Zukunftschancen in der Schweinehaltung
Viele Besucher beim Rheinland-Pfälzer Schweinetag
Zahlreiche Facetten einer zukunftsfähigen Schweinehaltung wurden kürzlich am ersten Rheinland-Pfälzer Schweinetag in Rimsberg beleuchtet. Auf Einladung des Netzwerks Fokus Tierwohl kamen Referenten aus Wissenschaft, Beratung und landwirtschaftlicher Praxis zu Wort und gaben der großen Zuhörerschaft Einblicke in ihre Erfahrungen und Erkenntnisse. Das LW war dabei.
„Na, bist du etwa auch noch Schweinehalter? Man muss sich ja direkt freuen, wenn man noch einen Berufskollegen trifft“, begrüßte ein Teilnehmer seinen Bekannten nicht ohne ein Augenzwinkern auf der Fachveranstaltung für Mäster, Sauenhalter und Ferkelproduzenten im rheinland-pfälzischen Rimsberg am vergangenen Freitag. Ob nun die niedrigen Schweinepreise, der sinkende Schweinefleischverzehr oder der gesellschaftliche Image-Druck, Schweinehalter kämpfen derzeit an mehreren Fronten. Antworten auf die Frage, wie ein solcher Spagat bewältigt werden kann, lieferten vier Fachvorträge.So ging es zunächst um die Minderung von NH3-Emissionen mittels Stickstoff- (N) und Phosphor- (P) reduzierter Fütterung. Online zugeschaltet war dazu Dr. Reinhard Puntigam von der Landesversuchsanstalt im bayrischen Grub. Er gab zu bedenken, dass die Wirkungsweise der wertvollen Aminosäuren im Schweinekörper durch eine reduzierte Menge an Rohprotein im Futter herabgesetzt wird. Das optimale WachstumsÂpotenzial der Tiere sei so nicht ausgeschöpft. „Tiere haben eigentlich keinen Proteinbedarf, sondern einen Aminosäurebedarf“, erklärte Puntigam. Daher rät er Landwirten zur Supplementierung von Aminosäuren im Mineralfutter. Eine besondere Rolle nehme hier die essenzielle Aminosäure Lysin ein, welche für die Futterverwertung bei Schweinen sehr bedeutend ist. Hier führte Puntigam an, dass in Sojaschrot beispielsweise bis zu 1,9 Mal mehr verdauliches Lysin vorhanden sei als in Rapsschrot.
Einsparungspotenzial ist durchaus vorhanden
Doch wie lässt sich die Fütterung von Sojaextraktionsschrot (SES) nun konkret einsparen, ohne Wachstumsverluste zu verzeichnen? Studien zeigen, dass Schweine, die gruppenweise mit unterschiedlich reduzierter Menge SES gefüttert wurden, bei einer adäquaten Mineralfutter-Supplementierung keine Unterschiede im Muskelfleischanteil aufwiesen. Es zeigt sich also ein deutliches Einsparungspotenzial beim SES unter Supplementierung. Weiterhin rät Reinhard Puntigam unbedingt zu einer Futteranalyse mittels Nass-Chemie oder Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), da Aminosäuregehalte mit den Jahren im Getreide stark schwanken können. Dieser Aufwand lohne sich jedoch, denn, wie eine weitere von Puntigam vorgestellte Studie zeigt, könne die NH3-Ausscheidung pro zehn Gramm Rohprotein-reduzierter Fütterung um elf Prozent vermindert werden.
Der Versuch, die rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich Emissionsreduzierung einzuhalten, hat starke Auswirkungen auf die Nutztierhaltung, schlussfolgerte Puntigam. Entscheidend, ob diese rechtlichen Vorgaben eingehalten werden können, sei eine hoch effiziente Produktion. Insgesamt mahnt der Referent zu gesamtbetrieblichem Denken und Handeln. Dabei müssen Pflanzenbau, Futterwirtschaft und Tierernährung gekonnt verknüpft werden.
Einblicke in den Praxisalltag gab daraufhin der Landwirt Julian Pfaar, der im nordhessischen Kirchberg einen Mastbetrieb mit insgesamt 800 Plätzen an zwei Standorten führt. An einem der Standorte realisierte der Landwirt einen Umbau seines Maststalles und erfüllt nun die Kriterien der Haltungsstufe drei. Ausschlag dazu gab unter anderem der regionale Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der Strohschweine suchte. Nach vielen Diskussionen mit seinem Berater, Besuchen auf Vorbild-Betrieben und intensiver Recherche stellte sich heraus, dass sich das Strohschwein-Projekt für Julian Pfaar tatsächlich rentieren könnte. Nachdem der LEH das von Pfaar vorgestellte Konzept befürwortete, begannen die Umbaumaßnahmen. Allerdings gab es zwei Punkte, die die Investitionskosten für den Umbau im überschaubaren Maß hielten: Zum einen baute Pfaar mit Unterstützung befreundeter Helfer den Stall komplett in Eigenleistung um. Zum anderen kaufte der Landwirt die benötigten Wiegeschleußen, die dem Landwirt bei der täglichen Arbeit viel Zeit sparen, wie auch andere Baumaterialien gebraucht über Kleinanzeigen. Mithilfe dieser Maßnahmen konnte der Landwirt die Kosten für den Umbau auf 41 035 Euro reduzieren und generiert damit eine bessere Erlössituation für seinen Betrieb. Durch den Strohbonus erhält Julian Pfaar zwanzig Cent mehr pro Kilogramm Schlachtgewicht (kg SG).
Der Landwirt hat den direkten Vergleich, denn an seinem zweiten Betriebsstandort arbeitet er konventionell. Direkt gegenübergestellt liegt der Erlös für ein kg SG Strohschwein bei 1,66 Euro, während der Erlös pro kg SG für konventionelle Wirtschaft bei 1,30 Euro liegt. Für seine Strohschweine generiert Pfaar bei einem Aufwand von 11,47 Euro, einen Überschuss von 33,69 Euro. Bei den konventionellen Schweinen liegt der Aufwand bei 5,62 Euro und der Überschuss bei 3,66 Euro. Mit vergleichsweise wenig Umbaumaßnahmen konnte Pfaar ein höheres Maß an Tierwohl realisieren und die Erlössituation verbessern. Ebenfalls ist das Feedback der Bevölkerung positiv; oft kommen Kindergartengruppen und Schulklassen zu Besuch auf den Betrieb.
Auf kritische Nachfrage aus der Zuhörerschaft erklärte der Schweinemäster, dass der LEH keine Verträge bereitstellt, die eine Abnahme auch in Zukunft garantieren. Jedoch wird nach Einschätzung des Landwirts die Haltung auf Stroh unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Akzeptanz früher oder später zum Standard werden. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, wird die Zukunft zeigen, ob er seinen zweiten Stall auch noch für Strohschweine umbaut.
Neubau zu 60 Prozent staatlich gefördert
Weitere Einblicke in Umbaumaßnahmen lieferte der baden-württembergische Sauenhalter und Ferkelproduzent Marcus Wilhelm. Er konnte 2020 den Bau eines Deckzentrums auf seinem Betrieb realisieren, bei dem viele Tierwohl-Aspekte berücksichtigt wurden. Neben Beckentränken, Heuraufen und Niederdruckverneblern, stehen den Sauen und Ferkeln auf dem Betrieb Wilhelm zudem Stroh und Bürsten zur Verfügung.
Durch das Gruppensäugen haben die Ferkel die Möglichkeit, schon früh in Kontakt mit anderen Ferkeln zu kommen. Der Bau des Deckzentrums wurde zu 60 Prozent staatlich gefördert. Allerdings mit der Bedingung, den Stall danach auch für Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Deshalb ist im Stallgebäude auch ein Besucherraum integriert, der durch eine große Fensterfront detaillierte Einblicke in die Tierhaltung ermöglicht.
Momentan steht die Landwirtsfamilie in den Startlöchern, um beim Hofglück-Programm des regionalen LEH einzusteigen. Um Teil des Programms zu werden, müssen die Teilnehmer ihren Tieren unter anderem ein freies Abferkeln, eine feste Fläche und Einstreu zur Verfügung stellen. Der Ferkelproduzent experimentiert nun damit, den Abferkelbereich als Bewegungsbucht einzurichten.
Auf der Suche nach dem Mittelweg für Konsumenten
Das Hofglück-Programm soll ein Mittelweg sein: Das vermarktete Fleisch ist nicht so teuer wie das biologisch produzierte Pendant, stammt aber aus einer Haltung, die den Tierbedürfnissen in höherem Maße entspricht als in der konventionellen Wirtschaft. Dies soll die Verbraucherwünsche konkret widerspiegeln. Die Teilnahme lohne sich, denn durch das Hofglück-Programm erhält der Ferkelproduzent einen Grundpreis von 85 Euro für ein Ferkel von 25 Kilogramm.
Der Zuschlag für ein freies Abferkeln liegt bei 15 Euro pro Ferkel. „Das macht die Sache natürlich finanziell interessant“, erklärte Marcus Wilhelm. Auch an dieser Stelle stellt sich die Frage, wie verlässlich diese Zahlungen denn nun sind? Das sei ungewiss, erklärte Markus Wilhelm. Die Zahlungssicherheit unterliegt unter anderem zukünftigen politischen Entscheidungen und der künftigen Entwicklung der Baupreise.
Preisexplosionen machen Umbauten derzeit schwer
Die aktuell sehr hohen Kosten für Baumaterialien waren auch Gegenstand des Vortrages von Wilfried Brede, Berater für Schweinehaltung bei der Serviceteam Alsfeld GmbH. Die Preisexplosion macht größere Umbau-Maßnahmen für die meisten Schweinehalter derzeit meist unmöglich. Soll dennoch ein Umbau realisiert werden, riet der Experte zu einer systematischen Herangehensweise unter Berücksichtigung folgender Aspekte:
- Betriebliche Leistungsdaten genau ermitteln und analysieren
- Vermarktungspotenziale erkennen und prüfen
- Bauvorhaben skizzieren
- Bauvorhabens gemeinsam mit Architekt intensiv prüfen
- Bauunterlagen erstellen
- Betriebswirtschaftliche Kalkulationen anstellen
- Finanzierungsmöglichkeiten ausloten Umsetzen und konsequent betreiben
„Letztlich ist eine haargenaue Kalkulation die Basis für jegliche Umbauüberlegungen“, erklärte Brede. Dass derzeit immer weniger Schweinefleisch gegessen wird, sollte ebenfalls für Neubauten in Betracht gezogen werden. Brede betrachtet den Umstand, dass die Vorgaben zum Tierwohl zumeist vom LEH kommen, anstatt von staatlicher Seite her, sehr kritisch.
Politisch werde momentan nur nach Ideologie entschieden, so Brede, und ob der Verbraucher für mehr Tierwohl auch mehr zahle, sei auf Dauer zweifelhaft wie die aktuelle Situation zeige.
lmc – LW 46/2022