden verschiedene Optionen geprüft, wozu auch die Auflösung des Verbands zähle. Auch mit dem Land Hessen sei man über die weitere Verfahrensweise im Gespräch. Der Vorschlag zur Auflösung des Verbands sei so als proaktiver Schritt des Vorstands zu sehen. Die Arbeit auf den Betrieben laufe reibungslos weiter. Langfristig sollten die Arbeitsplätze und Aufgabengebiete durch die Maßnahme gesichert und der HVL für die Zukunft passend aufgestellt werden.
Schonende Enthornung von Kälbern
Über das schonende Enthornen von Kälbern berichtete anschließend Dr. Paul Wagener, Fachgebietsleiter im LLH, Bad Hersfeld. In einer Vereinbarung zur Enthornung von Kälbern zwischen dem hessiÂschen Landwirtschaftsministerium, dem Beratungskuratorium, Verbänden der Landwirtschaft, der Veterinärmedizin und des Tierschutzes vom 26. Februar 2015 habe man beschlossen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Beratungsangebote zur Züchtung hornloser Rinder, über tierschutz- und arzneimittelrechtliche Vorschriften, die Handhabung und den Einsatz von Schmerzmitteln und Sedativa, beste verfügbare Techniken und Verfahren der manuellen EntÂhornung wie auch zur Haltung und dem Management horntragender Rinder anzubieten, deren Teilnahme über einen schriftlichen Nachweis bescheinigt werden soll.
Kälber sollen in Hessen dann nur bei gleichzeitiger Schmerzbehandlung und Sedierung (Beruhigung) enthornt werden, wobei die Medikamentenanwendung durch den Tierhalter erfolgen kann. Zur Sedierung kommen häufig Xylazin-haltige Mittel zu Einsatz, die auch schmerzlindernde Wirkung haben sollen. Als Schmerzmittel (Analgetika) kommen ausschließlich die zugelassenen Meloxicam-haltigen Mittel zum Einsatz, die schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend wirken sollen.
Beide Mittel müssen über einen Tierarzt bezogen werden, dürfen aber vom Tierhalter verabreicht werden. Nach der Tierhalter-Arzneimittel-Nachweisverordnung muss die Anwendung unverzüglich dokumentiert werden. Der optimale Zeitpunkt für das Enthornen liege zwischen dem 10. und 20. Lebenstag, wobei die Hornknospen gut fühlbar, aber noch nicht mit der Knochenhaut des Schädels verwachsen seien. Sie sollen sich noch auf der Knochenhaut verschieben lassen. Dabei sei ein ringförmiges Veröden noch möglich und das Kalb befinde sich noch in der immunologischen Lücke. Bei der praktischen Durchführung sollten nicht mehr als zwei bis drei Kälber direkt nacheinander gespritzt und enthornt werden um die Wirkung der Medikamente gewährleisten zu können. Das Enthornen sollte etwa 15 Minuten nach der Medikamentengabe erfolgen.
Die Präparate kosten circa 3,30 Euro pro Kalb
Die Kosten der Präparate lägen derzeit pro Kalb bei 1,30 Euro für Xylazin und 2 EuÂro für Metacam. Xylazin dürfe laut Arzneimittelrecht frühestens ab einem Alter von zehn Tagen und nur bei nüchternen Tieren (mindestens vier Stunden nach der letzten Tränke) eingesetzt werden. Zu sedierende Tiere dürften zudem nicht in Fressgitter fixiert werden. Auch andere Öffnungen in denen die Kälber mit ihren Köpfen hängen bleiben können seien zu verschließen (Erdrosselungsgefahr). Das Schmerzmittel werde dann nach dem Ablegen injiziert, die vollständige Wirkung trete nach circa 15 Minuten ein. Um den Hornansatz gut sichtbar zu machen, sollten die Haare im Behandlungsbereich geschoren werden. Abhängig vom Enthornungsgerät werde die Hornknospe in fünf bis zehn Sekunden mit dem Brennstab verödet, das Gewebe entfernt und die Wunde mit Blauspray desinfiziert. Da die Tiere nach der Behandlung drei bis vier Stunden bewegungsunfähig seien, müsse man sie in Bauch- und Brustlage richtig lagern und abhängig von der Witterung vor Sonneneinstrahlung, Nässe, Kälte oder Zugluft schützen.
Geräte mit Netz- sowie Gas- oder Akkuantrieb
Dr. Wagener stellt anschließend verschiedene Gerätearten zur Enthornung vor und beschreibt deren Wirkungsweise. Unterschieden wird in netzgebundene, gasbetriebene und Akku-Geräte. Die Empfehlung: Das Enthornungsgerät sollte von der Handhabung und Bauform zusagen und zu den Gegebenheiten im Betrieb passen.
Über Ergebnisse der ZBH bezüglich Besamungen bei Sauen und Rindern berichtete Dr. Baltissen über die Umsätze in der Sauenbesamung die seit 10. März 2015 in die ZBH / GFS GmbH ausgelagert wurde.
Neuer Eberstall in Griesheim geplant
Im südhessischen Griesheim sei der Bau eines Eberstalls für 180 Eber nach aktuellsten Biosecurity-Standards geplant. Aufgrund der geringen Schweinedichte in der Region finde man dort eine gute Ausgangsposition vor. Vor dem Hintergrund leicht und über Aerosole verbreitbarer Krankheiten wie PRRSV würden sichere Produktionsstätten künftig an Bedeutung gewinnen.
Die Entwicklung der Rinderbesamung sei leicht rückläufig und entspreche dem Trend der zurückgehenden Milchkuhzahlen. Bei den 118 370 Samenportionen der Rasse Schwarzbunt hätten die genomischen Tiere inzwischen einen Anteil von 57 Prozent.
Über die Tendenzen und die Marktlage bei der Viehvermarktung informierte Geschäftsführer Jürgen Paul. Von insgesamt 6 112 gehandelten Zuchttieren im Rinderbereich (Minus 3,2 Prozent zum Vorjahr) seien von Januar bis Oktober 2015 50 Prozent in den Export, 14 Prozent über Auktionen und 36 Prozent ab Hof veräußert worden.
Bei der Vermarktung hessischer Zucht-, Nutz- und Schlachttiere im Zeitraum Januar bis Oktober 2015 seien mit 12 930 Tieren zwar 26 mehr als im Vorjahreszeitraum verkauft worden, mit einem Erlös von 11 716 439 Euro seien aber zu 11 762 580 Euro (46 141 Euro) weniger eingenommen worden.
Zur Tiergesundheit führte er aus, dass nach einer EU-Entscheidung vom 9. November 2015 Hessen, Niedersachsen und Bremen als BHV1-frei gelten.
Hessische Rinder werden immer größer
Jost Grünhaupt Zuchtleiter für Milch- und Fleischrinder beim LLH Kassel, ging auf die Entwicklung der hessischen Rinderzucht ein. Deutlich sei eine besondere Zunahme der Größe bei den Tieren gewesen, die seit 2000 von 144,5 cm Kreuzhöhe auf 147,7 cm gestiegen sei. Da Leistung und Größe positiv korreliert waren, habe man durch die Selektion auf größere Tiere auch Probleme mit dem Eutersitz und die geringeren Zunahmen bei kleinrahmigeren Typen überwunden.
Obwohl eine weitere Größenzunahme nicht mehr notwendig sei, ließe der Einsatz von wichtigen Vererbern wie Goldday, Snowflake und einigen GJV wie Baltikum positive Tendenzen erwarten. Grünhaupt leitete aus dem hessischen Datenpool keine eindeutigen Korrelationen zwischen Größe und Nutzungsdauer ab. Hessische Betriebe würden sich bei der Wahl von Vererbertieren wie die meisten Betriebe des Deutschen-Holstein-Verbandes (DHV) nach der Zuchtwertschätzung für Milchleistung, Exterieur, Nutzungsdauer, Zellzahlen, Fruchtbarkeit und Kalbeverlauf richten. Regional gebe es bei der Wahl der Vatertiere erhebliche Unterschiede. Bullen mit einem Zuchtwert unter 100 kategorisch auszuschließen sei falsch, denn mehrere Top-Bullen mit langlebigen Töchtern hätten es so nicht gegeben, so Grünhaupt. Hochwertige Jungvererber mit einem RZD von 90 blieben deswegen ein Thema. Erst wenn die Zuchtwerte für Melkbarkeit aus Melktechnik von kompletten Herden kämen, würde die Absicherung für die Jungvererber klar verbessert.
Aufbau einer weiblichen Lernstichprobe
Paul ging anschließend auf den Aufbau einer weiblichen Lernstichprobe zur Verbesserung der Zuchtwertschätzung ein. Die aktuelle Bullen-Lernstichprobe sei künftig weniger repräsentativ, da die genomische Zuchtwertschätzung für neue Merkmale viel Zeit erfordere. Eine Kuh liefere zwar weniger Informationen als ein Bulle mit zum Beispiel 100 Töchtern, aber 100 Kühe würden mehr Informationen als ein Bulle mit 100 Töchtern liefern. Berechnungen würden darauf verweisen, dass fünf bis zehn Kühe bei der Zuchtwertschätzung einen Bullen ersetzen könnten. Damit sollten 150 000 bis 300 000 Kühe als Lernstichprobe die gleiche Sicherheit wie bisher 30 000 Bullen-Lernstichproben liefern.
Milchviehbetrieb über lange Zeit laufend fortentwickelt
Martin Schäfer stellte seinen Milchviehbetrieb in Willingen-Rattlar vor. Der 320 ha große Milchviehbetrieb mit 50 ha Acker (je 50 Prozent Silomais und Ackergras) und 510 Kühen mit einer Leistung von 9 327 kg Milch, 361 kg Fett und 314 kg Eiweiß, hat sich kontinuierlich entwickelt. Es wurde darauf geachtet, schrittweise bauliche Erweiterungen vornehmen zu können. Im Einsatz ist ein 26-er Melkkarussell mit Melkhaus.
Die Arbeitswirtschaft erfolgt durch die Betriebsleiter Heike und Martin Schäfer und Familienangehörigen. Zusätzlich sind zwei Auszubildende, ein Melker sowie eine Halbtagskraft zum Füttern und eine Arbeitskraft auf 450-Euro-Basis vorwiegend am Wochenende zum Melken und Besamen tätig. Ferner ein Mitar-beiter für den Futterbau und für Stallarbeiten. Zurzeit ist eiÂne Person für Bauarbeiten tätig. Die Arbeiten sind so organisiert, dass jedes zweite Wochenende frei ist.
Dr. Hildebrandt – LW 49/2015