Traktor online in die Werkstatt schicken

Vereinigte-Hagel Agrarforum bei Klotz und Noll in Berstadt

In Berstadt in der Wetterau fand am vergangenen Freitag das diesjährige Agrarforum der Vereinigten Hagel, Bezirksdirektion Gießen, beim Landtechnikunternehmen Klotz und Noll statt. Prof. Dr. Dr. Christian Henning von der Universität in Kiel machte einen Ausblick in die künftige EU-Agrarpolitik. Dr. Rainer Langner, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Hagelversicherung VVaG, erläuterte die Aufgabe, Agrarrisiken als Folge des Klimawandels abzusichern. Dr. Stephan Denker vom Traktorenbauer John-Deere sprach zum Thema der Telematik, die Landwirt, Schlepper und Server verbindet.

Gruppenbild der Akteure beim Agrarforum 2015 der Vereinigten Hagel, Bezirksdirektion Gießen von links: Prof. Dr. Dr. Christian Henning, Christian-Albrechts-Universität Kiel; Wolfgang Timm, Bezirksvereinsvorsitzender Verei­ni­gte Hagel; Bezirksdirektor Jürgen Schuldig-Fritsch; Dr. Rainer Langner, Vorstandsvorsitzender der Vereinigten Hagel VVaG; Geschäftsführer Norman Klotz und Andreas Noll, Dr. Stephan Denker, John Deere.

Foto: Moe

Weizen, Reis und Mais liefern 60 Prozent der Nahrungsenergie auf der Welt. Auf diese Produkte konzentriert sich die Neuentwicklung der Kommunikationstechnik von John Deere, mit dem Ziel, Technik anzubieten, um die Effizienz des Einsatzes von Be­triebs­mitteln zu erhöhen, Kosten im Ackerbau zu senken und Arbeitsplätze in landwirtschaftlichen Großbetrieben interessant zu halten.

Seit 2010 gibt es das Euopean Technologie and Innovation Center (ETIC) von John Deere in Kaiserslautern als eines von drei ETI-Centern in Europa. 200 Ingenieure befassen sich in dem ETIC damit, die Landtechnik anwenderfreundlicher und übersichtlicher zu gestalten, beschrieb Dr. Denker.

Proaktiven Service in der teuren Arbeitszeit leisten

Ein Schritt dahin ist, dass die Anbaumaschine den Traktor steuert. Beispiel: ein Gülleinhaltsstoffsensor am Güllefass meldet Daten wie den Stickstoffgehalt zum Schlepper. Dieser fährt darauf automatisch schneller oder langsamer, um immer die gleiche Menge an Stickstoff auf den Hektar auszubringen.

Eine weitere Möglichkeit bietet die Technik, dass die Werkstatt auf die Daten schauen und proaktiv Service leisten kann. Muss der Schlepper zum Beispiel in die Werkstatt, ist es hilfreich, wenn der Landmaschinenfachbetrieb online bereits eine Fehlerdiagnose machen kann.

Dazu ist die Datenvernetzung erforderlich. Die Kommunikation erfolgt mit dem Mobiltelefon des Landwirts. So verbindet die Telematik den Landwirt mit seiner Maschine. Die laufenden Feld- und Maschinendaten werden zum John-Deere-Server gemeldet. Im Internet kann sich entwe­der dann der Landwirt auf MyJonDeere.com einloggen, mit seiner Kennung freischalten und Fehlermeldungen anzeigen lassen oder auch benötige Analysen zum Betriebsmanagement durchführen.

Der Landwirt kann die Freigabe seiner Daten veranlassen, zum Beispiel an den Landmaschinenfachbetrieb, welcher die Reparatur durchführt. Oder an den Lohnunternehmer, der zum Beispiel im Auftrag Pflanzenschutzmaßnahmen durchführt.

Wieviel die Gesellschaft für höhere Standards zahlen will

Agrarökonom Prof. Dr. Dr. Christian Henning von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel sprach zum Thema „Die Zukunft der EU-Agrarpolitik: Nachhaltigkeitswahn oder gesellschaftliche Verantwortung?“ Ist die Nachhaltigkeit ein gesellschaftlicher Anspruch oder haben sich Politiker Rahmenbedingungen geschaffen, lautete seine Frage ans Auditorium.

Die Landwirtschaft hat seit dem Bestehen der EU-Agrarpolitik fünf Reformen hinter sich. Das Greening leistet seiner Ansicht nach fast keinen Beitrag, die Klimaziele zu erreichen. Denn der Hauptfaktor sei die Tierhaltung, aber diese werde mit dem Greening nicht geregelt. Die Restriktionen wirken seiner Meinung nach nicht für mehr Wasserschutz. Hingegen die Regelungen zum Grünland und für die ökologische Vorrangfläche einen geringen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele erreichen. So könne man davon ausgehen, dass mit der nächsten Reform ab dem Jahr 2020 der Teil in der EU-Agrarpolitik steigt, der dazu beiträgt, das Klimaschutzziel zu erreichen.

„Man darf an Tierwohl verdienen, tut es aber nicht“

Ursachen sind seiner Auffassung nach oft vereinfachte Vorstellungen der Menschen über die Zusammenhänge auf unserer Erde: „Wenn Sie glauben, dass ökologischer Landbau das Klima schützt und auch die Welternährung sichert, dann wird das poli­tisch gefordert.“

Wie hoch ist die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft für Nachhaltigkeitsgüter? Für erhöhte Tierwohlstandards sind die Menschen circa 5 Euro im Monat bereit zu zahlen. Die Kosten für die beteiligten Betriebe seien aber in etwa doppelt so hoch, womit für den Landwirt das Projekt Tierwohl ineffizient ist, so der Kieler Agrarökonom. Die Kompensation sei nicht hoch genug. Der Landwirt werde sagen, „ich will die Prämie nicht mehr. Ergaben die Ergebnisse einschlägiger Studien also, dass für Tierwohl die Zahlungsbereitschaft geringer ist, als die Kosten sind. Während die Zahlungsbereitschaft für den Gewässerschutz höher ist, als die Kosten der Praxis dieses umzusetzen, so der Marktforscher.

Weiterer Punkt in der künftigen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik betrifft seiner Auffassung nach die Verteilung der Beihilfen. 57 Prozent der Prämienzahlungen würden an Betriebe von über 100 ha gezahlt. 20 Prozent der Betriebe erhalten demnach 80 Prozent der Zahlungen. Damit würde die Gerechtigkeitsdebatte wieder aufkommen, ist sich der Agrarpolitiker sicher. Aber ebenso, dass sich an der Umverteilung auch künftig nichts ändern wird.

Und doch werde die Agrarpolitik weiter benötigt. Sie könne den Strukturwandel zwar nicht aufhalten, allerdings lindern: „Es gibt immer noch harte Schicksale in der Landwirtschaft, die man in einer sozialen Gesellschaft abfedern sollte“, konstatierte der Kieler Agrarökonom.

Naturgewalten erfordern neue Versicherungsprodukte

Die Hagelversicherung gibt es seit rund 200 Jahren. „Was bedeutet der Klimawandel für die Versicherungswirtschaft?“, fragte Dr. Rainer Langner, der seit fast zwanzig Jahren Vorstands-vorsitzender der Vereinigten Ha-gel ist. Das Geschäftsgebiet umfasst außer Deutschland auch Po­len, Lit­auen und Lettland, Italien und Benelux (Belgien, Niederlande, Luxemburg). Er sprach über die künftigen Herausforderungen der Versicherungswirtschaft, um der Landwirtschaft in Deutschland und Europa Versicherungsprodukte für agrarrelevanter Extrem­wet­ter­lagen anbieten zu können.

Vorteile für eine stabile Beitragshöhe biete die Risikostreuung der Vereinigten Hagel als eine über Europa tätige Versicherungsgesellschaft. Aus den zwei letzten Unterschadenjahren konnten Rücklagen gebildet werden. So könne man für die nächsten beiden Jahre stabile Versicherungsbeiträge zusagen.

Bisher war 2013 das stärkste Schadenjahr für die Vereinigte Hagel, begonnen mit starken Auswinterungen bei Getreide im Winter, dem Hochwasser im späten Frühjahr, Hagelschäden im Sommer mit Totalausfällen bei Mais, insbesondere in Thüringen und starken Herbststürmen mit Schäden bei Obstbauern von bis zu 100 000 Euro in den Betrieben. Ein Jahr zuvor gab es starke Sturmschäden besonders in den Niederlanden, in Belgien und im Rheinland.

Nach einer Studie im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) kommt es zu einer zunehmenden Frühjahrs­trockenheit, Zunahme an Hitzetagen, Rückgang der Frostereignisse, aber zu mehr Spätfrösten.

Die Versicherungswirtschaft betrachtet das Risikomanagement in der Landwirtschaft und reagiert mit Rücklagen zum Ri­si­ko­aus­gleich. Mit Blick auf den Kli­mawan­del fehlen aber noch Lö­sungen bei Dürren und Hoch­wasser, stellte Dr. Langner fest.

In Deutschland gebe es keine Förderung von Mehrgefahrenversicherungen wie zum Beispiel, in Belgien, Frankreich oder Italien, wo diese Staat bezuschusse. Schaut man weltweit, so sei festzustellen, dass fast jeder großer Agrarmarkt einen Kofinanzierungsanteil in Bezug auf Schäden durch Naturgewalten leiste.

Sachverständige auch für Hülsenfrüchte „fit gemacht“

Jürgen Schuldig-Fritsch ist seit Januar des Jahres neuer Bezirksdirektor der Vereinigten Hagel, Bezirksdirektion Gießen. 2015 sind etwa 1 100 Schäden mit rund 7 Mio. Euro Schadensbetrag erfolgreich reguliert worden. Die versicherte Fläche in der Sparte Landwirtschaft stieg im Geschäftsjahr um gut 2 Prozent auf etwa 4,75 Mio. ha. Das resultiert unter anderem aus der Bestandsübernahme der Kölner Hagel durch die Vereinigte Hagel. Waren die Schadensmeldungen bis Mai/Juni noch gering, stieg die Anzahl im Juli drastisch mit jeden Tag an. Blickt man auf die Schadenleistung der letzten zehn Jahre, so stelle man einen Wechsel von Unter- und Ãœberschadenjahren fest, in dem weniger beziehungsweise mehr Schäden als erwartet auftraten. 2014 und 2015 waren es zwei Unterschadenjahre in Folge mit weniger Schäden als kalkuliert. In diesem Jahr hat die Vereinigte Hagel doppelt so viel Hülsenfrüchte im Bestand bekommen gegenüber 2014. Dies wird mit den Vorgaben der neuen Agrarreform erklärt. „Wir haben die Sachverständigen bereits im Früh­jahr 2015 für die Bewertung der Greening bedingten Kulturen wie Soja, Ackerbohnen und weiteren Hülsenfrüchte fit gemacht“ so Bezirksdirektor Schuldig-Fritsch. Vom Beitrag her leisten Getreide und Ölrüchte über 80 Prozent der Gesamtbeitragseinnahmen.

Normann Klotz eröffnete zuvor das Agrarforum. Er leitet gemeinsam mit Andreas Noll das 60 Mitarbeiter zählende Unternehmen Klotz und Noll. Der A-Händler von John Deere ist in den Regionen Koblenz, Nassau, Taunus, Wetterau sowie im vorderen Vogelsberg und im Taunus aktiv. Im März 2014 wurde der neue Standort in Berstadt bezogen, wo 22 Mitarbeiter tätig sind. Wachsendes Segment sind AMS-Maschinen, das sind Landmaschi­nen mit automatischen Lenksystemen.

Moe – LW 49/2015