Weihnachtsbaum-Verkauf nur die Spitze der Arbeit übers Jahr

Familie Groos erfüllt Kundenwünsche von früh bis spät

Es wuselt nur so von Kunden in der Hofreite der Familie Groos, eine Woche vor Heilig Abend im Neu-Anspacher Stadtteil Westerfeld. Gemäß den Regeln der Pandemie-Verordnung Schutzmaske tragend, Abstand haltend und der Beschilderung „Eingang“ und „Ausgang“ folgend mustern diese eingehend das üppige Angebot frisch geschlagener Weihnachtsbäume. Mittendrin ein Kamerateam der ZDF-Sendung „Länderspiegel“, die Kollegen der Sendung „Alle Wetter“ vom Hessenfernsehen waren schon da, und jetzt noch ein Kollege des Landwirtschaftlichen Wochenblattes. Baumschul-Gärtnermeister Andreas Groos beantwortet in aller Seelenruhe die Fragen, erläutert leicht verständlich komplizierte Sachzusammenhänge.

Ein Fernsehteam der ZDF-Sendung Länderspiegel informierte sich auf dem Hof von Andreas Groos, machte Aufnahmen und interviewte den Betriebsleiter zu Anbau und Vermarktung der Weihnachtsbäume.

Foto: Dietz

Gemeinsam mit seiner Frau Manuela, seinen beiden Söhnen Alexander und Michael und einigen Saisonkräften aus dem Bekanntenkreis für die Arbeitsspitzen übers Jahr verteilt, bewirtschaftet er den landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Schwerpunkt Weihnachtsbaum-Erzeugung und -Vermarktung. Auf 15 Hektar baut die Familie Nadelbäume an, wie die Nordmanntanne mit weichen Nadeln und duftneutral, nur ganz wenig nadelnd, die Blaufichte, die Rotfichte und die Kiefer jeweils mit spitzen Nadeln und intensivem Duft.

Der Advent ist wenig besinnlich

Die Adventszeit ist natürlich der absolute Arbeitsschwerpunkt im Jahr, wenn die Kunden auf dem Hof einen bereits geschlagenen Baum kaufen oder auch draußen auf den Flächen ihren Baum selber aussuchen und schlagen. Da muss die ganze Familie ran und der Service ist gefordert.

„Aber nach dem Zweiten Weihnachtsfeiertag geht die Arbeit draußen auf den Flächen sofort weiter. Da werden zunächst auf den Selbst-Werbe-Flächen die Stümpfe nachgearbeitet, die nicht verkaufsfähigen Bäume werden rausgenommen, und auf den Flächen, die bereits neun bis elf Jahre Weihnachtsbäume getragen haben, wird der Restbestand mit einer schweren Fräse komplett zerkleinert, sodass wir mit dem Pflug das Saatbett für Getreide, Phacelia, Gelbsenf oder auch Ölrettich bereiten können, mit denen die Bodengare nach dem langjährigen Nadelbaumanbau verbessert wird“, so Groos. Auf diese Weise werden Jahr für Jahr knapp 1,5 Hektar der 15 Hektar Anbau-Fläche neu bepflanzt.

Die Kosten für eine Neuanlage summieren sich auf rund 15 000 Euro je Hektar. Darin enthalten sind beispielweise Posten wie Saatbettbereitung, händisches Einsammeln der Wurzelreste, Kauf und Setzen der Jungpflanzen, Zaunbau oder Kapitaldienst. Je Baum entstehen Kosten von 10 Euro. Wenn nur 50 Prozent der Bäume verkaufsfähig sind, schnellt der Betrag auf 20 Euro je Baum hoch.

Groos erreicht in seinem Betrieb die Marke von etwa zwei Dritteln verkaufsfähiger Bäume. Mit einem Verkaufpreis von 20 Euro je laufenden Meter Baum liegt er nach seiner Einschätzung im unteren Bereich des allgemeinen Preisniveaus.

Blaufichte-Samen-Herkünfte zeigen Qualitäts-Mängel

Die Jungpflanzen werden zugekauft. Die Qualität der Blaufichten-Sämlinge hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. „Da hapert es bei manchen Herkünften zum Teil gewaltig bei der Gewinnung der Samen in den Ursprungsgebieten. Die Kontrolle ist zu lasch, die kratzen da irgendwas zusammen, die Zertifizierung steht nur auf dem Papier und wir Anbauer haben dann Knoblauch auf dem Acker stehen“, ärgert sich Groos.

Bei der Blaufichte ging der Anteil der verkaufsfähigen Bäume auf etwa zehn Prozent zurück. Bei der Nordmanntanne hingegen liegt dieser Anteil beständig bei „normalen“ 60 bis 70 Prozent. Er wird daher im kommenden Jahr die Blaufichte aus dem Programm nehmen. Anfang April werden die dann schon drei- bis vierjährigen Jungpflanzen gesetzt. Die Zäune werden ständig kontrolliert. „Sonst gehen die Sauen dort durch, die machen aber nicht den eigentlichen Schaden. Den verursachen anschließend die Rehe, die den beschädigten Zaun überwinden und sich an den zartesten Knospen der Jungpflanzen gütlich tun. Das müssen wir auf jeden Fall vermeiden“, so Groos.

Bei Verbiss durch die Rehe wird ein aufwändiger Korrekturschnitt erforderlich. Die geschädigten Jungpflanzen wachsen in den ersten beiden Jahren nur um drei bis fünf Zentimeter und brauchen bis zu drei Jahre, um sich wieder zu erholen.

Spätfröste können schwere Verlust verursachen

Gemeinsam mit den Bäumen wandern auch noch ländliche Spezialitäten wie Bienenhonig oder Wildfleisch aus eigener Jagd zu den Kunden.

Foto: Dietz

Ein weiterer Risikofaktor sind Spätfröste, die ähnlich wie im Weinbau, die Neuaustriebe auch der älteren Pflanzen erheblich schädigen können. „Am 12. Mai dieses Jahr hatten wir -2,0 bis -2,5 Grad Celsius. Das führte zu einem Ausfall von etwa 20 Prozent der verkaufsfähigen Pflanzen. Im Einzelfall kann das auch hochgehen bis zu 100 Prozent“, erläutert Groos.

In den letzten drei Jahren hat sich der Mangel an Niederschlag bemerkbar gemacht. Es fehlen bereits um die 350 Liter/m² bei einem langjährigen Jahresniederschlag von etwa 700 Liter/m² im Regenschatten des Großen Feldbergs. „An eine Beregnung oder auch Frostschutzberegnung ist gar nicht zu denken. Es gibt keine stehenden Gewässer, denen man Wasser entnehmen könnte. Außerdem ist die Entnahme ohnehin nicht gestattet.Die Usa ist ein Gebirgsbach, der dieses Jahr hier am Oberlauf zweitweise sogar trockengefallen ist. Wenn es stark regnet, droht er das Tal zu überfluten, bietet ebenfalls kein Beregnungswasser. Da müssen die Bäumchen halt mit klar kommen“, stellt Groos ernüchternd fest. In den ersten drei Jahren werden die Beikräuter mit Herbiziden kurz gehalten. Anschließend wird im Sommer ein- bis zweimal im Jahr mit der Motorsense durchgemäht. Damit die Nadeln ein schönes dunkelgrün zeigen, wird in Maßen etwas Mineraldünger gegeben.

Aufwändiger gestaltet sich die Steuerung des Längen- und Breitenwachstums. Die Kunden wollen wohl geformte Bäume mit nicht zu langen Spitzen oberhalb der letzten Zweigaustriebe. Und sie sollen auch nach der Seite hin nicht zu ausladend sein.

Familien-Mitglieder leisten Löwenanteil der Arbeit

So werden ab dem vierten bis fünften Standjahr die Triebe an der Spitze mit einer Zange verletzt, sodass das Längenwachstum verlangsamt wird. Zur Begrenzung der Breite werden die Bäumchen gesnipt, das heißt von den vier Knospen wird die in der Mitte entnommen. Der AKh-Bedarf wird nach Groos in Lehrbüchern mit rund einer Vollzeit-AK je 10 Hektar Anbaufläche angegeben. In seinem Betrieb sind es rund 1,5 Vollzeit-AK. Den Löwenanteil stellt die Familie. Bei Bedarf kommen aus dem Bekanntenkreis für bestimmte Tätigkeiten und Zeitabschnitte Personen mit geringfügiger Beschäftigung hinzu.

Große Event-Angebote durch Corona entfallen

Die Corona-Pandemie hat Familie Groos hinsichtlich der Abläufe beim Verkauf getroffen. Viel schwerer aber wiegt, dass die Event-Angebote dieses Jahr völlig weggebrochen sind. Für Weihnachtsfeiern von Firmen, Gruppen oder Vereinen gab es seither eine rustikale Scheune für eine Gruppengröße bis zu 400 Personen, einen rustikalen Raum für bis zu 60 Personen, und ein Jagdzimmer für bis zu 50 Personen. Den Glanzpunkt bildete ein Veranstaltungszelt für bis zu 700 Personen mit Boden, Tischen, Bänken und Toiletten, aufgestellt auf dem Freigelände oder direkt auf der Plantage. „Das hat uns die Corona-Pandemie abgeräumt, einfach mal so“, sagt Groos achselzuckend, wohlvertraut mit den gelegentlichen Unbilden der Natur.

Mitten ins Gespräch mit dem LW-Redakteur platzt Ehefrau Manuela „Die Blaufichten sinn all. Der Kunde kommt von weiter her. Ab wann morgen kann er nochmal kommen, damit er auch verlässlich eine Blaufichte bekommt?“

Das knappe Tageslicht kurz vor der längsten Nacht des Jahres gibt die Taktung für die Besorgung des Nachschubs vor. Bei Dunkelheit geht draußen nichts mehr. Wie das ganz früher schon immer so war. Andreas Groos verabschiedet sich und bricht auf, um noch vor der Dunkelheit die Versorgung mit frisch geschlagenen Weihnachtsbäumen für den nächsten Verkaufstag sicherzustellen.

Dz – LW 52/2020