Wälder im Hessischen Ried sollen überflutet werden

Pilotprojekt zur zeitweisen Bewässerung von Waldbeständen

Unglückliche Grundwasserbeeinflussung führte dazu, dass feuchte Eichen-Mischwälder im Hessischen Ried im Rhein-Main-Dreieck seit Jahrzehnten durch Trockenheit bedroht sind. Die Dürreperioden der vergangenen Jahre haben die Situation verschärft. Eine diskutierte Grundwasseranhebung könnte Rettung bringen, ist aber aufwendig und umstritten.

Um die heimischen Eichen-Hainbuchen-Mischwälder im Hessischen Ried zu erhalten, soll nun eine zeitweise Oberflächenbewässerung helfen, die Bestände zu erhalten.

Foto: Tapken, Bernhard

Forscher der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) testen ein alternatives Verfahren. Sie wollen Oberflächenwasser zuleiten, was schnelle Abhilfe verspricht: Mit einem oberirdischen Rohrsystem soll eine temporäre Bewässerung erprobt werden.

Konkret wird ein über 100-jähriger Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald im Stadtwald Gernsheim bewässert, der an den Folgen der Grundwasserabsenkung leidet. Dabei handelt es sich um einen schutzwürdigen Flora-Fauna-Lebensraumtyp, der Lebensraum für zahlreiche Insekten und Vogelarten bietet und – unabhängig von einer möglichen Grundwasseraufspiegelung – schneller Hilfe bedarf.

Dazu fördern Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium über den Waldklimafonds den Testbetrieb eines Systems zur Steuerung und Überwachung einer diskontinuierlichen Oberflächenbewässerung. Über derartige Maßnahmen gibt es für Waldflächen hierzulande kaum Erfahrungen.Zur Überwachung und Steuerung der Bewässerung wird ein Monitoringsystem aufgebaut, mit dem die Bodenwasserverfügbarkeit sowie die Reaktionen der Bäume darauf kontinuierlich gemessen werden. Es soll so konzipiert werden, dass es über die Projektlaufzeit hinaus zur Überwachung eingesetzt werden kann. Mittels einer gekoppelten Simulation von Wasserhaushalt und Waldwachstum können die Befunde extrapoliert und auf vergleichbare Eichen-Hainbuchen-Mischbestände im Ried übertragen sowie für ausgewählte Klima- und Bewirtschaftungsszenarien in die Zukunft projiziert werden.

Seit Ende der 60er Jahre ein Problem

Zahlreiche Waldbestände im Hessischen Ried weisen seit Jahrzehnten erhebliche Vitalitätsdefizite auf. Ein maßgeblicher Faktor hierfür ist der im Zuge der Wassergewinnung verloren gegangene Grundwasseranschluss, der bis Ende der 1960er Jahre großflächig vorhanden war und in Trockenjahren die Wasserversorgung der Bäume gewährleistet hat. Durch den Klimawandel wird die Häufigkeit und Intensität von Trockenphasen zunehmen, eine Bewässerung mit Verteilungssystemen ist eine diskutierte Option zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Wälder an den Klimawandel und damit zur Sicherung der Ökosystemleistungen im Hessischen Ried.

Hitzesommer beschleunigten Absterbeprozess

Pilotprojekt im Hessischen Ried

Dr. Henning Meesenburg, NW-FVA

Foto: privat

Dr. Henning Meesenburg arbeitet an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt als Leiter des Sachgebiets Intensives Umweltmonitoring. Er ist für das Projekt im Hessischen Ried zuständig. Das LW sprach mit ihm.

LW: Was genau ist geplant?

Meesenburg: Im Rahmen des Projekts wird in einem Eichen-Hainbuchenwald die oberflächliche Zuwässerung als Alternative zu einer Grundwasseraufspiegelung geprüft. Dazu wird der Bodenwasserspeicher des Waldbestands über einen Zeitraum von drei Jahren regelmäßig im Frühjahr vor Beginn des Blattaustriebs auf die maximale Menge des pflanzenverfügbaren Wassers aufgefüllt. Darüberhinaus werden Zuwässerungsmaßnahmen im Verlauf der Vegetationsperiode durchgeführt, wenn der Bodenwasservorrat unter ein für das Baumwachstum kritisches Niveau fällt. Die Zuwässerungsmaßnahmen werden durch ein Monitoring begleitet, in dem die Wirkungen der Zuwässerung auf den Bodenwasserspeicher und den Zustand der Waldbäume detailliert dokumentiert werden. Dazu werden automatische Messsysteme installiert, die die Bodenfeuchte und die Baumreaktionen kontinuierlich aufzeichnen und an die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchanstalt senden.

LW: Welche Flächen sind betroffen?

Meesenburg: Die Untersuchungen werden in einem für das Hessische Ried typischen Eichen-Hainbuchenbestand der Gemeinde Gernsheim durchgeführt. Die Gemeinde Gernsheim und das Forstamt Groß-Gerau, das den Waldbestand bewirtschaftet, haben selbst ein großes Interesse an den Ergebnissen der Untersuchungen. Der Waldbestand ist durch Grundwasserabsenkung und durch die Trockenheit der letzten Jahre in seinem Gesundheitszustand und Wasserhaushalt stark beeinträchtigt.

LW: Welche Ergebnisse erhofft man sich?

Meesenburg: Im Idealfall wird erwartet, dass sich die Bodenwassersituation in dem Waldbestand wieder dem Zustand vor der Grundwasserabsenkung annähert und sich der Gesundheitszustand der Bäume erholt. Der Erhaltungszustand des Waldes als FFH (Flora Fauna Habitat) Lebensraumtyp Sternmieren-Stieleichen-Hainbuchenwald sollte sich verbessern, damit diese für die Region typischen Feuchtwälder weiter das Landschaftsbild prägen können. Bei einem Erfolg der Maßnahme könnte die Zuwässerung auf weitere Bestände dieses Lebensraumtyps ausgeweitet werden. Es muss jedoch betont werden, dass es sich hier um ein Pilotprojekt handelt und es bisher kaum Erfahrungen mit derartigen Zuwässerungsmaßnahmen gibt.

LW: Woher wird das Oberflächenwasser genommen?

Meesenburg: Das für die Zuwässerung verwendete Wasser ist ursprünglich Rheinwasser, welches im Brauchwasserwerk Biebesheim gereinigt wird und über Rohrleitungen für die Grundwasseranreicherung in den Gemeindewald Gernsheim transportiert wird. Ein äußerst geringer Teil dieses Wassers wird für die Zuwässerung im Projekt SiZuRi verwendet.

Mit Dr. Henning Meesenburg sprach Elke Setzepfand
FNR – LW 36/2020