Es ist an der Zeit, dass wir alle in Berlin aufschlagen
Den Städtern zeigen, was Landwirte tun
Den Westpfälzer Bauern reicht es. Bei der Kreisversammlung Kaiserslautern im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd war der Unmut an der Agrarpolitik aber auch am Verbraucherverhalten nicht zu überhören. Deutlicher zeigen was Landwirte wirklich tun und, wenn nötig, geschlossen demonstrieren, lautete die Ansage vom Kreisvorsitzenden Jürgen Vogelgesang.

Foto: Ohliger
Beim traditionellen Jahresrückblick auf die Geschehnisse des vergangenen Jahres, unterstrich der Kreisvorsitzende Jürgen Vogelgesang vor allem die Bedeutung eines gelungenen öffentlichkeitswirksamen Auftritts des Berufsstandes. So sei die Aktion „Triff Deinen Bauern“, bei der die West- und Nordpfälzer Bauern im September in der Kaiserslauterer Fußgängerzone den Verbrauchern Rede und Antwort standen, sehr gut angekommen. Es gab Verständnis auf beiden Seiten, so Vogelgesang. Daran müsse man anknüpfen. Vogelgesang schloss eine Wiederholung des direkten Dialogs mit den Verbrauchern nicht aus. „Das hat gut funktioniert. Es ist ein guter Ansatz, das sollten wir ausbauen“, so der Kreisvorsitzende.
Die Landwirtschaft nicht abhängen
Andy Becht, Staatsekretär im Mainzer Landwirtschaftsministerium, der Gastredner des Abends, äußerte Verständnis für die Landwirte. „Ich kann ihre Zukunftssorgen nachvollziehen.“ Ein Satz den er im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die Perspektiven der Bauern mehrfach anklingen ließ. „Wir wollen die bäuerliche Landwirtschaft“, sprach der Mainzer Politiker von einer Zukunft, die er gleich noch genauer zeichnete und gar von einer „familiären, professionell geführten bäuerlichen Landwirtschaft“ redete. Er sprach auch davon, dass Ländlichkeit nicht abgehängt werden dürfe und dass staatliche Einwirkung in die Märkte generell nicht wirklich sinnvoll sei. „Märkte regulieren sich grundsätzlich besser allein als unter Einwirkung“, ist der Staatssekretär überzeugt.
Der Verbraucher muss sich endlich bewegen
Überzeugt ist er auch davon, dass sich der Verbraucher endlich bewegen müsse. „Verbraucheramnesie“, nennt Becht das Verhalten vieler Menschen, die bekunden für Qualität, regionale Produkte und vor allem für mehr Tierwohl, auch mehr bezahlen zu wollen und es im Laden dann doch nicht tun. Zur Perspektive für die Westpfalz gehören für den Staatssekretär auch die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz und die Digitalisierungsanpassung. Das werde in Mainz sehr ernst genommen.
Nun war es nicht so, dass die Bauern die Mühen von Andy Becht und seinem Einsatz in Berlin und Brüssel nicht anerkannten. Sie verfolgten seine Ausführungen teilweise auch mit zustimmendem Nicken. Die Thematik um den Wegfall der Ausgleichszulage in den benachteiligten Gebieten der Nord- und Westpfalz brachte die Landwirte allerdings auch in diesem Jahr erneut auf die Palme. Da nutzte es auch nicht viel, dass Becht versprach bei der jetzt anstehenden Feinabgrenzung weiter zu prüfen. Die Agrarpolitik stehe derzeit im Zeichen der Ökologisierung. „Das kann ich nicht beschönigen“, gab der Politiker zu.
Es war nicht nur das Streichen der Ausgleichzulage, der den Frust der Bauern offensichtlich überquellen ließ. Die Westpfälzer halten dem Staatssekretär, der ihnen ihre eigenen Perspektiven aufzeigen sollte entgegen, dass die regionalen Produkte vom Verbraucher und den Behörden mit Argusaugen beobachtet und kontrolliert werden. Komme das Lebensmittel von außen, sei dagegen alles gut. Ländlicher als in weiten Teilen der Westpfalz gehe es kaum und dennoch fehle hier die Unterstützung, im Gegenteil gerade hier auf den mageren Böden sei die Ausgleichzulage gestrichen worden. Das schmerze. War doch die Ausgleichszulage einst ein EU-Instrument, um große Unterschiede innerhalb Europas Landwirtschaft aufzufangen. Zudem sei der Breitbandausbau an vielen Orten noch immer ein Desaster. Bauer sein bedeute nicht nur strengste Überwachung, sondern vor allem stülpe man ihm eine Reglementierung über, die nicht einmal verlässlich sei, sondern zunehmend variiere, schimpften die Bauern über Vorgaben, die heute gelten und morgen schon wieder außer Kraft sind.
Die Westpfalz sei abgehängt, hier fehle die Infrastruktur, keine Mühlen, keine Getreideannahmestelle, kein Viehmarkt mehr sei vorhanden. In einer solchen Region könne ein freier Markt nichts mehr regeln. „So haben wir keine Chance“, hielten die Bauern den wohlfeilen Worten des Politikers entgegen. Außerdem reiche das Einkommen, das fern eines Mindestlohnes sei wirklich nicht aus, um die von Mainz anvisierte „professionelle bäuerliche Landwirtschaft“ zu betreiben. Professionell zu sein, könne sich kaum einer leisten. Dafür müsse sich der gut ausgebildete Bauer ständig belehren lassen, wie er etwa seine Pflanzenschutzgeräte zu bedienen habe.
Die Westpfälzer Bauern sind bedient auch weil die grüne Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken in Berlin vor versammelter Runde die Landwirtschaft nur noch mit Umweltverschmutzung statt mit Ernährung der Menschen in Verbindung brachte. Auch das geben sie dem Staatsekretär Becht (FDP) mit auf den Weg.
„Die Zeit ist reif“, appellierte deshalb der Kreisbauernvorsitzende Jürgen Vogelgesang abschließend an seine Berufskollegen sich deutlicher öffentlich darzustellen. Einmal mit einer authentischen Information über das, was hier in der Region Bauer sein bedeute aber auch mit der Bereitschaft zusammenzustehen und sich gemeinsam zu wehren. „Es ist an der Zeit, dass wir alle in Berlin aufschlagen und unsere Anliegen zu Gehör zu bringen“, kündigte denn auch Bauernpräsident Eberhard Hartelt eine baldige Großdemo der Bauern im politischen Berlin an.
Doris Theato – LW 8/2019