Wie viel Eigenleistung zählt?
Im Stallbau folgen die Bauabschnitte im engen Zeitfenster
Bei Stallbauten werden oft erhebliche Investitionskostenminderungen durch hohe Eigenleistung des Betriebsleiters kalkuliert. Wie rechnet sich der eigene Einsatz des Landwirts? Oder bleiben dabei der Betrieb, die Familie oder die Gesundheit auf der Strecke? Bernd Lührmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichtet aus der einzelbetrieblichen Beratung.
Viele Bauherren sind der Meinung, dass durch ihre Eigenleistung beim StallÂbau die Kosten des Neubaues verringert werden können. Nicht selten ist das aber ein Trugschluss: Schließlich beginnt ein Stallbau oft im Frühjahr oder Sommer und damit in einer besonÂders arbeitsreichen Phase des Jahres für den Landwirt. In dieser Zeit müssen die anÂstehenden Feld- und Grünlandarbeiten wie Grassilagebereitung zeitpunktgerecht erledigt werden.Eigenleistung richtig bewerten
Parallel dazu müssen Entscheidungen im Stallbau getroffen werden, die vielfach einen intensiven Informationsaustausch mit Beratern, Architekten, Zulieferern oder Kollegen erfordern. ZuÂdem müssen Angebote eingeholt, Aufträge erteilt, Rechnungen beÂzahlt und Absprachen mit Handwerkern getroffen werden. Da auch die Landwirtschaftsfamilie nicht zu kurz kommen darf (Ferienzeit und Feiertage), wird deutlich, dass viele Betriebe kaum Eigenleistung beim Bau einbringen können. So wird die Baukostenreduktion durch die Eigenleistung (Muskelfinanzierung) vielfach überschätzt. Beispielsweise werden bei 700 Stunden EigenleisÂtung und einer Ersparnis von 20 Euro/Stunde (gegenüber dem Handwerkerlohn) insgesamt „nur“ 14 000 EuÂÂÂro eingespart. Die monetäre EigenÂleistung erhöht sich dann auf 17 500 Euro, wenn die ErsparÂnis 25 Euro je Stunde beträgt. Allerdings steht selteÂn auch das entsprechende Werkzeug (wie Spezialmaschinen oder Zahl der Geräte bei mehreren Helfern) zur Verfügung, um die Arbeiten ähnlich schnell, wie der Handwerker, ausführen zu können.
Aufwand schwer kalkulierbar
Zudem muss diese Eigenleistung in einem „engen Zeitfenster“ während des Baues erbracht werden. Da sie häufig vom ForankomÂmen der weiteren Handwerker abhängt, ist sie zudem schlecht planÂbar. Unterstellt man ein halÂbes Jahr als Bauzeitraum, in dem die 700 Stunden Eigenleistung erbracht werden solÂlen, so ergibt sich eine zusätzliche Arbeitsbelastung in dieser Zeit von täglich fast vier Stunden. Somit geht die EigenÂleisÂtung fast immer zu Lasten der aktuÂellen Bewirtschaftung im Betrieb. Dabei werden Routinearbeiten verschoben oder entfallen, Erntearbeiten verzögern sich und Management- beziehungsweise Kontrollaufgaben werden „nebenbei oder nach Feierabend“ erledigt. Das alles führt zu geringeren Leistungen bei den Tieren, höheren Verlusten, schlechÂteren Fruchtbarkeitskennzahlen und oftmals höheren Erkrankungsraten – also zu einer Verschlechterung der Rentabilität im Stall. Und wenn erst einmal die Milchleistung gesunken beziehungsweise die Tiergesundheit beeinträchtigt ist, dauert es lange, bis das Ausgangsniveau wieder erreicht ist.
Körperliche Überlastung ist teuer
Die Auswirkungen werden bei der Ermittlung der Direktkosten freien Leistung (DKfL) besonders deutlich. Beispielsweise verliert ein Betrieb mit 50 Kühen und einer um 100 Euro verringerten DKfL im ersten Jahr rund 5 000 Euro, wie dies eine Berechnung ergeben hat. Hinzu kommen in den zwei bis drei Folgejahren, die er fast immer beÂnötigt, um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen, nochmals 5 000 Euro. Daraus ergibt sich ein Verlust von insgesamt 10 000 Euro. Ist dieser beispielsweise auf die oben genannten 700 Stunden Eigenleistung (bei 25 Euro/Stunde Ersparnis) ursächlich zurück zu führen, so hat die Eigenleistung nur 7 500 Euro eingebracht. Daraus ergibt sich eine effektive Einsparung von 11,53 EuÂro/Stunde und somit nur rund 46 Prozent der zuvor kalkuÂlierÂten Einsparung je Stunde. Zusätzlichen Herdenmanagementprobleme in den FolgejahÂren gibt es dazu. Auch wird der Stress und die körperliche Beanspruchung durch die Eigenleistung von vielen Landwirten unterschätzt. Kommen dann Zeitdruck beim Erbringen der EigenÂleistung hinzu, kann dieses die Gesundheit gefährden. Körperliche BeschwerÂden, wie beispielsweise Herz-Kreislauf- oder SchlafÂstörungen, Magen-Darm-Probleme können die Folge sein. Häufig halten solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen über die Bauphase hinaus an.
Bei Eigenleistung steht die erforderliÂche Zeit nur selten, zusätzlich zur laufenden Arbeit, zur Verfügung. Eher sollten zeitliche Reserven eingeplant werden, unter anderem auch um Freiraum bei möglichen familiären oder betrieblichen Problemen zu haben.
Zum Thema
Die Beratungspraxis zeigt, dass es nahezu in jedem Betrieb typische Probleme gibt, die nach einem Stallbau im Bestand auftreten. Beim Stallbau kommt es darauf an, schnell fertig zu werÂden, damit im neuen Stall produziert werden kann, um damit die Stallbaukosten zu finanzieren. Wer durch Eigenleistung am Bau sparen will, begibt sich daher auf eine Gradwanderung. Versäumnisse im Herdenmanagement kosten Geld, auch wenn sie die Liquidität nicht direkt belasten, wie HandwerÂkerrechnungen. Hindernisse, die im Nachhinein auftreten könÂnen, beziehen sich oft auf die Qualität der ausgeführten Arbeiten am Bau und auf Probleme bei Regressansprüchen (bei VollÂÂeigenleistung gibt es keine Haftung, bei Mischleistung wird die Schuld gegenseitig zugewiesen). Wenn der Bau im NachÂhiÂnÂein aufgrund von mangelndem Fachwissen bei der BauausfühÂrung (oft Schalung zu schwach ausgesteift, mangelnde Verdichtung bei Erdreich oder Beton) Mängel aufweist, ist der Ärger vorprogrammiert. Ferner gelten Aspekte der Arbeitssicherheit für jeden, der an der Baustelle arbeitet: auch BauhelÂfer unterliegen dem Arbeitsschutz. Wer dennoch nicht auf Eigenleistung beim Stallbau verzichten möchte, sollte sich Arbeiten aussuchen, die nicht von Nachleistungen anderer Firmen abhängen, denn das führt zu Zeitdruck bei der Ausführung. S. Möcklinghoff-Wicke, E. Heinemann/ Innovationsteam Milch Hessen |