Wohin mit dem Wasserstoff?

Möglichkeiten, Methanemissionen von Kühen zu reduzieren

Sind die Kühe schuld am Klimawandel? Wiederkäuer stoßen Methan aus, das ist nichts Neues, aber welchen Einfluss hat das im Verhältnis zu anderen Quellen von Klimagasen und gibt es Methoden, den Methanausstoß von Wiederkäuern zu senken? Das war vergangene Woche das Thema im Gemeinsamen Seminar Nutztierwissenschaften an der Universität Gießen. Eines wurde deutlich: Eine eindeutige Lösung dafür gibt es nicht, es treffen viele konkurrierende Ziele aufeinander und die intensive Tierproduktion ist besser als ihr Ruf. Der Agrarjournalist Michael Schlag, Butzbach, war für das LW bei der Veranstaltung dabei.

Wiederkäuer stoßen Methan aus, was in Deutschland jedoch nur zu einem geringen Anteil für Treibhauseffekte verantwortlich ist. Drei Viertel aller Emissionen von Treibhausgasen in Deutschland stammen aus der Energiegewinnung.

Foto: Schlag

Drei Viertel aller Emissionen von Treibhausgasen in Deutschland stammen aus der Energiegewinnung, nur sieben Prozent werden von der Landwirtschaft verursacht. Dieser Wert gilt aber nur für Deutschland, denn „global sind es mehr als 7 Prozent“, sagt Dr. Johanna Zeitz vom Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie der Universität Gießen, „in Neuseeland sind es sogar 40 Prozent“. Bei den Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft unterscheidet man drei Quellen: Landwirtschaftliche Böden und Wirtschaftsdünger verursachen zusammen zwei Drittel; ein Drittel stammt aus den Verdauungsprozessen der Wiederkäuer. Der Anteil von Schweinen und Geflügel fällt dagegen kaum ins Gewicht, und „wenn man die Methanemissionen aus der Landwirtschaft verringern will, muss man beim Wiederkäuer ansetzen,“ sagt Johanna Zeitz.

Mehr Methan bei extensiver oder intensiver Haltung?

Welche Produktionsverfahren innerhalb der Rinderhaltung sind, bezogen auf die Methanproduktion, besser und welche schlechter? Es kommt darauf, welchen Maßstab man anlegt. Sieht man auf das einzelne Tier, dann hat ein Tier mit geringer Produktivität auch geringere Methanbildung. Für die Agrarwissenschaftler maßgeblich ist aber nicht der Methanausstoß des einzelnen Tieres, sondern die „Emissionsintensität“: Wie viel Gramm Methanausstoß entsteht, bezogen auf die erzeugten Lebensmittel? Damit verschiebt sich die Bewertung stark zugunsten der intensiven Haltung. Die vom Tierschutz favorisierte extensive Weidehaltung mit Raufutter vom Grünland produziert nämlich drei Mal so viele Methanemissionen pro Kilogramm Fleisch wie die intensive Haltung mit überwiegendem Anteil Kraftfutter. Denn über die längere Mastdauer auf der Weide fällt beim Methanausstoß der Erhaltungsbedarf der Tiere stärker ins Gewicht, so die Rechnung von Johanna Zeitz. Allerdings gibt es auch eine darüber stehende Einordnung, das betonte Dr. Zeitz mehrfach: Die Verringerung der Methanemission nämlich „sollte zugleich minimale Nahrungskonkurrenz zum Menschen anstreben.“ Und Methanemissionen aus Futtermitteln, speziell Getreide, das auch für Menschen essbar ist, „könnten wir theoretisch alle vermeiden.“

Welche Einflussmöglichkeiten bestehen nun, die Methanbildung im Tier zu beeinflussen? Entscheidend sind die Methanogene, die Methan bildenden Bakterien und deren Lebensbedingungen. Einfach stoppen sollte man die Bildung von Methan aber nicht, denn sie erfüllt im Stoffwechsel einen wichtigen Zweck: „Die Methanbildung im Pansen hat den Sinn, dass Wasserstoff aus dem System genommen wird,“ sagt Zeitz. Sie bindet im Pansen freien Wasserstoff an Kohlenstoff und verhindert, dass der Wasserstoff die Fermentation stört. Hemmt man also die Entstehung von Methan, hemmt man dadurch auch die Verdauungsprozesse und die Energiegewinnung, und „das will man natürlich nicht“, sagt Johanna Zeitz. Will man die Methanbildung verringern, muss die Frage beantwortet sein: Wohin mit dem Wasserstoff?, denn „der Wasserstoff muss anderswo hin, wenn die Methanogenese nicht mehr abläuft.“

Geringere Methan-Emissionen aus der Gülle durch Belüftung

Bei den Methan-Emissionen aus der Gülle ist es einfacher: Die Gülle wird belüftet. Methanbakterien brauchen zum Leben anaerobe Bedingungen, also den Luftabschluss, und wenn man Luft zuführt, dann sinken auch die Methan-Emissionen. Allerdings ist das Problem damit nur verschoben, denn „das steht im Gegensatz zu den Lachgasemissionen.“ Auch im Pansen des Tieres kann man die Arbeit der Bakterien beeinflussen: Man siedelt in den Kühen eine neue Pansenflora an, bestehend aus Mikroben von Tieren mit geringen Methanemissionen, oder man unterdrückt die Flora der Methanbakterien durch eine Impfung. Diese Entwicklung kommt aus Neuseeland und ist gedacht zum Einsatz bei grasenden Tieren. Sie habe auch eine Wirkung gegen Methanbakterien, allerdings schränkt Johanna Zeitz ein: „Man konnte nicht feststellen, ob auch die Methanemissionen der Tiere sinken.“

Nährstoffzusammensetzung in der Ration ändern

Ein weiterer Ansatz: Man beeinflusst Fermentation und Methanbildung im Pansen durch die Nährstoffzusammensetzung der Ration. Johanna Zeitz erklärt den biochemischen Vorgang: „Man kann alles ableiten von der Produktion flüchtiger Fettsäuren“, und diese hängt ab von der Form des energiehaltigen Substrates in der Ration. Zucker und Zellulose bilden mehr Acetat, Stärke und Protein bilden mehr Propionat, was heißt: „Wenn man stärkereiches (Propionat-bildendes) Kraftfutter einsetzt, sinken die Methanemissionen,“ was ganz praktisch bedeutet: „Je höher der Anteil Kraftfutter, desto geringer die Methanbildung.“ Dazu eine Untersuchung der Methanproduktion im Pansen, gemessen jeweils am Nachmittag um 17 Uhr: Bei einem Verhältnis von Grundfutter zu Kraftfutter von 40 zu 60 Prozent lag der Ausstoß bei etwa 13 Millilitern pro Minute. Bei einem deutlich höheren Grundfutteranteil von 66 Prozent gegenüber 33 Prozent Kraftfutter war der Methanausstoß mit 26 ml/min doppelt so hoch. Im Verlauf der Nacht ging der Methanausstoß dann kontinuierlich zurück, die relativen Unterschiede zwischen den Fütterungsverfahren blieben aber bestehen. Bei der nächsten Messung am Morgen um 9 Uhr, nach dem Füttern, schossen die Werte dann wieder in die Höhe, ebenso die erhebliche Differenz beim Methanausstoß.

Mehr zuckerreiche Gräser ins Futter?

„Nur 7 Prozent aller Treibhausgase in Deutschland werden von der Landwirtschaft verursacht“, sagt Dr. Johanna Zeitz, Institut für Tier­ernährung und Ernährungsphysiologie der Universität Gießen.

Ist der Ausstoß von Methan die einzige Größe, die man verändern will, dann spricht alles für eine kraftfutterreiche Ration. Allerdings wirft das die nächste Frage auf: „Welches nimmt man – nimmt man solches, das auch der menschlichen Ernährung dienen könnte?“ Es gibt nämlich auch eine Lösung über das Grundfutter, indem man den Anteil von zuckerreichen Gräsern verstärkt, mit hohen Gehalten an wasserlöslichen Kohlenhydraten wie Fruktan, Saccharose, Glucose und Fructose. Rohprotein und Rohfaser muss dann aber entsprechend gekürzt werden, denn „der Einsatz von zuckerreichen Gräsern verringert die Emissionsintensität nur, wenn der Zuckergehalt im Gras auf Kosten der NDF erhöht ist und die Leistung ansteigt,“ sagt Johanna Zeitz.

Eine weitere Möglichkeit: Futterzusatzstoffe. In Frage kommen etwa ätherische Öle, wie sie in Oregano vorkommen, allerdings räumt Johanna Zeitz ein: „Oregano kiloweise an Kühe verfüttern, wer soll das bezahlen?“

Schwefelhaltige Verbindungen wurden getestet, Knoblauch zum Beispiel „funktioniert im Labor sehr gut, in der Praxis aber nicht.“ Als höchst wirksam dagegen erweist sich die Gabe von Nitrat mit dem Futter. „Nitratreduktion wird immer vor der Methanbildung ablaufen, weil sich daraus mehr Energie gewinnen lässt“, erklärt Johanna Zeitz. Auch dazu gibt es Zahlen: Bei Versuchen mit Lämmern bewirkte die Gabe von 2,6 Prozent Nitrat in der Trockenmasse einen Rückgang der Methanemissionen von 32 Prozent. „Hier haben wir tatsächlich den einzigen Fall, wo die Methanemissionen sinken“, sagt Johanna Zeitz. Allerdings tut sich auch hier ein Konflikt auf, denn aus dem zugesetzten Nitrat kann das höchst schädliche Nitrit entstehen mit der Bildung von Methämoglobin, was die Sauerstoffbindung des Blutes blockiert. Anzuraten sei das Verfahren nur bei dafür adaptierten Tieren. Oder man setzt Sulfat als weiteren Zusatzstoff ein. Im zitierten Versuch erreichte eine Gabe von zusätzlich 2,6 Prozent Sulfat in der Trockenmasse einen weiteren Rückgang der Methanemissionen von 16 Prozent. In der Summe konnten die Methanemissionen dann um fast die Hälfte verringert werden, und der Zusatz von Sulfat unterband vollständig die Bildung von Methämoglobin.

Wäre bereits daran zu denken, Nitrat als Ersatz für Harnstoff in der Fütterung einzusetzen? Verbraucher wären damit kaum zu begeistern, und auch Peter Heinze, Schafzüchter aus Lohra, merkte im Seminar Nutztierwissenschaften an: „Nitrat an Wiederkäuer verfüttern, damit deren Methanausstoß sinkt, da sträuben sich mir die Nackenhaare“.

Bleiben noch pflanzliche Stoffe, etwa Tannine, die – ebenso wie manche Fette – komplexe, Wasserstoff bindende Strukturen aufbauen. So konnte die Gabe von 3 Prozent Tanninen in der Ration bei neun Monate alten Mastbullen deren Methanemissionen um 24 Prozent senken. Allerdings: Die Kosten für den Tanninextrakt betrugen etwa 6 Prozent des späteren Schlachterlöses der Tiere. Einen guten Effekt erzielte auch Traubentrester in der Fütterung, sowohl als getrockneter, pelletierter Trester, als auch bei Gabe als Silage. In Frage kommen auch Esparsetten-Tannine und generell zeige sich: „Tropische Pflanzen haben höhere Tannin-Konzentrationen“. Gesucht sind jetzt möglichst preiswerte Nebenprodukte oder agronomisch interessante tanninhaltige Futterpflanzen. Allerdings unter einer Voraussetzung: Die Leistung der Tiere darf dadurch nicht sinken, dann „kann der Einsatz von Tanninen eine Möglichkeit sein, um die Methanemissionen zu reduzieren,“ sagt Johanna Zeitz. Für die Einflussmöglichkeiten über die Tierernährung nennt sie eine Größenordnung von 10 bis 15 Prozent weniger Methan pro kg Produkt. Alles in Allem „sind schon ein paar Ansätze vorhanden“, sagt die Gießener Tierwissenschaftlerin, aber weniger, als man in der Literatur davon lesen kann.

Emissionen in Zusammenhang mit der Leistung sehen

Einhellig bestand im Seminar die Auffassung, dass man die Methanemissionen aus der Tierhaltung immer im Zusammenhang mit der Leistung des Tieres sehen muss. Der Emissionswert muss sich also stets auf die produzierte Menge Lebensmittel beziehen und nicht auf das einzelne Tier und Prof. Klaus Eder, Institut für Tierernährung und Ernährungsphysiologie, findet: „Das Effektivste ist eine Kuh, die eine hohe Leistung bringt.“ Extensivierung zur Reduktion der Methanemissionen ist für ihn kein Weg: „Die Kuh gibt 5 000 Liter Milch, ist gesund und der Landwirt ist pleite, das ist nicht zielführend.“

 – LW 45/2015