Winzer wollen keine Kompromisse

Rheinhessen wollen an Anbaustopp festhalten

Was Rang und Namen in der Weinbaubranche hat, versammelte sich zur Jahreshauptver­sammlung des Weinbauverbandes Rheinhessen in Nieder-Olm, Weinbauministerin Ulrike Höfken, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Kommunalpolitiker, Präsidenten und Geschäftsführer der benachbarten Weinbauregionen und Vertreter der berufsständischen Organisationen. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Pflanzrechteregelung, an der die Winzer festhalten wollen. Der Berufsstand bat die Politiker inständig darum, die Interessen der Winzer möglichst kompromisslos durchzusetzen.

Thomas Lorch, Vizepräsident des Weinbauverbandes Rheinhesssen (von rechts), moderierte die Podiumsdiskussion mit Aly Leonardy als Vertreter der europäischen Weinbauregionen (AREV), Ingo Steitz, Präsident des Weinbauver­bandes Rheinhessen, Weinbauministerin Ulrike Höfken, Weinbaureferent Dr. Michael Koehler aus dem Bundesmi­nis­terium, Norbert Weber, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes, Dr. Roland Hinkel, Vizepräsident des Weinbau­verbandes Rheinhessen und Friedrich Ellerbrock, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Rheinhessen.

Foto: Siée

„Der Verein der Ehemaligen Oppenheimer und das DLR Oppenheim stellen mit den Agrartagen eine Veranstaltung auf die Beine, auf die die gesamte Weinbranche und der Berufsstand stolz sein können“, lobte Ingo Steitz, Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen. „Zum Finale der Agrartage“ sprach Ramona Diegel, rheinhessische Weinkönigin, ihren Dank dafür aus, dass an ihre Generation gedacht werde. Das Leitmotto „Rheinhessen denkt an morgen“ zog sich durch alle Veranstaltungen.

Nur noch halber Jahreskonsum auf Lager

Steitz sprach von historisch niedrigen Weinernten in den letzten Jahren, sodass nur noch ein halber Jahres­konsum auf Lager sei. Stabile Preise auf gutem Niveau stellen die Winzer zufrieden. Die Schwerpunkte der Weinbaupolitik liegen auf den Pflanzrechten, Förderpro­gramme für den Weinbau und Aufwertung kleinerer geografischer Herkünfte. Steitz freute sich über die schnelle Zu­lassung der Säuerung als Ausnahme für den 12er Jahrgang. „Vor künftigen An­tragstellun­gen sollten sich die regiona­len Weinbauverbände in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg besser absprechen“, so Steitz.

Das Bezeichnungsrecht wird nun in die Praxis umgesetzt: „Je enger die Herkunft auf dem Etikett genannt wird, umso höher soll die Weinqualität sein.“ Das alte Qualitätssystem (Q.b.A., Kabi­nett, Spätlese, Auslese) wird abgelöst von der Qualitätspyramide (Regionwein, Ortswein und Lagenwein). Derzeit vermarkten noch 58 Prozent der Betriebe über 40 Prozent ihrer Weine als Einzellage. Künftig sollen nur noch Spitzenweine als Einzellage vermarktet werden. Kriterien, wie Mindest­most­gewichte, werden diskutiert. Steitz will keine Sorten­beschränkung.

Zur Pflanzrechteregelung wurde von der EU-Kommission eine „Hochrangi­ge Gruppe“ eingerichtet, die Kompromisse ausarbeiten sollte. Es soll in enger Abstimmung mit dem EU-Parlament und dem Ministerrat entschieden werden. Weinbaureferent Dr. Michael Koeh­­ler aus dem Bundesministerium (Winzersohn aus Bechtheim), sieht keine großen Differenzen zwischen Weinbau­verbandspolitik und Bundespolitik. „Aus dem nationalen Stützungsprogramm haben wir fast 100 Millionen Euro erhal­ten“, so Koehler, „Geld, mit dem Sie mo­dernisieren und Flächen umstrukturieren können.“ Nach 2015 seien für Winzer Direktzahlungen absehbar, die natürlich mit Auflagen verbunden werden.

Rheinhessens Weinbaupräsident Ingo Steitz (links) und Staatssekretär Dr. Thomas Griese (rechts) besuchten beim Messerundgang auch den Fachverlag Dr. Fraund und kamen mit Geschäftsführer Henning Seibert ins Gespräch.

Foto: Andrea Kerth

Eine Verlängerung der Pflanzrechteregelung sei nicht durchsetzbar. Die EU-Kommission will eine Liberalisierung, weil die bisherige Regelung juris­tisch nicht korrekt und diskriminierend sei. Es sei ungerecht, dass Bauern nicht frei entscheiden können, was sie anpflanzen, erklärte Koehler den Standpunkt der Kommission. Pflanzrechte sollen nicht mehr handelbar sein. Von den 27 EU-Ländern wollen 14 am Anbaustopp festhalten. Koehler war Mitglied der „Hochrangigen Gruppe“ und erklärte seine Taktik einen Kompromiss anzubieten, damit am Ende nicht „noch Schlimmeres“ beschlossen wird.

Die „Hochrangige Gruppe“ hat vorgeschlagen, dass nach der Rodung Anpflanzungsgenehmigungen zu beantragen sind. Ein jährlicher Zuwachs könne auf 0,5 oder 1 Prozent beschränkt werden. Bei diesem Angebot schrillen die Alarmglocken der Winzer, denn 1 Prozent Zuwachs bedeuten in Deutschland 1 000 ha neue Rebfläche jedes Jahr, erklärte Norbert Weber, Präsident des Deutschen Weinbauverbandes. Koehler erwiderte, dass Kriterien der Zuteilung diskutiert werden, zum Beispiel Priorität bei Steillagen. Der Luxemburger Aly Leonardy, Vertreter der europäi­schen Weinbauregionen (AREV), sprach sich vehement gegen eine Liberalisierung der Pfanzrechte aus. Er vertitt 75 Weinbauregionen in Europa. Koehler machte klar, dass er keine Kompromisse eingehen wolle, aber taktieren müsse. Bis Mitte Juni sind endgültige Beschlüs­se zu den Pflanzrechten zu erwarten.

Rückendeckung der Weinbauministerin

Weinbauministerin Ulrike Höfken kritisierte die Vorschläge der EU-Expertengruppe zur Zukunft der Pflanzrechte und forderte die Fortführung des Anbaustopps. Höfken betonte die Bedeutung der Weinwirtschaft in Rhein­land-Pfalz: „Der Weinbau ist ein Zugpferd der Wirtschaft in den ländlichen Regionen.“ Ziel der Weinbaupolitik sei es, die Kulturlandschaften zu erhalten, die Anbaugebiete weiter zu profilieren, um die Wertschöpfung in den ländli­chen Regionen auszubauen. Dafür wolle sie die Spielräume, die Brüssel und Berlin den Ländern eröffne, offensiv nutzen, etwa beim Weinbezeichnungsrecht oder bei der Weinbauförderung.

Groß und Klein machten sich auf den Weg zur Maschinen- und Geräteaustellung der Agrartage in Nieder-Olm.

Foto: Andrea Kerth

Vor dem Hintergrund der aktuellen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in Europa, erklärte Höfken, dass sie das Landesförderprogramm zur Modernisierung der Weinwirtschaft in Rheinland-Pfalz ab 2014 in möglichst großem Umfang fortsetzen wolle. Bei der Inves­titionsförderung könne es erst im Jahr 2014 wieder neue Bewilligungsbeschei­de geben.

„Die aktuell in der EU diskutierten Kürzungsvorschläge des Agrarbudgets, die die Bundesregierung sogar noch verschärfen will, sind Besorgnis erregend“, so Höfken. Sie appellierte an die Bundesregierung, sich Anfang Februar beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zum mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 der EU für ein möglichst starkes Agrarbudget einzusetzen. Zudem ging Höfken auf die geplante Landesverordnung zur Umsetzung des neuen Weinbezeichnungsrechts ein. Bei einer Anhörung des Agrarausschusses im Landtag haben Vertreter der Verbände am 5. Februar Gelegenheit, sich einzubringen.

Es entwickelte sich eine rege politi­sche Diskussion, die Thomas Lorch, Vizepräsident des Weinbauverbandes Rheinhessen, moderierte. Kreisbauernvorsitzender Ludwig Schmitt verdeutlichte, wie existenziell wichtig der Anbaustopp für die Winzer ist. Bei einer Ausweitung befürchtet er keine kostendeckenden Preise, weil kein steigender Weinkonsum zu erwarten ist. „Ohne Anbaustopp hätten wir die enormen Qualitätsfortschritte der letzten zehn Jahre nicht gemacht“, ist Ludwig Tauscher, von der Landwirtschaftskammer Alzey, überzeugt. Jungwinzer Martin Fischborn aus Badenheim fragte nach angedachten Kriterien für die Einzellagen, die auf dem Etikett nur noch für Spitzenweine verwendet werden sollen.

Im Schlusswort verdeutlichte Dr. Roland Hinkel, Vizepräsident des Weinbauverbandes Rheinhessen, wie wichtig die Arbeit des DLR Oppenheim für den Erfolg der Region Rheinhessen ist. Hinkel appellierte an seine Berufskollegen „zukunftsfähig nachhaltig“ zu handeln. Es gehe auch um die eigene Verantwortung für den Absatz und den selbstverständlichen Einsatz für Touris­mus, Dorfgestaltung und zu guter Letzt auch um finanzielles Engagement für die Werbung.

bs – LW 5/2013