Zuckergehalte im Pferdeheu

Vorsicht vor bittersüßen Überraschungen!

Hohe Zuckergehalte im Heu führen bei Pferden zu teils erheblichen gesund- heitlichen Problemen. LLH-Grünlandberaterin Katharina Weihrauch gibt Praxistipps, wie die Ernte zuckerarmer Heukonserven gelingen kann, und Dr. Anna Techow (LLH, Fachinformation Pflanzenbau) erläutert, wie der Klimawandel dazu beiträgt, dass sich die Zuckergehalte im Grünfutter erhöhen können. Sandra Höbel vom LLH-Beratungsteam „Ökologischer Pflanzenbau“ erklärt, welche Art von Futterproben sinnvoll sind und wo beziehungsweise zu wel- chen Kosten diese analysiert werden können. Worauf im Hinblick auf die Fütterung zu achten ist und welche Vorerkrankungen das Risiko steigern, beschreibt die LLH-Pferdefütterungsexpertin Dr. Christiane Rittershaus.

Mischproben aus verschiedenen Konserven sollten nur bei zeitgleicher Ernte und ähnlicher Bestandes-Zusammensetzung gezogen werden.

Foto: LLH

Die Auswertung aller 2020 bei der LUFA Nord-West eingegangen Heu- und Heulage-Proben zeigt, dass die Fruktan- und Gesamtzuckergehalte seit 2016 steigen und die Zielwerte im Mittel teiweise deutlich überschritten werden. Doch welche Stellschrauben gibt es im betrieblichen Grünland- und Erntemanagement, um den Gesamtzuckergehalt in der Konserve zu beeinflussen? Im Folgenden einige Tipps zum Grünland- und Erntemanagement.

Artenzusammensetzung des Bestandes

Obergräser, wie das Wiesenlieschgras, der sehr früh reife Wiesenfuchsschwanz und das ausgesprochen trockentolerante Knaulgras, sind besonders geeignet, um zuckerarme Heukonserven zu produzieren. Nachsaaten, zum Beispiel nach Mäuse- oder Schwarzwildschäden, sollten möglichst mit geprüften Mischungen durchgeführt werden, die sich in Mittelgebirgslagen bewährt haben. Die GIV (Grünlandmischung 5), ein besonders für Trockenlagen geeignete Mischung mit 40 Prozent Knaulgras und 15 Prozent Lieschgras, zeigt in offiziellen Mischungsvergleichen hohe Trockenmasseerträge bei moderaten Fruktangehalten (4,5 Prozent in der Trockenmasse). In jedem Fall lohnt sich ein Blick in die Sortenempfehlung für Dauergrünland unter llh.hessen.de/pflanze/gruen....

„Bierflaschenhöhe“ – etwa 30 cm Aufwuchshöhe – gilt in der Praxis als Faustregel für den Weideaustrieb. Bei untergrasreichen Beständen mit hohen Anteilen an Wiesenrispe oder Deutschem Weidelgras sind die Samenstände allerdings ein geeigneteres Merkmal, um das Entwicklungsstadium beziehungsweise die Erntereife des Aufwuchses zu bewerten. Die Zucker-, übrigens auch die Rohproteingehalte, sind im frischen Frühjahrsaufwuchs zu Vegetationsbeginn besonders hoch. Im Vegetationsverlauf, wenn die Gräser von der vegetativen in die generative Phase übergehen und den Samenstand schieben, steigen die Rohfasergehalte, während die Energie- und Proteingehalte zurückgehen. Das Gras wird alt – spätes Pferdeheu.

Entwicklungsstadium des Aufwuchses

Wenn etwa 75 Prozent der Gräser den Samenstand gebildet haben, ist der Erntezeitpunkt für strukturreiches Heu erreicht, das 27 bis 32 Prozent Rohfaser in der Trockenmasse enthalten sollte. Je nach Höhenlage und Jahresverlauf ist dieses Entwicklungsstadium etwa Mitte Juni erreicht.

Wird deutlich später, beispielsweise erst im August geerntet, kann der Aufwuchs zum Beispiel durch anhaltende Dürre weiter Zucker einlagern und damit hohe Fruktangehalte und außerdem bereits am Halm eine erhebliche Schimmelpilzbelastung aufweisen. In niederschlagsreichen Jahren wird hingegen häufig frühzeitig geerntet, weil die Bestände bereits vor der Blüte ins Lager gehen. Lagerbildung entsteht besonders schnell auf gut versorgten Flächen mit hohem Ertragspotenzial.

2021 wurden vor allem Bestände, die aufgrund der Ertragsausfälle der letzten Trockenjahre stärker gedüngt wurden, im Schnitt etwa vier Wochen früher geerntet. Gleichzeitig war die Pflanzenentwicklung lange temperaturbedingt gehemmt. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Futterqualität.

Die Schnitthöhe nicht zu niedrig wählen

Besonders hohe Fruktangehalte werden in den untenliegenden Reserveorganen der Pflanze gemessen. Daher sollte auf eine ausreichende Schnitthöhe von 8 bis 10 cm geachtet werden. Dies gilt insbesondere auf reinen Schnittflächen. Durch die oft nur zweimalige Mahd, wachsen die Pflanzen senkrecht nach oben und können bei zu tiefer Nutzung empfindlich und nachhaltig geschädigt werden. Mit steigender Beweidungsintensität ist zu beobachten, dass die Gräser zunächst parallel zum Boden wachsen, und erst das zweite bis dritte Blatt dann nach oben ragt.

Die Witterung zur Ernte und Einfluss der Tageszeit

Vom Anweiden im Frühjahr ist bekannt, dass die Zuckergehalte im Aufwuchs an bedeckten Tagen mit Nachttemperaturen oberhalb von zehn Grad besonders gering sind und sich diese Bedingungen somit bestens zur Pferdeheugewinnung eignen.

Wenn Heu via Bodentrocknung erzeugt werden muss und keine Möglichkeit der Nach-trocknung besteht, wird der Erntezeitpunkt oft vom Wetterbericht und der Verfügbarkeit des Lohnunternehmers beziehungsweise der Erntehelfer vorgegeben. Auf einigen Betrieben erfolgt die Heuwerbung daher in Etappen. Diese unterschiedlichen Erntezeitpunkte sind bei der Probennahme unbedingt zu berücksichtigen.

Außerdem sollte, wenn etwa aufgrund von anhaltender Trockenheit hohe Fruktangehalte zu erwarten sind, die Ernte möglichst bald und in den frühen Morgenstunden erfolgen (nicht auf „Heu-am-Halm“ warten). Fruktan ist ein Photosyntheseprodukt und wird tagsüber besonders bei starker Sonneneinstrahlung gebildet (Assimilation). Nachts sinken die Gehalte durch die Pflanzenatmung (Disassimilation), wenn ausreichend Temperatur und Wasserversorgung vorhanden sind.

Moderate Stickstoffversorgung

Versuche haben gezeigt, dass eine moderate Stickstoffdüngung von etwa 30 bis 60 kg N/ha bei ansonsten identischen Wuchs- und Erntebedingungen zu geringeren Zuckergehalten führt. Der Trockenmasseertrag steigt durch die zusätzliche N-Gabe, sodass ein Verdünnungseffekt bezüglich des Zuckergehaltes erzielt werden kann.

Gleichzeitig können diese Konserven aber auch höhere Rohproteingehalte aufweisen, was bei der Fütterung stoffwechselbelasteter Tiere ebenfalls zu beachten ist und wiederum die Notwenigkeit einer aussagekräftigen Futteranalyse unterstreicht.

Qualitätsschwankungen durch den Klimawandel

Die Raufuttersicherung in der Pferdehaltung wird zukünftig auch durch den Klimawandel vor weitere Herausforderungen gestellt. Verschiedene Klimamodelle gehen für Deutschland davon aus, dass Hitze- und Trockenperioden zunehmen. Die Jahresniederschläge werden sich anders verteilen, sodass weiterhin bereits im Frühjahr (2019), im Sommer (2018) und auch im Herbst (2020) noch mit Trockenstress zu rechnen ist. Hingegen ist für den Winter mit einer Zunahme an Niederschlägen zu rechnen. Grünland wird von diesen Szenarien in unterschiedlicher Art und Weise beeinflusst. Hierbei spielen vor allem die Flächenexposition (zum Beispiel Nord- oder Südhanglage), die Bodenart sowie der Grundwasseranschluss und die botanische Zusammensetzung des Pflanzenbestandes eine entscheidende Rolle.

Schon jetzt haben Wetterereignisse wie Hitze, Trockenheit und Starkregen mancherorts zu erheblichen Ertragseinbußen geführt. In Zukunft werden sich der Klimawandel und seine Folgen noch weiter verstärken, sodass es immer häufiger zu ungünstigen Wetterlagen kommen wird. Auch Qualitätsmängel in der Heuernte werden bei extremen Witterungsbedingungen immer wahrscheinlicher.

Bei bestimmten Gräsern kann es bei trockenheits- oder kältebedingtem Wachstumsstau und starker Sonneneinstrahlung unter anderem zu starker Fruktanbildung kommen. Dies ist bisher vor allem aus dem Frühjahr bekannt, wenn bei warmen Tagestemperaturen die Sonneneinstrahlung hoch ist, aber die Nächte weiterhin sehr kalt bleiben. In diesem Fall wachsen leistungsfähige Gräser, wie zum Beispiel Weidelgräser, sehr langsam, während sie gleichzeitig Zucker als Fruktan einlagern.

Auch im Sommer können Fruktangehalte stark ansteigen, insbesondere bei Trockenheit, wenn Phasen verminderten Wachstums mit einer hohenSonneneinstrahlung zusammentreffen. Die Pflanzen lagern dann Zucker ein, ohne zu wachsen und die Gehalte entsprechend zu verdünnen. Weiden und Mähwiesen mit hohen Anteilen von Deutschem Weidelgras sind besonders betroffen. Knaulgras, Wiesenschwingel oder Wiesenlieschgras lagern im Vergleich weniger Fruktan ein. Grundsätzlich kommen artenreiche Bestände zwar besser mit extremer Witterung zurecht, dennoch bedarf es genauer Futteranalysen, um Qualitätsschwankungen abzuschätzen und eine bedarfsgerechte Fütterung sicherzustellen.

Futteranalysen für eine optimale Rationsgestaltung

Die jährliche Heuanalyse sollte frühestens sechs Wochen nach der Ernte durchgeführt werden. Dann sind Nacherwärmungs- und Fermentationsprozesse abgeschlossen, die Ballen haben ausgedünstet, einen stabilisierenden Konservierungsprozess durchlaufen und können verfüttert werden. Durch Witterungseinflüsse während der Wachstumsphase des Grünfutters, kann es in jedem Jahr zu Abweichungen beim Zucker- und insbesondere Fruktangehalt kommen. In Abhängigkeit vom Zuckergehalt verändert sich auch der Energiegehalt, sodass es bei nicht angepasster Futtermenge schnell zu gravierenden Veränderungen in der Grundkondition der Tiere kommen kann.

Viele Labore (LHL, Agrolab, Raiffeisen Laborservice, Lufa Nord-West etc.) bieten inzwischen Analysen für Frisch- und Trockenfutter wie Heu, Heulage oder Stroh an. Teilweise werden auf Basis der Untersuchungsergebnisse auch Fütterungsempfehlungen gegeben. Die Kosten belaufen sich auf zirka 45 bis100 Euro pro Probe, je nachdem, wie viele Parameter analysiert werden. Von alternativen Bestimmungsmethoden, beispielsweise mittels Weinrefraktometer, wird abgeraten, da die Fehlerquellen vielfältig sind und damit das Risiko für Fehlinterpretationen hoch ist.

Es kann sinnvoll sein, sich mit anderen Tierhaltern einer Gemarkung die Kosten der Untersuchung zu teilen. So bekommen alle einen Überblick über die Inhaltsstoffe der aktuellen Ernte. Damit die Probe für alle Beteiligten aussagekräftig ist, sollte sie von Konserven gezogen werden, deren Pflanzenbestand und Schnittzeitpunkt ähnlich ist.

Zur Gewinnung aussagekräftiger Proben wird von mehreren Ballen einer Charge aus dem Inneren (frisches) Heu entnommen, aber frühestens sechs Wochen nach der Ernte. Die genaue Menge richtet sich nach der geplanten Untersuchung und wird vom Labor vorgegeben. Die Mischprobe wird in einem sauberen, trockenen Eimer gesammelt und anschließend gut durchmischt, bevor sie in einen Papier- oder Baumwollbeutel umgefüllt und zum Versand vorbereitet wird. Von der Verwendung von Plastiktüten ist abzusehen, da es hier unter Umständen zu einem „Schwitzen“ der Probe kommen kann und so das Ergebnis verfälscht wird.

Leistungsangepasste Fütterung auch von vorerkrankten Tieren

Zucker ist für das Pferd, genau wie für den Menschen, eine schnell verfügbare Energiequelle und zählt, wie auch die Stärke, zu den leicht verdaulichen Kohlenhydraten. Damit das Pferd gesund bleibt, ist ein Gleichgewicht aus Nährstoffaufnahme aus dem Futter und dem Nährstoffverbrauch durch Bewegung (Haltung und Arbeit/Training) essentiell. Bei einer dauerhaft zu hohen Zuckeraufnahme können sich, neben der allgemeinen Gewichtszunahme, Fettdepots vor allem am Mähnenkamm, vor der Schweifrübe und im Bereich des Schlauchs beziehungsweise Euters entwickeln. Damit ist der Weg zu einer Entgleisung des Pferdestoffwechsels bereitet.

Besondere Vorsicht ist bei der Fütterung vorerkrankter Tiere geboten:

  • Das Equine Metabolische Syndrom (EMS) hat viele verschiedene Symptome, wobei – neben den typischen Fettpolstern – die Hufrehe am häufigsten auftritt.
  • Beim Equinen Cushing Syndrom (ECS) gibt die Hirnanhangdrüse zu viele Hormone ab, wodurch der Zuckerstoffwechsel gestört wird.
  • Die Polysaccharid-Speicher-Myopathie (PSSM) ist ein erblicher Enzymdefekt. Die Symptome entsprechen denen des „Kreuzverschlags“ und sind für das Pferd sehr schmerzhaft. Nachgewiesen wird PSSM Typ I durch einen Gentest, PSSM Typ II durch eine Muskelbiopsie. Wird zusätzlich zu Grundfutter weitere Energie benötigt, sollte diese aus Komponenten mit erhöhtem Fettanteil bezogen werden.

Die genannten Erkrankungen sind nicht heilbar, aber den Pferden kann durch angepasste Fütterung, Haltung und Bewegung geholfen werden.

Für alle Pferde und Ponys, sowohl gesunde als auch solche mit einer krankheitsbedingten Vorbelastung, bedeutet eine stoffwechselgerechte Fütterung: Heu mit einem Zuckergehalt unter 10 Prozent in der Trockenmasse und einem Fruktangehalt unter 5 Prozent. Als Faustregel für die tägliche Heumenge gilt: 2 Prozent Heu bezogen auf das Idealgewicht des Pferdes. Bei übergewichtigen Pferden kann die Heumenge auf 1,5 Prozent reduziert, sollte dann aber mit weiteren Strukturfuttermitteln zum Beispiel mit 0,5 Prozent Futterstroh ergänzt werden.

Bei erkrankten Pferden sollten die Zuckeraufnahme noch weiter reduziert werden. Wenn kein sehr zuckerarmes Heu zur Verfügung steht, kann der Zuckergehalt durch das Waschen des Heus reduziert werden. Dazu wird die entsprechende Menge Heu für eine Stunde in frisches Wasser gelegt und anschließend direkt verfüttert. Dadurch kann der Zuckergehalt des Heus um etwa 30 Prozent reduziert werden. Gesunde, im Training stehende Pferde und Ponys, können kurzfristig einen höheren Zuckergehalt verkraften. Um eine ausgewogene Futterration zusammenzustellen, ist die Heuanalyse jedoch von wesentlicher Bedeutung.

 – LW 43/2021