Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Oppenheimer Fachschulprojekt KONTRAST
Anders ist nicht immer schlecht – so lautet das Fazit des Schülerprojektes der Weinbau-Fachschule Oppenheim. Dabei haben 19 angehende Wirtschafter in diesem Jahr trotz der erschwerten Umstände durch Covid-19 und den fehlenden geplanten Aktivitäten auf den AgrarWinterTagen eine starke Weinmarke auf die Beine gestellt. Die Fachschülerinnen Yara Kühnemann und Alicja Acker stellen das Projekt KONTRAST vor.

Foto: Fachschule Oppenheim
Weinbau, Kellerwirtschaft und Marketing greifen bei diesem Projekt ineinander, sodass die Fachschüler den Produktprozess von A bis Z miterleben, gestalten und damit wertvolle Erfahrungen für ihren Berufsalltag mit auf den Weg bekommen.
Prozesse werden strategisch geplant, bevor die Schüler selbstständig Trauben lesen und diese keltern. Anhand von erarbeiteten Leitfäden werden die Trauben verarbeitet und zum Wein ausgebaut. Die Planung und Steuerung der Abläufe ist ein wesentlicher Bestandteil der Aufgaben.
Rebsorte und Geschmacksprofil festlegen
Dazu gehören die Auswahl von Rebsorten und die Festlegung von Geschmacksprofilen, um am Ende ein Weinsortiment zu präsentieren, das seine Käufer begeistern kann.
Kundenbedürfnisse und aktuelle Trends werden zuvor analysiert, um den Geschmack der Weine möglichst zielgenau zu definieren. Die Frage nach analytischen Werten wie Restzucker oder Säure werden für jeden Wein einzeln diskutiert, um den Kunden ein harmonisches Geschmackserlebnis zu ermöglichen.
Der gesamte Wertschöpfungsprozess von der Traubenproduktion bis hin zum Verkauf der Weine steht im Verantwortungsbereich der Schüler. Die gesamte Weinlinie basiert auf einem von Schülern entwickelten Konzept. Wie im richtigen Leben wird hier für Fehler geradegestanden und Erfolge werden gefeiert. Genau das schafft einen riesigen Antrieb und Motivation für jeden einzelnen, sich als Teil der Gemeinschaft einzubringen.
Fahrpläne für die Weine der Fachschüler
Während der ersten Unterrichtsstunden im Fach Sensorik wurden die Schüler vorbereitet, ihr Vorwissen in der Praxis anzuwenden. Im nächsten Schritt wurde ein Fahrplan für jeden einzelnen Wein entwickelt, an den die Schüler sich während der Lese und im kompletten Weinausbauprozess halten und orientieren konnten. Dabei wurden beispielsweise die Auswahl eines geeigneten Hefestamms, eventuelle Maischestandzeiten, der Restzuckergehalt sowie viele weitere hilfreiche Informationen festgelegt, dokumentiert und später angewandt.
Im Jungweinstatus wurden die Weine im Sensorik-Unterricht verkostet. Viele Stunden des Bewertens und Vergleichens füllten den Stundenplan, bis letzten Endes die einzelnen Weine zur Abfüllung bereit waren.
Nach einer Zeit des Grübelns reift eine Idee zur Marke
Das Jahr 2020 war alles andere als normal. Es warf Gewohnheiten durcheinander und stellte beziehungsweise stellt noch immer das gesellschaftliche Dasein vor große Herausforderungen. Ein riesengroßer Kontrast zum bisherigen Alltag entsteht. Nach einiger Zeit des Grübelns und des Diskutierens wurde den Schülern klar, dass die diesjährige Oppenheimer Projektweinlinie nur ein Thema im Fokus haben kann: Der Unterschied zum Gängigen und Normalen sollte zum Ausdruck gebracht werden.
Die Suche nach Kontrasten und Unterschieden innerhalb der Klasse begann und schnell wurde klar, dass die Herkunft der Schüler, die aus vier deutschen Weinbauregionen stammen, eine Rolle dabei spielen sollte. Aber auch weitere Möglichkeiten für die Positionierung der Weinlinie wurden diskutiert.
Im August, kurz vor der Lese der Trauben, begann der Unterricht für die Fachschüler. Der Zeitpunkt des Schulbeginns stellt eine besondere Herausforderung an die Schüler, denn innerhalb eines Zeitfensters von vier Wochen müssen die Grundzüge des Projektes entwickelt werden. Der hohe Zeitdruck verschärft bei Schülern und Lehrern den Wunsch einer schnellen Ideenfindung für die spätere Marke. Diese ist die Grundlage für viele darauffolgende Entscheidungen. In der Realität bleibt dieser Wunsch jedoch oft eine Traumvorstellung. Durch die Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeiten jedes einzelnen Schülers müssen Diskussionen geführt und Meinungen ausgetauscht werden. Diese unter einem Hut zu vereinen, erfordert Kompromissbereitschaft und Zeit, um Gedanken reifen zu lassen. So manche gute Idee wird verworfen, um Raum für neue Wege zu schaffen. Dieser wichtige und wertvolle Prozess wiederholt sich so lange, bis ein schlüssiges Gesamtbild für die Marke steht.
Weinausbau im elterlichen Betrieb

Foto: Fachschule Oppenheim
Leider war es aus organisatorischen Gründen nicht möglich, Weine im DLR auszubauen. Dadurch waren von den Jungwinzern in diesem Jahr noch mehr Selbstständigkeit und Engagement gefordert. Wenn Fragen auftauchten, standen die Lehrer jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.
Nach der Weinlese ging es in Oppenheim weiter. Die Marke für die Weinlinie stand noch nicht fest und wurde mit den Erkenntnissen aus der Ernte weiter definiert. In den Kellern reiften derweil diverse Rieslinge aus den verschiedenen Anbaugebieten und eine ganze Reihe von Jungweinen aus Rebsorten, die einen Kontrast zum Riesling bilden.
Die wichtigste Aufgabe bestand fortan darin, diese Weine unter dem gemeinsamen Dach einer Weinlinie zu vereinen. Die Jungweine präsentierten sich schon bei den ersten Verkostungen sehr eigenständig. Im Vergleich ihrer Charakteristik waren sehr große Unterschiede schmeckbar. Dennoch war die Idee noch nicht wirklich greifbar. Erst im Briefing mit der Agentur Schönski aus Bingen wurde der Begriff KONTRAST benannt und die Markenidee erhielt somit ihren Namen. Nach einer Vielzahl von Diskussionen brachte KONTRAST die Story um die Unterschiede von Persönlichkeiten, Herkunft, Rebsorten, der veränderten Vermarktungssituation im Projekt wie auch die alltäglichen Einschränkungen des Gesellschaftslebens schlagkräftig zum Ausdruck.
Markenidee definieren Weine im KONTRAST
Acht Weine auf Augenhöhe umfasst das KONTRAST-Sortiment. Jeder Wein ist komplett eigenständig und alle stehen im Kontrast zueinander. Gleichzeitig bilden sie ein einheitliches Bild und eine zusammengehörige Weinlinie.

Foto: Fachschule Oppenheim
Etikettendesign so eigenständig wie die Weine
Um die Eigenständigkeit der Weine auch grafisch hervorzuheben, bekommt jeder Wein ein anderes Etikett mit Hinweisen auf den Inhalt der Flasche: Symbole aus den Regionen, welche die Herkunft der Weine verdeutlichen, zieren die Flaschen. Jeder Wein trägt zudem einen Buchstaben auf dem Etikett. In der richtigen Reihe aufgestellt, ergibt sich der Name der Weinlinie: KONTRAST. Dadurch sind die Etiketten so eigenständig wie die Weine, aber dennoch miteinander verbunden.
Die Weine des Fachschulprojektes im Überblick
Den Fachschülern war es wichtig, alle Weine individuell auszubauen und deren eigenen Stärken in den Vordergrund zu stellen. Bei den Aromasorten sollten zum Beispiel die sortentypischen Fruchtaromen oder spezielle Ausbauweisen das Geschmacksspektrum bestimmen. Die vier Riesling-Weine verkörpern durch ihr heimatliches Terroir ihre spezielle und eigene Typizität. Jeder Wein steht und spricht für sich selbst.
Der erste der acht Weine aus der Weinlinie KONTRAST ist ein trocken ausgebauter Riesling von der Mosel. Dieser Wein steht für seine Herkunft: Ein Zusammenspiel von reifer Honigmelone, erfrischender Grapefruit und Limone sowie der anbaugebietstypischen Schiefer-Mineralik lassen diesen Mosel Riesling glänzen.
Auch der zweite Riesling verbirgt seine Herkunft nicht: Seine würzig-mineralische Note sowie die lebendige Säure deuten auf die Nahe-typischen Weine hin.
Der Dritte unter den Rieslingen ist ganz klar ein Rheinhesse: Die Säure steht nicht so stark da wie bei den anderen KONTRAST-Rieslingen. Ein harmonisch, mineralischer Riesling, geprägt von einer kraftvollen Pfirsicharomatik.

Foto: Fachschule Oppenheim
Der zweite rheinhessische Riesling ist ein Roter Riesling. Er ist der Erste von vier Exoten dieser Weinlinie. Beim Einschenken des Roten Rieslings versetzt der Wein einen ins Staunen: Trotz farblicher Namensgebung besitzt er eine hellgelbe Farbe mit grünen Reflexen. Im Geruch erinnert der Wein an Pfeffer, gefolgt von Ingwernoten.
Der nächste der rheinhessischen Exoten ist eine Neuzüchtung und pilzwiderstandsfähige Rebsorte: ein Cabernet Blanc. Seine hervorstechende Peperoni-Note verleiht dem Cabernet Blanc trotz schmeckbarer Restsüße einen kräftigen, schon leicht würzigen Geschmack, was ihn zu einem sehr interessanten Wein macht.
Ein weiterer Charakterkopf als restsüßer Vertreter der Rebsortenvielfalt aus Rheinhessen ist der Goldmuskateller. Durch einen hohen Aufwand an Handarbeit im Weinberg und eine sorgsame Saftgewinnung aus vollreifen Trauben sowie einer 48-stündigen Maischestandzeit erhielt dieser Wein sein einzigartiges Aroma.
Zu guter Letzt präsentieren die Fachschüler einen Silvaner, eine typisch rheinhessische Rebsorte. Diese zeigt sich allerdings ganz anders als gewöhnlich. Ebenfalls etwas restsüß und im Barrique ausgebaut. Mit leichten Fruchtaromen von Apfelsinenschalen und Vanille präsentiert sich der Silvaner sehr harmonisch in der Nase. Im Geschmack ist er vollmundig reif. Die Süße des Weines macht diesen außergewöhnlichen Silvaner zu einem echten Geschmackserlebnis.
Alle Weine wurden mithilfe moderner Technik erzeugt und – bis auf den Silvaner – in Edelstahltanks ausgebaut. Das erlernte Know-how aus der Ausbildung der Jungwinzerinnen und Jungwinzer konnte so in der Praxis umgesetzt werden.
Weinschorle sehen die Fachschüler im Trend
Weinschorle liegt zurzeit vor allem bei einer jüngeren Kundengruppe sehr im Trend. So entstand im Prozess die Idee, zusätzlich eine eigene Weinschorle ins Sortiment einzubauen. Während in den Fachschulklassen Jahrgängen zuvor meist ein Perlwein hergestellt wurde, waren die Schüler motiviert, Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Das Ergebnis ist eine erfrischend, spritzige Rieslingschorle. Ein weinhaltiges Getränk, das zu jeder Gelegenheit und in jeder geselligen Runde passt.
Onlinevermarktung statt AgrarWinterTage
Eine Weinpräsentation wird es in gewohnter Form nicht geben. Die AgrarWinterTage werden als bisheriges Highlight für die Fachschüler 2021 nur digital stattfinden. Normalerweise stellen die angehenden Wirtschafter ihre Projektweine dort vor und verkaufen sie an einem eigenen Messestand. In diesem Jahr mussten die Schüler einen anderen Weg wählen, um ihre Produkte „an den Mann“ zu bringen. Mithilfe ihrer Lehrkräfte Ina Becker und Matthias Gutzler entschieden sie sich, die Weine auf der Onlineplattform YouWine zu vermarkten. In einer Online-Weinprobe am 28. Januar um 19 Uhr feiern die Weine dann Premiere. JUNG.WEIN.NACHT@HOME – Winetasting mit den Oppenheimer Fachschülern heißt die Veranstaltung. Gemeinsam mit der Landjugend Rheinhessen Pfalz laden die Oppenheimer Fachschüler zu einem kontrastreichen Winetasting mit Unterhaltung für alle Sinne ein. Neben spannenden Weinen gibt es ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm.

Die Entwicklung des Konzeptes bis zur Onlineweinvermarktung und die damit verbundene Organisation und Planung der Veranstaltung bedeutete viel Arbeit für alle. Neben der Produktion der Weine und der Markenentwicklung mussten zahlreiche Texte zu den Weinen, zur Story und der Onlineveranstaltung verfasst sowie aussagekräftige Bilder gemacht werden. Immer mit dem Ziel, die Marke KONTRAST bekannt zu machen und die produzierten Weine zu verkaufen.
So realitätsnah in der Online-Vermarktung zu arbeiten, war ein absolutes Novum für die Schüler. Sie lernten eine Menge in Sachen Social Media und Online-Marketing. Außerdem geht Anfang Januar die eigene Webseite unter www.weinfachschule-oppenhei... online. Eine sehr positive Erfahrung und eine große Erweiterung des Umgangs mit den Medien konnten die Schüler hier mitnehmen. Das gelernte Know-how können sie sehr gut in ihren eigenen elterlichen Betrieben nutzen.
Danke fürs Sponsoring des Nachwuchses
Der Ablauf des Projekts verlief in diesem besonderen Jahr alles andere als gewöhnlich. Die Weine wurden überwiegend in den heimischen Betrieben ausgebaut. Die Schüler möchten die Gelegenheit nutzen, um den Eltern und Kellermeistern, die den jungen Winzern „ihr Ding“ haben durchziehen lassen, zu danken. Ein Dank gilt auch den Sponsoren für ihre Materialspenden und Dienstleistungen.
– LW 3/2021