Trockenheit belastet im dritten Jahr die Getreideerträge

HBV-Erntepressekonferenz in Lampertheim

Auf der zweiten Erntepressekonferenz des Hessischen Bauernverbandes (HBV) in diesem Jahr auf dem Betrieb von RBV-Vorsitzendem Dr. Willi Billau am Donnerstag vergangener Woche im südhessischen Lampertheim erläuterten Präsident Karsten Schmal und Billau den Fortgang der Ernte mit den Besonderheiten Südhessens, insbesondere dem reichhaltigen Gemüseanbau im Hessischen Ried. Themen waren unter anderem witterungsbedingte Ertragsunterschiede bei Getreide, der Rückgang der Schweinebestände, die Weigerung des Landes, eine Wölfin in Nordhessen, auf deren Konto bereits 22 Risse von Weidetieren gehen, töten zu lassen, oder das Messen mit zweierlei Maß durch Aldi und Lidl bezüglich Rückstände bei in- und ausländischen Lebensmitteln.

Vor laufender Kamera von Rhein-Main-TV erläuterte Landwirt Helmut Steffan (v.r.) HBV-Präsident Karsten Schmal, Dr. Willi Billau und Sohn Martin Besonderheiten der diesjährigen Getreideernte, bevor er wieder auf seinen Mähdrescher stieg und den letzten Hektar Weizen in der Gemarkung drosch. Noch nie habe er in mehr als 60 Jahren als Landwirt erlebt, dass der Feuchtigkeitsgehalt des Getreides durch Trockenheit und Hitze wie in diesem Jahr auf knapp unter zehn Prozent abgesunken sei.

Foto: Dietz

Wie der Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV) Karsten Schmal vor Journalisten von Fernseh-„ Rundfunksendern und Tageszeitungen erläuterte, hat die langanhaltende Frühjahrstrockenheit von Mitte März bis Ende April das Wachstum aller landwirtschaftlichen Kulturpflanzen im dritten Jahr in Folge beeinträchtigt.

Rapsanbaufläche legt wieder zu

„Anstatt 190 Millimeter im langjährigen Durchschnitt waren es in diesem Frühjahr gerade mal 110 Millimeter Niederschlag. Es fehlen also 80 Millimeter, im Hessischen Ried sogar noch mehr“, so Schmal. Durch das langanhaltend sonnige Wetter war bis dato in ganz Hessen die Weizen- und Rapsernte zum Teil abgeschlossen. Gegenüber dem Vorjahr habe der Rapsanbau wieder auf rund 40 000 Hektar zugelegt, erreiche aber dennoch bei weitem nicht die 60 000 Hektar in der ersten Hälfte des zurückliegenden Jahrzehnts.

Das sei die Folge von ungünstigen Witterungsbedingungen, des Verbots wirksamer Pflanzenschutzmittel und gesunkener Erzeugerpreise. Die Erträge bei Winterraps liegen nach Schmal bei 30 bis 50 Dezitonnen je Hektar. „Der Raps hat viele pflanzenbauliche Vorteile, liefert hochwertiges Rapsspeiseöl, Biodiesel, guten Bienenhonig und ein eiweißreiches heimisches Tierfutter, das Sojaschrotimporte ersetzt. Nicht zu vergessen ist sein Beitrag zum Klimaschutz“, hob Schmal hervor.

Wenn fossiler Dieselkraftstoff durch Biodiesel ersetzt werde, könnten erhebliche Mengen (83 Prozent) des Treibhausgases CO2 vermieden werden. Allein durch die Erhöhung der Beimischungsquote von Biodiesel von derzeit sechs Prozent könnte Deutschland wesentlich mehr für den Klimaschutz tun, wofür die Bundesregierung die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen sollte.

Wie Schmal betonte, haben im zuge des Klimawandels Witterungsextreme deutlich zugenommen. Spätfröste, Starkregen, und vor allem längere Trockenperioden haben große Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum und damit die Ertrgsbildung erlangt. „Das bewegt uns“, so Schmal.

Klimawandel mit immer stärkeren Auswirkungen

Pflanzenbauliche und andere Maßnahmen könnten den über Wochen hinweg fehlenden Niederschlag bestenfalls abfedern. Hinzukommen müssten Mehrgefahrenversicherungen mit Beitragszuschüssen wie in südeuropäischen Ländern oder den USA längst üblich, oder eine Risikoausgleichsrücklage. Werner Wald, Kreislandwirt und Vorsitzender des Hessischen Braugerstevereins, stellte fest, dass er es in 52 Jahren Praxis noch nie erlebt habe, dass die Wintergerste im Mai erfroren sei.

Wintergerste im Mai erfroren

Wegen Corona und dem gesunkenen Absatz von Bier in der Gastronomie seien die Erfassungslager voll, Braugerste wandere in den Futtertrog. Nach Walds Meinung bricht das Umbruchverbot vor dem 1. Februar (bundesweit ein hessischer Alleingang) und die gleichzeitige Verpflichtung, zur Vermeidung von Nitrateintrag ins Grundwasser Zwischenfrüchte anzubauen, dem Sommer-Braugerstenanbau das Genick, wenn die Anbauer nicht gleich zu Jahresbeginn auf Minutenböden die Frostgare nutzen könnten. Das Umbruchverbot verhindere das Erreichen einer perfekten Bodengare, die für feine Samen oder die Kartoffeldämme unerlässlich seien.

Ried mit sehr hohem Beregnungsflächenanteil

Nach Dr. Willi Billau gibt es im Ried leistungsfähige Gemüseanbaubetriebe mit einem hohen Beregnungsflächenanteil. Die meisten der 18 000 Hektar beregnungsfähigen Flächen Südhessens finden sich dort. Im nördlichen Teil, auf den Riedsanden, ist nach Billau der Spargel- und Erdbeeranbau zu Hause, im südlichen Teil der professionelle Feldgemüseanbau und die Kräuterproduktion. Oft werden zwei Ernten erzielt, bei passender Fruchtfolge sogar eine dritte mit Feldsalat im November.

Hoher Flächenverbrauch bereitet Landwirten Sorgen

In Billaus Betrieb ist für Getreide kein Platz. Es werden bei 90 Hektar LN Kartoffeln (60 ha), Spargeln (8 ha), Spargelpflanzen (7 ha), Erdbeeren (7 ha) und Erdbeerpflanzen (6 ha) angebaut. Aus Fruchtfolgegründen tauschen die Berufskollegen untereinander oder mit Gärtnern jährlich zwei Drittel der Fläche.Sorge bereitet Billau der weiterhin fortschreitende Flächenverbrauch durch Siedlungstätigkeit. „Wenn das Tempo so anhält, ist in 85 Jahren kein Ackerland zur Lebensmittelerzeugung da. „So richtig machen sich die Entscheider keine Gedanken darüber, wie bei wachsender Weltbevölkerung die Menschen auch in Deutschland ernährt werden sollen“, verdeutlicht er das Problem. Während des Lockdowns seien um ein Viertel mehr Menschen in die Hofläden gekommen, weil sie sich die Frage nach der zuverlässigen Herkunft ihres Essens gestellt hätten.

Billlau kritisierte das Geschäftsgebahren von Aldi und Lidl gegenüber heimischen Erzeugern als ein Messen mit zweierlei Maß. Den deutschen Erzeugern verlangten sie bei Rückständen in Nahrungsmitteln die Einhaltung von Grenzwerten ab, die die gesetzlichen um 60 Prozent unterschritten. Bei Rückstandsuntersuchungen habe sich gezeigt, dass diese Anforderungen an Importware nicht gestellt würden.

Jeweils drei Wirkstoffe gegen Resistenzbildung

Auf die Frage, warum Importware bevorzugt werde, sei die Antwort gewesen: „Die sind halt noch nicht so weit wie die deutschen Erzeuger. Das nehmen wir dann so hin.“ Das hält Billau auch im Sinne der Verbraucher für nicht hinnehmbar.

Zur Vorbeugung gegen die Resistenzbildung bei Schaderregern hält Billau es für unerlässlich, jeweils mindestens drei zugelassene Wirkstoffe je Schaderreger zur Verfügung zu haben. Im Wechsel eingesetzt, könne die Entwicklung von resistenten Schaderregern vermieden werden. „Es werden aber immer weniger Wirkstoffe zugelassen. Das Risiko für unsere wertschöpfungsintensiven Kulturen wird unerträglich“, stellte Billau fest.Die Corona-bedingten Schwierigkeiten bei der Saison-AK-Gewinnung sind im Ried nach Billau gut bewältigt worden.

Gewinnung von Saison-AK beeinträchtigt

Die Versorgung lag im Schnitt zwischen 50 und 100 Prozent je nach Betrieb. „Der Deutsche Bauernverband hat hier im Zusammenwirken mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium gute Arbeit geleistet. Das verdient unsere Anerkennung“, zeigte er sich zufrieden mit den sehr zügig getroffenen Regelungen mit den Herkunftsländern und zu den Hygiene-Anforderungen. Dadurch, dass der vollständig weggebrochen Absatz bei Spargel an die Gastronomie (20 Prozent der Gesamtmenge) von den Anbauern konsequent erst gar nicht geerntet wurde, konnte ein Preiseinbruch vermieden werden.

Rheinwasserversickung deutlich ausbauen

Billau forderte eindringlich von der Politik aufgrund des ständig steigenden Wasserbedarfs in Landwirtschaft, vor allem aber bei Gewerbe-, Industrie- und Wohnsiedlungen des Ballungsraumes, den Ausbau der dritten Straße in Biebesheim zur Rheinwasseraufbereitung und -Versickerung oder den Neubau einer Schwester-Anlage in Trebur.

Die sachlich nicht begründete Festlegung von Roten Gebieten aufgrund der Düngeverordnung hält er für pauschal und nicht haltbar, wie Wasserqualitäts-Untersuchungen in einer Vielzahl von Brunnen der Region zeigten. Deshalb unterstützt der RBV Starkenburg die Klage des HBV gegen die Festlegung der Roten Gebiete durch das Land Hessen.

Dz – LW 31/2020