Verluste von Ackerflächen müssen gestoppt werden
Flächenverbrauch gefährdet Umwelt und Landwirtschaft
Sowohl der Flächenverbrauch als auch die Bodenverluste sind weltweit ein großes Problem, vor allem im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Städte, um den Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur zu decken. Ackerland ist jedoch eine lebenswichtige nationale Ressource. Viele Gemeinden haben aber bereits seit der Mitte des 20. Jahrhunderts einen ganz erheblichen Verlust dieser endlichen Ressource durch Zersiedelung des ländlichen Raums erlitten.

Foto: Dr. Fiedler
Deutschland hat laut statistischem Bundesamt eine Gesamtfläche von 357 596 km2, das sind rund 35,76 Millionen Hektar. Davon werden rund 16,6 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzt, 11,66 Mio. ha als Ackerland, 4,7 Mio. ha als Grünland und der Rest als Obstbaumplantagen und Rebflächen. Doch der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen sinkt ständig. Nach statistischen Angaben werden durchschnittlich täglich 55 Hektar der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Pro Jahr gehen so 20 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen verloren.
In den nächsten sechs Jahren könnten 2 Mio. ha verloren gehen
Bis 2030 werden auf diese Weise rund 140 000 Hektar, überwiegend fruchtbares Ackerland, dem Siedlungsbau, dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Erschließung neuer Gewerbeflächen und Industriegebiete weichen müssen. Darüber hinaus sieht das Naturschutzwiederherstellungsgesetz der EU im Falle einer Umsetzung vor, dass bis 2030 insgesamt 10 Prozent der Agrarflächen in der EU mit Landschaftselementen im Sinne des Naturschutzes aufgewertet werden müssen. Das bedeutet, dass in Deutschland rund 1,7 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der Nahrungs- und Futtermittelproduktion entzogen werden.
Nicht zu vergessen die Photovoltaik-Freiflächenanlagen und Solarparks auf Ackerflächen, die auch einige zehntausend Hektar in Anspruch nehmen sowie trockengelegte Moorgebiete, die wieder vernässt werden sollen und somit ebenfalls aus der Nahrungs- und Futtermittelproduktion herausgenommen und der landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zur Verfügung stehen werden.
Unter Berücksichtigung des gesamten Flächenbedarfs bis 2030 wird die landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland um rund 2,0 Millionen Hektar auf rund 14,6 Millionen Hektar. schrumpfen. Da von den in Anspruch genommenen Flächen überwiegend Ackerland betroffen ist, wird voraussichtlich die Ackerfläche auf rund 10,0 Millionen Hektar sinken. Durch diese Flächenverluste wird nicht nur sehr gutes Ackerland vernichtet, sondern auch der Lebensraum von Pflanzen und Tieren.
Ökosystemleistungen der Böden gehen verloren
Sobald landwirtschaftliche Flächen für die Bebauung freigegeben werden, wirken sich Bauprozesse auf die Bodengesundheit und auf die Ökosystemleistung des Boden aus. Die gesamte Materialversorgungskette des Bausektors, von der Gewinnung bis zur Entsorgung, führt zu einem erheblichen Flächenverbrauch und zu negativen Auswirkungen auf die Ökosystemleistung des Bodens. Bereits während der Erschließung verursachen Schwerlastverkehr, die Lagerung von Baumaterialien und die unsachgemäße Lagerung des Bodens eine Verdichtung des Ober- und Unterbodens. Dabei wird die Bodenstruktur geschädigt und undurchlässig für Wasser und Sauerstoff, was schließlich zum Verlust der Bodenflora und Bodenfauna führt.
Für die Wiederherstellung der Bodengesundheit nach einer Verdichtung gibt es keine einfache Lösung. Das einfache Wiederaufbringen des abgetragenen Oberbodens stellt die Funktionalität des Bodens nicht wieder her. Neben der Bodenverdichtung führt die Bebauung landwirtschaftlicher Flächen zur Bodenkontamination, Bodenversiegelung, Erosion, Verlust der Kohlenstoffspeicherung und Verlust der Biodiversität des Bodens.
Durch Baumaterialien wie Asphalt, Beton und Pflastersteine werden pro Jahr mehrere tausend Hektar Boden versiegelt und verhindern nicht nur einen Austausch zwischen ober- und unterirdischer Umwelt, sondern beeinträchtigen den Wasserkreislauf, den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf und die Regulierung des Klimas und des Mikroklimas. Wenn der Boden das Regenwasser nicht mehr aufnehmen kann, steigt auch das Risiko von Hochwasser und Überschwemmungen in den betroffenen Regionen.
Versiegelte Flächen verlieren aber auch ihre Fähigkeit zur Regulierung des Mikroklimas und können so während der heißen Sommermonate keinen Beitrag zur Abmilderung der Hitze in den Städten leisten. Durch die Flächeninanspruchnahme werden aber auch natürliche Habitate der Wildtiere zerschnitten und durch Verkehrslärm und Schadstoffbelastung weiter eingeschränkt. Zunehmende Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren sind vorprogrammiert.
Versorgung mit Nahrungsmitteln wird gefährdet
Der große Flächenverbrauch belastet nicht nur Umwelt, Klima und Biodiversität, sondern, letztendlich, auch die Produktion hochwertiger und gesunder Nahrungs- und Futtermittel. Deshalb muss der Flächenverbrauch gestoppt, wenigstens aber minimiert werden. Landwirtschaftliche Flächen müssen wieder hergestellt, oder zumindest bewahrt werden, um die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistung des Bodens aufrecht erhalten zu können. Der Boden ist eine nicht erneuerbare, begrenzte Ressource und erbringt eine Vielzahl von Ökosystemleistungen, dient der Erzeugung von Brennstoffen, Fasern sowie Nahrungs- und Futtermitteln, und steht in Wechselwirkung mit der Atmosphäre als Bestandteil des Kohlenstoff- und Stickstoffkreislaufs.
Darüber hinaus stehen Böden in Wechselwirkung mit dem Wasserkreislauf und mildern Überschwemmungen ab. Ob eine Reduzierung des Flächenverbrauchs bis 2030 auf 30 Hektar pro Tag, wie es die Bundesregierung anstrebt, wirklich zielführend ist, wird die Zukunft zeigen. Das Ziel der EU eines Null-Flächenverbrauchs bis 2050 setzt jedoch politische Maßnahmen voraus, die die Mitgliedsstaaten in die Lage versetzen, Landnahme und Bodendegradation zu verhindern. Darum ist die Umstellung auf eine nachhaltigere Landnutzung zur Wiederherstellung der Bodengesundheit eine der größten Herausforderung für die Zukunft.
Dr. Christian Robert Fiedler – LW 19/2024