USA wichtigster Absatzmarkt

TTIP und Landwirtschaft – Wer profitiert, wer verliert?

In Idstein wurde den Landwirten auch ein sehr interessanter Nachmittag geboten. Ãœber „TTIP: Wer profitiert, wer verliert?“ sprach Dr. Willi Schulz-Greve von der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission in Brüssel. Zusätzlich hatten die Veranstalter Dr. Maren Heincke von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gebeten, die Verhandlungspositionen kritisch zu hinterfragen. Bevor am Abend ein Résumé zur Tagung von Thomas Kunz, Kreislandwirt Rheingau-Taunus und Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes gemacht werden konnte, gab es eine sehr leb­haf­te Diskussion über das Für und Wider von TTIP im Saal am Löherplatz.

Auf eine lebhafte Diskussion stieß der Vortrag über das Für und Wider von TTIP von Dr. Willi Schulz-Greve (M.). Kritisch zeigte sich Dr. Maren Heincke (l.), EKD. Werner Born vom VLF Hof Geisberg, Wiesbaden, moderierte.

Foto: Moe

Es gehe um die Frage, wie der Standort der heimischen Landwirte in einem immer globaler werdenden Umfeld gesichert werden könne, erläuterte eingangs Dr. Willi Schulz-Greve, indem er den sukzessiven Abbau der Direktzahlungen und die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft darstellte. Damit werde der Handel mit anderen Ländern interessanter, folgerte der Agrarpolitiker. Würden wir uns nur auf den europäischen Markt konzentrieren, würde laut einer von der EU-Kommission im Auftrag gegebenen Studie das Wachstum in Europa geringer ausfallen.

Handelsvolumen mit Ausland binnen 10 Jahre verdoppelt

Der wichtigste Absatzmarkt für Deutschland sind die USA, an zweiter Stelle kommt Russland, an dritter Asien, dann Japan. Im Vorjahr betrug der Export von Agrargütern circa 120 Mrd. Euro, der Import 100 Mrd. Euro. Zehn Jahre zuvor (2004) lag der Export bei circa 50 Mrd. Euro sowie in gleicher Höhe von etwa 50 Mrd. Euro der Import. Das mache deutlich, wie stark das Handelsvolumen gestiegen sei, so der Brüsseler Agrarhandelsexperte. Das Volumen zwischen der EU und USA liegt demnach bei circa 2 Mrd. Euro am Tag. Die EU 28 ist Nettoexporteur von Nahrungsmitteln in die USA, das heißt mit den USA hat sie einen Zahlungsüberschuss.

Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP: Transatlantic Trade and Investment Partnership), soll den Handelsverkehr zwischen der Europäischen Union und den USA regeln. Ausgangspunkt für TTiP war die Wirtschaftskrise vor etwa sieben Jahren. Ziel des TTIP sei der Anschub für mehr Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum durch die stärkere Zusammenarbeit zwischen Europa und Amerika, so Dr. Schulz-Greve. Die Mitgliedstaaten haben dazu die EU-Kommission beauftragt, den Vorschlag für Verhandlungen von gemeinsamen Regeln zum Marktzugang sowie für Investitionen und zum Bürokratieabbau im Handel zu erarbeiten. Mitte 2013 haben die Verhandlungen für dieses Regelwerk begonnen, aktuell läuft die elfte Runde, die zwölfte Runde folgt im Februar 2016.

Problemfelder, welche die De­batte um den Sinn des TTiP-Abkommen ausgelöst haben, beziehen sich auf den Handel von Lebensmitteln beispielsweise von Produkten mit Gentechnik oder von Hormonfleisch sowie mit Wachstumsförderern erzeugtes Fleisch. Es gehe auch um den Schutz privater Investoren, so Schulz-Greve. Zum Beispiel hat man Sorge, dass Konzerne mit besonders starken Rechtsabteilungen Gesetzeslücken finden und den Staat erfolgreich verkla­gen können. Weitere Kritikpunkte betreffen die Stellung von Schiedsgerichten oder Umwelt- und Sozialstandards. Ferner den Datenschutz. Hinsichtlich der Arbeit der EU-Kommission zur Vorschlags­erarbeitung werde eine zu geringe Transparenz kritisiert, gestand der Brüsseler Experte ein.

EU-Milchbetriebe können auf der Gewinnerseite sein

Was passiert aber in der Landwirtschaft? Es kommt zur Senkung der Zölle, sowohl von EU Zöllen für US Agrarprodukte und umgekehrt. Für den Abbau von Handelshemmnissen wolle die EU erreichen, dass sie mehr Milchprodukte auf dem amerikanischen Markt verkaufen könne, so Handelsexperte der EU. Und zwar vor allem Produkte mit geschützten Herkunftsbezeichnungen, wie zum Beispiel der Allgäuer Bergkäse sowie die deutschen Weine.

EU-Veredlungsbetriebe können die Verlierer sein

„Bei Fleisch sind die Amerikaner schlagfähiger und wollen auf unseren Markt. Wir wollen die Zölle bei Fleisch daher nicht senken. Verlierer sind möglicherweise die Fleischproduzenten. Hier wollen wir aber nicht von unseren Produktstandards heruntergehen. Zurzeit fördert der schwa­che Euro den Export, so dass das Russlandembargo relativ gut überwunden werden konnte“, folgerte der Mitarbeiter der EU-Kommission. Dr. Maren Heincke sieht im TTiP eine Antwort auf eine geostrategische Machtverschiebung. Sie meinte, es sei kein geeignetes Instrument für Impulse zum Abbau von Arbeitslosigkeit und für mehr Wirtschaftswachstum. Der Agrarsektor mache nur 4 Prozent des Handelsvolumens dieses Verhandlungspaketes aus. Rübenanbauer und Winzer müssten voraussichtlich starke Einbußen hinnehmen und um ihre Existenz fürchten. Die Zölle seien im Agrarsektor hoch, zum Teil bis zu 70 Prozent, im Industriesektor nur im Mittel 3 Prozent. So richtete sich ihre Hauptkritik an dem Punkt, dass der freie Handel und die Deregulierung vor allem zu Lasten der heimischen Landwirtschaft gehen könne und dass die Abgeordneten des Bundestages nicht mit einbezogen werden.

Moe – LW 49/2015