Vom Buchenstamm zur Holzkohle
Bäume aus Hessen und Niedersachsen werden zu Holzkohle
Holz, Holz, Holz: Fast 50 Meter lang ist der Holzstapel, vier Meter hoch und fünf Meter tief. 2 500 Festmeter Buchenindustrieholz, die in den vergangenen Monaten mit einer Seilkrananlage aus den steilen Weserhängen zwischen Hemeln und Glashütte (Landkreis Göttingen) geerntet wurden, warten derzeit auf ihren Abtransport – weitere 6 000 bis 7 000 Festmeter sind es in den Solling-Forstämtern Neuhaus und Dassel.

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Seit mehr als 110 Jahren wird Holzkohle erzeugt
Und der fing mit einer schweißtreibenden und nicht ganz ungefährlichen Arbeit an: Über 60 000 Bäume, die gefällt werden sollen, hat Förster Rainer Uebel aus Bursfelde markiert. Bei bis zu 80 Prozent Hangneigung eine Arbeit, bei der nicht nur tüchtig Kalorien verbrannt werden, sondern auch die Unfallgefahr erheblich steigt. „In diesen Wäldern ist über 30 Jahre fast nichts geschehen“, sagt Uebel. Die einst quer in den Hang gebauten, alten Holzrückewege seien einfach zu schmal, als dass moderne Forstmaschinen darauf fahren könnten.
Trockene Destillation führt zur Kohle
Das Aufhauen und Verbreitern dieser Gassen hätte massive Erdbewegungen und damit einhergehend eine große Erosionsgefahr bedeutet. Schließlich entschied man sich dazu, dass eine aus Berg- und Talstation bestehende Seilkrananlage, mit der Holz einem Skilift ähnlich den Hang hinauf transportiert wird, eingesetzt wurde. Mit Vegetationsbeginn war vorerst Schluss und 70 Hektar Wald sind durchforstet – ehe es im Herbst mit weiteren 60 Hektar weiter geht. Damit der enorme Aufwand mit der Seilkrantechnik sich auch lohnt, werden mit rund 60 Festmetern pro Hektar etwa doppelt so viele Bäume geerntet als sonst – dafür muss aber auch erst in zehn Jahren das nächste Mal durchforstet werden.
Während das dickere Buchenholz ans Reinhardshäger Sägewerk Bachmann, das Palettenholz ins nordhessische Ermschwerdt, das Fichtenholz nach Thüringen und das dünne Nadel-Industrieholz an ein Spanplattenwerk ins Sauerland verkauft werden, tritt das dünne oder krumme Buchen-Industrieholz seine Reise nach Bodenfelde an. Das dortige ProFagus-Werk (ehemals Degussa, später Chemviron, heute gehört es einer Investorengruppe) verarbeitet mit 130 Mitarbeitern jährlich 100 000 Tonnen unbehandeltes Buchenholz und bezieht seinen Rohstoff überwiegend in einem Radius von 75 Kilometer rund ums Werk – und das seit über 110 Jahren.

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Knapp 20 Stunden in der Retorte
Als Nebenprodukte entstehen dabei jährlich 4 500 Tonnen Essigsäure sowie Holzteere, Aromastoffe für die Lebensmittelindustrie und Holzkohlengrieß.
Nach dem zwölfstündigen Abkühlen wird die Grillkohle gesiebt und in Säcke verpackt, kleine Stückchen sowie Staub werden zu hochwertigen Briketts verpresst. Aus 3,5 Tonnen trockenem Buchenholz wird so schließlich eine Tonne Holzkohle.
Christian Mühlhausen – LW 36/2014