Ãœber Zucht und Vermarktung in Ostfriesland informiert

Vogelsberger Holsteinzüchter besichtigen Spitzenbetriebe

Beeindruckende und besonders gut geführte Holsteinzuchtbetriebe sahen die Vogelsberger Rinderzüchter auf der kürzlich durchgeführten Lehrfahrt nach Ostfriesland. Dietmar Albers vom Verein Ostfriesischer Stammviehzüchter (VOST) in Leer hatte ein zweitägiges Besichtigungsprogramm für die Züchtergruppe aus dem Vogelsberg zusammengestellt und informierte über die züchterischen Verhältnisse in Ostfriesland.

Im neuen Boxenlaufstall des Betriebes Hermann Grünefeld, Backemoor wird die Melkarbeit von drei Melkrobotern durchgeführt.

Foto: Wilhelm Vackiner

Der Verein kann auf über 130 Jahre Rinderzucht in Ostfriesland zurückblicken. Mit 120 000 Herdbuchkühen und 2 000 Mitgliedsbetrieben sind die Größenverhältnisse vergleichbar der in Hessen. Der VOST beschäftigt 100 Mitarbeiter wovon 50 im als angestellte Besamungstechniker tätig sind. Eigenbestandsbesamer gibt es in Ostfriesland relativ wenig. Imponierend ist der Vermark­tungsumsatz von 75 000 Tieren jährlich, wozu allerdings neben den Exportrindern auch Schlacht­kühe und Nutzkälber gezählt werden.

Zuchtbetrieb in Kooperation

Schon der erste Besichtigungsbetrieb von Hermann Grünefeld in Rauderfehn-Backemoor war sehr beeindruckend. Der mit 90 ha LN ausgestattete Holsteinzuchtbetrieb wird in einer Kooperation zusammen mit zwei Söhnen bewirtschaftet. Alle Flächen sind drainiert, die durchschnittliche Schlaggröße beträgt 6 ha. Bei 800 mm Niederschlägen können jährlich vier bis fünf Schnitte Grassilage eingefahren werden. Wegen der besseren Erweiterungsmöglichkeiten wurde von vier Jahren ein Betrieb zugekauft, auf dessen Gelände im letzten Jahr ein neuer sechsreihiger Boxenlaufstall mit automatischem Melksystem (ATM) errichtet wurde. In dem für 240 Milchkühe geplanten Stall melken zur Zeiit drei Melkroboter 155 Kühe in drei Gruppen. Die Vierte noch nicht ausgebaute Abteilung des neuen Milchvieh­stalles soll bereits im kommenden Jahr dazu kommen. Der gesamte Stall ist unterkellert mit Spalten auf den Laufgängen, sehr großzügig und tiergerecht ausgelegt. Jede Abteilung hat zudem eine eigene Abkalbebox. Bei Ganzjahresstallhaltung wird eine Teil TMR mit Gras- und Maissilage gefüttert. Das Kraftfütter wird über Abruffütterungen und Melkroboter zugefüttert. Die beachtliche gleitende Durchschnittsleistung der Herde beträgt 11 514 kg Milch mit 3,98 Prozent Fett und 3,44 Prozent Eiweiß. Die Durchschnitts-Tagesleistung pro Kuh 36,7 kg Milch. Im Betrieb Grünefeld wird viel Wert auf Langlebigkeit gelegt. So beträgt die durchschnittliche Lebensleistung der Herde 30 450 kg Milch und die Nutzungsdauer 31,3 Monate. Als Erstkalbealter werden 27 Mona­te angegeben. Auch züchterisch kann der Betrieb Grünefeld mit Top Genetik aufweisen. Eine der bekanntesten Kühe des Betriebes war die Dea EX-91 Tonic x Aerostar die Mutter des bekannten Jocko Besn-Sohnes Jardin. Sie wurde lange als Spülkuh benutzt und ist erst mit über 100 000 Liter Milch Lebensleistung abgegangen. Eine weitere Top-Kuh des Betriebes die Dema EX-92 James x Dea wurde im Jahr 2006 Grand Champion der Excellent-Schau Leer und ist Teilnehmerin der Europaschau in Oldenburg gewesen.

Regelmäßige Lehrlingstreffen

Betriebswirtschaftlich sehr interessant ist der Landwirtschaftsbetrieb von Hugo Baack in Stedesdorf, am Rande der Geest zur alten Marsch gelegen. Der seit dem 17. Jahrhundert im Familienbesitz befindliche Betrieb wird seit 1976 vom jetzigen Betriebsleiterehepaar bewirtschaftet und demnächst an den Sohn verpachtet. Zur Zeit befinden sich neben einem Facharbeiter drei Auszubildende im Betrieb. Interessant und beliebt sind die sogenannten Lehrlingstreffen wo sich die Auszubildenden mehrerer Betriebe treffen um die Arbeitsweisen der unterschiedlichen Ausbildungsbetriebe kennenzulernen. Bewirtschaftet werden 122 ha Grün­land und 55 ha Ackerland. Die Flächen sind weitgehend arrondiert. 2009 wurde ein neuer Stall mit Melkzentrum, zweiteiligem Warteraum und Selektionsbereich für Problemkühe an den vorhandenen Boxenlaufstall angebaut. Der neue Stallbereich ist meist fremdfinanziert worden und soll in zehn Jahren abbezahlt sein. Gemolken wird in einem 2 x 20iger Swing-over Melkstand mit einem Durchsatz von 100 Kü­hen in der Stunde. Gehalten werden derzeit 210 Kühe mit Nachzucht. Die mittlere Milch­leistung beträgt 9 500 kg Milch. Gefüttert wird hauptsächlich Grassilage, etwas Maissilage, Biertreber, 2 bis 3 kg Weizen und 8 kg Kartoffeln die als Abfallkartoffeln aus dem Pflanzkartoffel­anbau für 28 Euro/t zugekauft werden. Im Sommer haben die Kühe halbtags Weidegang. Der versierte Betriebsleiter hat weiterhin in eine Windenergieanlage sowie in eine Photovoltaik-An­lage investiert. Die Beteiligung an einer Biogasanlage ist an den Stromversorger abgegeben worden, da die Anlage nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte. Hugo Baack war lange Jahre Mitglied im Aufsichtsrat bei der Nordmilch und in der Kommunalpolitik tätig.

Tierarztkosten von 80 Euro/Kuh

In Schortens bei Wilhelmsha­ven im Bereich der See-Marsch gelegen wurde der Betrieb Remmer-Habben GbR besichtigt. Der 170 ha große Betrieb wird von drei Familienarbeitskräften und einer Fremd-AK bewirtschaf­tet. Auf der jun­gen Seemarsch mit sehr guten 75 bis 85 Bodenpunkten und 1 100 mm Niederschlägen wird intensiv Milchwirtschaft betrieben. Nach dem ersten Laufstall, der 1989 gebaut wurde, kam 2007 der zwei­te dazu sowie der Zusammen­schluss zur GbR mit Schwiegersohn und Tochter. In dem gut mechanisierten Betrieb werden sämtliche Außenarbeiten selbst durchgeführt. Es werden 180 Milchkühe mit weiblicher Nachzucht gehalten. Der gleiten­de Herdendurchschnitt liegt bei 10 500 kg Milch mit sehr niedrigen 120 000 Zellen. Auch die Remontierungsrate mit 18 Prozent und die Tierarztkosten von 80 Euro pro Kuh können sich sehen lassen. Gefüttert wird eine Teil-TMR aus überwiegend Grassilage, wenig Maissilage, etwas Stroh und 3,5 kg Getreide. Das restliche Kraftfutter wird im Melkstand sowie über eine Computerfütterung zugefüttert. Die Grassilage besteht zu 100 Prozent aus tetraploiden Weidelgräsern welche im 5 bis 10-jährigen Turnus umgebrochen werden. Bei 4 bis 5 Siloschnitten können so 6,7 MJ NEL beim ersten Schnitt und immer noch gut 6,3 MJ NEL beim dritten Schnitt erreicht werden. Zielgröße des Betriebes ist es, 20 000 kg Milch je ha Grünland zu melken. Im Sommer erhalten die Milchkühe stundenweise Weidegang. Gemol­ken wird in einem Doppel 9er Fischgräten-Melkstand. Für die nächsten Jahre ist der Ãœbergang zum AMS-Melken geplant. Als Hauptgrund hierfür wurde die Entlastung der Kühe durch das 3bis 4-malige tägliche Melken angegeben. Auch züchterisch ist der Betrieb stark engagiert. 75 Prozent des Kuhbestandes sind prämiert mit einer durchschnittlichen Einstufung von 85 Punkten. Die Rinder werden zu 50 bis 60 Prozent mit gesextem Sperma belegt. Als Hauptvorteil hierfür wird das problemlosere Abkalben der Färsen angesehen. Im zweijährigen Durchschnitt wurden 44 abgekalbte Färsen und 24 Zuchtbullen pro Jahr über den VOST in Leer vermarktet. Vackiner, LLH Alsfeld