Wildtiere vor Ort fördern

Wildtierfreundliche Landwirtschaft auf dem Weingut Schmitt

Flörsheim-Dalsheim liegt in der Rheinebene nördlich von Worms und südlich von Oppenheim in Rheinhessen, weit und breit kein Wald in Sicht. Was treibt hier ein wildtierfreundlicher Winzer? Die über 30 Winzer der Weinbaugemeinde betreiben auf rund 630 Hektar Weinbau. Die Rebzeilen ziehen sich von der Ebene bis zur Rheinterrasse hoch, von Wildtieren ist weit und breit nicht zu sehen, doch ist die Jagd ein Standbei des hier portraitierten Betriebs.

Blühende Streifen zwischen den Äckern dienen dem Wild als Deckung und Futter.

Foto: Setzepfand

Auch die Familie von Peter Schmitt baut auf mehr als 40 Flächen über die Gemarkung verteilt 16 ha „Weingärten“ an, seit 2010 ökologisch.

Weinbau und Jagd als Alleinstellung

Der Weinbau mit Gästehaus und Gutsschänke ist die eine Leidenschaft der Familie, die zweite Leidenschaft liegt in der Jagd. Peter Schmitt hat 1968 seinen Jagdschein gemacht, danach folgten sein Vater und dann Sohn Daniel. Inzwischen ist Peter Schmitt nicht nur Hundeführer und Ausbilder für die Jagd, sondern auch begeisterter Jagdhornbläser. Seinem Sohn Daniel hat er im vergangenen Jahr das 550 ha große Revier in Flörsheim-Dalsheim übergeben.

Die Gemarkung Flörsheim-Dalsheim ist ein typisches Niederwildrevier: Ausgleichsflächen der Verbandsgemeinde gehören dazu mit Hecken und Brachen. „Eigentlich beste Weinbergslagen“, bemerkt Schmitt. Damit sich Fasane, Rebhühner und Hasen wohlfühlen, legt die Familie Wildäcker an und sät eine Blühmischung der Firma Wolff in die Gassen der Weinberge. „Das hat den Vorteil, dass hier Wildbienen und andere Insekten Nahrung finden, der Boden gut durchwurzelt wird und sich darüber hinaus bei starker Trockenheit die Feuchtigkeit besser im Boden hält“, erklärt Schmitt.

Die Blühmischungen enthalten Winterwicken, Esparsette, Alexandrinerklee, Inkarnatklee, Luzerne, Weißer Steinklee, Phacelia und viele Wildkräuter, die besonders für die Feldhasen wichtig sind, aber auch eine Augenweide für Weintouristen.

Oben am Rand der Weinberge zur Brache, säte Schmitt Sonnenblumen und Tobinambur auf mehreren drei Meter breiten Streifen. „Das ist nicht nur ein Unterstand für das Wild, sondern auch ein toller Blühstreifen und Körnerfutter für die Vögel, von denen wir hier den Steinschmätzer, die Wachtel, Schnepfe, Stieglitz, Goldammer, Hausrotschwanz, Lerche und Buchfink haben. Im ganzen Jahr bieten wir Weinbergsführungen unter anderem mit Biologen und Vogelkundlern an, die sich bestens auskennen.“ Zwischen Rebstock und Rehbock lautet ein Angebot des Weinguts Schmitt, das ab 1. Mai zur Bockjagd in den Donnersbergkreis einlädt, und ab 1. November können Jäger bei der Jagd mit Frettchen im Weinberg auf Kaninchen schießen. Die Jagd ist im Weingut Schmitt allgegenwärtig. So schmücken einige Trophäen die helle und großzügige Gutsschänke. Wer einen runden Geburtstag oder eine Hochzeit im Weingut feiern möchte, kann natürlich auf selbstgeschossene Wildspezialitäten der Schmitts zurückgreifen. „Auch beim Ausliefern der Weine zu den Endverbrauchern und Gastronomen verkaufen wir unsere Wildspezialitäten gemeinsam mit dem Wein“, erklärt Schmitt.

Beweidung erst ab 15. Juni

Eine Streuobstwiese der Gemeinde wurde auf Schmitts Anregung, nicht vor dem 15. Juni, beweidet, um die Wildtiere zu schonen, Sohn Daniel möchte besondere Mischungen für Schmetterlinge in die Gassen der Weinberge säen. Im Rahmen der PAULa, Agrar- und Umweltmaßnahmen führen sie Ackerstreifen. Unten in der Ebene, im Ackerland legte Schmitt einen kleinen Teich an in der Nähe eines Bachlaufs, gleich daneben ist ein Lesesteinhaufen.

„Da die guten Niederwildzeiten, die wir Ende der 70er Jahre hatten, längst vorbei sind, als in Flörsheim rund 500 Hasen und 1 000 Fasane im Jahr geschossen wurden, haben wir seit vielen Jahren noch ein Jagdrevier am Donnersberg bei Höringen“, bemerkt Schmitt. Auf den 680 ha jage er Rehwild, Schwarzwild, Füchse, Dachse und Hasen. „Da er selbst noch 3 ha Ackerland und 5 ha Wiesen hat, kann er bei Wildschäden den Landwirten seine Ernte anbieten. Das ist den meisten Landwirten viel lieber als das Geld, denn sie müssen sich dann nicht mehr um den Erwerb kümmern“, sagt Schmitt. In Höringen bewirtschaften drei Vollerwerbs- und einige Nebenerwerbslandwirte Flächen in seinem Jagdrevier. „Ich bin Mitglied in der Jagdgenossenschaft und so weiß ich jederzeit, wenn es Probleme gibt“, stellt Schmitt klar. Dass er mit den Landwirten gut steht, das zeige auch, dass der ein oder andere seinen Rat annehme und zum Beispiel statt Winterweizen Durum an den Waldrand gesät hat. „Wild interessiert sich nun mal sehr viel weniger für Getreide mit Grannen.“ Auf seiner eigenen Ackerfläche nebenan säte er Hafer und Klee. „Ich pachte Flächen an, so viel ich erhalte. Oft auch kleine oder schlecht erreichbare Flächen, die die Landwirte nicht mehr wollen“, ergänzt Schmitt.

Kaum Wildschäden in den Revieren

„Wir haben gar nicht so viele Wildschäden“, gestand Schmitt. „Und es gibt keinen Abschussplan, sondern eine Abschussvereinbarung mit der Jagdgenossenschaft, wir jagen regelmäßig und halten die Wilddichte in Grenzen. Wir sind oft hier draußen und wissen, was an Wild da ist. Anders als weitanreisende Jagdpächter“, sagt Schmitt. Er zahle pro Jahr rund 250 Euro als Ausgleich für Wildschäden, der Rest wird in Naturalien ausgehandelt. So überlasse er einem Landwirt dieses Jahr die Mahd seiner Wiese, da Heu rar ist, das sei dann schon mal ein Vorschuss für einen Schaden, der bestimmt mal irgendwann eintreten wird.

„Da ich selbst ja auch Winzer und Landwirt bin, ist das Verhältnis zu den Kollegen hier sehr gut“, beschreibt Schmitt die Lage. In Flörsheim-Dalsheim ist die Lage ähnlich, da habe er mit rund 20 Winzern in seinem Jagdrevier zu tun. Die Wildschäden entstehen überwiegend durch Kaninchen, die die Rebstöcke unterhöhlen oder die Rebstöcke im Winter schälen und so zum Absterben der Rebstöcke beitragen. Daher gehen wir ab November mit dem Frettchen auf Wildkaninchenjagd“, erklärt Schmitt.

„Ich will in erster Linie für Nachhaltigkeit sorgen, für eine Artenvielfalt bei wildlebenden Tieren und heimischen Pflanzen. Und damit auch einen Beitrag für Weintourismus in Flörsheim-Dalsheim leisten und trotzdem muss auch die Wirtschaftlichkeit für die Winzerfamilie gegeben sein. Aller Anfang ist schwer, ich möchte aber dennoch ein Zeichen setzen, dass man auch als Einzelner etwas bewegen kann. Mit Herbizid gespritzte Acker- und Weinbergsrandstreifen sind da absolut kontraproduktiv. Es geht doch auch anders.“ Elke Setzepfand