Vortrag über zukunftsfähige Landwirtschaft

„Wir stehen vor drastischen Regulierungen“

Die Ausgestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft ist eines der zentralen gesamtgesellschaftlichen Themen, die uns derzeit bewegen. Dazu beizutragen, die daraus entstehenden Anforderungen an die Landwirtschaft zu bewältigen, sei eine der Aufgaben, denen der Frankfurter Landwirtschaftliche Verein (FLV) nachkommt. Dies sagte FLV-Vorsitzender Michael Schneller bei der Eröffnung der Vortragsveranstaltung, bei der Frank Gemmer, der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Agrar (IVA), referierte.

Frank Gemmer.

Foto: IVA

Bei den derzeitigen Diskussionen um die Ausgestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft gehe es darum, den Zielkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie aufzulösen, betonte Gemmer zu Beginn seines Vortrages über „Perspektive Pflanzenbau: 15 Maßnahmen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.“ Die vielen „sich gegenüberstehenden Dinge könnten jedoch nur gemeinsam gelöst werden“, so seine Ansicht.

Angesichts politischer Initiativen auf nationaler und auf EU-Ebene wie der Ackerbaustrategie der Bundesregierung, dem Aktionsprogramm Insektenschutz und der Farm to Fork-Strategie im Rahmen des Green Deal der EU habe der IVA seine 15 Maßnahmen im Rahmen der „Perspektive Pflanzenbau“ entwickelt.

Im „Green Deal“ teils drastische Regulierungen

Mit dem europäischen „Green Deal“ will die EU ihre Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft umgestalten und als weltweiter Vorreiter einen europäischen Klimapakt gelten, also klimaneutral werden, meint Gemmer. Neben dem Ziel, bis 2030 in der EU 25 Prozent Ökolandbau zu erreichen, sind vor allem „bei Pflanzenschutz und Düngung hohe Ziele vorgegeben, die durch teils drastische radikale Maßnahmen verwirklicht werden sollen.“ So werde verlangt, Gesamteinsatz und Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel sowie Einsatz so genannter gefährlicher Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 Prozent zu verringern. Das soll durch Förderung integrierten Pflanzenschutzes, alternative Kontrollmaßnahmen, digitale Methoden und biologische Pflanzenschutzmittel erreicht werden. Bei der Düngung sollen Nährstoffverluste ohne Absenkung der Bodenfruchtbarkeit um 50 Prozent vermindert werden. Gemmer sieht das im Widerspruch zum Ziel der Förderung des Humusaufbaus.

Betriebsmittel-Einsatz unabdingbar

Angesichts der dargestellten derzeit großen Dynamik im Bereich der politischen Initiativen und der vorgesehenen teils neuen oder zusätzlichen Regulationen im landwirtschaftlichen Bereich in Deutschland und der EU, habe sich der Industrieverband Agrar mit seinem Positionspapier „Perspektive Pflanzenbau“ in die Diskussionen und Abstimmungen eingebracht, so der Referent weiter.

Denn nach Ansicht des IVA werden Mineraldünger, Pflanzenschutzmittel und die junge Produktgruppe der Biostimulanzien, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Pflanzengesundheit und damit zur Sicherung und Steigerung landwirtschaftlicher Erträge leisten, auf lange Sicht unverzichtbar bleiben.

15 Maßnahmen vorgeschlagen

Wie diese Betriebsmittel nachhaltig eingesetzt und dabei zugleich mit ihrem Einsatz verbundene Risiken weiter vermindert werden können, beschreibt der IVA in seinem Positionspapier.

Wie dies im Einzelnen realisiert werden kann, wird darin anhand von 15 agrar- und umweltpolitischen sowie pflanzenbaulichen Maßnahmen dargestellt. Folgende Maßnahmen und Maßnahmengruppen beschrieb der Referent zusammenfassend:

  • Nährstoffe: Effizienteste Nährstoffquelle nutzen, bedarfsgerechte Versorgung sicherstellen,
  • Gewässerschutz: Abstände bei der Ausbringung einhalten, bewachsene Grasstreifen fördern.
  • Anbau: Konservierende Bodenbearbeitung erhalten, Bodenerosion verhindern, mehrjährige Blühstreifen fördern.
  • Integrierter Pflanzenschutz: Erweiterte Fruchtfolgen und umweltschonende Applikationstechnik fördern, ökologisches Schadschwellen-Konzept entwickeln.
  • Biodiversität: Mehr Beratung, mehr Fördermittel für Erlösausfälle.
  • Digitalisierung: Schaffung von Infrastruktur, Einrichtung von Modellregionen, digitale Dokumentation, Entwicklung von digitalen Entscheidungstools.
  • Rahmenbedingungen: Forderung nach einheitlichen Wettbewerbsbedingungen beim Zugang zu Pflanzenschutzmitteln, Mineraldüngern und Biostimulanzien in Europa, fairer Wettbewerb.

Nachhaltige und effiziente Produktion

Zusammenfassend betonte Gemmer, dass die im IVA-Positionspapier dargestellten Maßnahmen zum Einsatz von Betriebsmitteln nicht nur der Sicherung von Ertrag und der Erzeugung gesunder Lebensmittel dienen, sondern auch die Grundlage für eine nachhaltige und effiziente Produktion sind. Das sei vor allem auch vor dem Hintergrund einer bis 2050 voraussichtlich auf zehn Milliarden anwachsenden Weltbevölkerung zu sehen.

Sicherung eines produktiven Pflanzenbaus

Die Deckung des ansteigenden Nahrungsmittelbedarfes werde bei maßlosem Einschränken des Betriebsmitteleinsatzes unerreichbar sein.

Global gesehen sei die Sicherung eines produktiven Pflanzenbaues in Deutschland wegen der Ernährungssicherung nicht nur aus sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten, sondern wegen Schutz der Biodiversität und Klimaschutz auch aus ökologischer Sicht unbedingt geboten.

Rü – LW 7/2021