Schwarz für die Tierhaltung, Bahn frei für Photovoltaik

Kreisversammlung Kaiserslautern in turbulenten Zeiten

Bei der ordentlichen Vertreterversammlung des Kreises Kaiserslautern im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd zu Beginn der vergangenen Woche sagte der Kreisvorsitzende Jürgen Vogelgesang: „Ich sehe schwarz für die Tierhaltung und offene Schranken für die Erneuerbaren Energien.“ Ein Umstand, der an dieser Stelle genauer betrachtet wird.

Der Kreisvorsitzende Kaiserslautern und Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Jürgen Vogelgesang, bangt um die wenigen Ackerflächen in der Region.

Foto: bwv

„Wir sind nicht gegen die Erneuerbaren Energien, doch die derzeitigen Regelungen für den Ausbau der Erneuerbaren führen zu einem Verlust an wertvollem Ackerland, den wir nicht hinnehmen können“, sagt Vogelgesang im Interview mit das LW. Die Landwirtschaft habe Verständnis, wenn die Angebote der im Energiemarkt agierenden Firmen genutzt werden. Problematisch sei, dass derzeit vor allem Photovoltaikanlagen auf Ackerland platziert werden, obwohl gen Süden ausgerichtetes Grünland auf Böden von geringerer Güte aus Sicht der Landwirtschaft besser geeignet wäre.

Projektierer wollen auf Ackerland

Aus Sicht der Projektierer ist der Status „Ackerland“ im Grundbuch von Vorteil, da dann ein Ausgleich entfallen kann und die PV-Anlage deutlich günstiger und vor allem schneller zu bauen ist. „Hier liegen Rahmenbedingungen vor, die schnellstmöglich geändert werden müssen“, betont Vogelgesang.

Der Ärger der Landwirte geht darüber hinaus. Für Siedlung und Gewerbe werden immer noch enorme Flächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen, doch es werden keine Auflagen erhoben, PV auf die Dächer oder Parkplätze zu bauen. Besonders im Raum Kaiserslautern gebe es mit dem neuen Amazon-Logistikzentrum einen riesigen Flächenverlust durch die Halle des Onlineriesen, die optimal mit PV-Modulen bestückt werden könnte. Liest man die Pläne der Bundesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, werde immer wieder betont, dass bereits versiegelte Flächen und Dächer zuerst bestückt werden sollen. Die Realität sieht anders aus. Die Projektierer möchten möglichst schnell ohne Hindernisse Anlagen von fünf bis zehn Hektar realisieren, erklärt Vogelgesang. Aus Sicht der Projektierer sei das Vorgehen nachvollziehbar, sich nur mit einem oder einigen wenigen Landwirten zu befassen statt Hunderten von Eigenheimbesitzern. Dass dabei die Politik still zusehe, liege im eigenen Interesse, den Bruttostromverbrauch bis 2030 zu mindestens 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu generieren. Derzeit liegt dieser bei 41 Prozent, ist den Zahlen des Umweltbundesamtes zu entnehmen.

Andy Becht, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz, betonte in seinem Vortrag zwar, dass die Landesregierung die regionale Tierhaltung erhalten möchte, konkrete Lösungen für die aktuellen Probleme hatte er nicht im Gepäck.

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Die Landwirte der Kreisversammlung in Kaiserslautern können das nicht nachvollziehen. Wird eine PV-Anlage auf den Acker gestellt, kann dieser Acker nicht mehr für die Lebensmittelproduktion genutzt werden. Er werde eingezäunt und sei damit auch nicht mehr für Wildtiere zugänglich. „Es geht wertvolles Ackerland verloren, das nicht mehr zur Lebensmittelproduktion zur Verfügung steht. Damit werden zukünftig die Lebensmittelpreise erst recht steigen“, prognostiziert Vogelgesang, „es sei eine logische Konsequenz, die derzeit keiner sehen möchte.“

Daher müsse PV zuerst auf Parkplätze, auf große Hallen in Industriegebieten und auf alle geeigneten Dachflächen in Städten und Dörfern bevor Ackerflächen zugebaut werden, darin waren sich die Landwirte einig.

Traditionell Grünlandregion mit Tierhaltung

Dass die Knappheit der Ackerfläche gerade in der Nord- und Westpfalz zum Problem wird, liegt daran, dass es hier von Natur aus wenig gute Ackerflächen gibt. „Wir gehören zu den benachteiligten Gebieten und sind traditionell eine Region für Grünland mit Tierhaltung“, erläutert Vogelgesang. „Doch ich sehe schwarz für die Tierhaltung, so traurig das ist.“ Seit über 20 Jahren sinken die Zahlen der Tiere und der Tierhalter. Die notwendige Infrastruktur breche weg und damit wird die Tierhaltung für die verbleibenden Betriebe zu einem kostspieligen Hobby. Im Verbandsgebiet des BWV Rheinland-Pfalz Süd gibt es noch zwei Schlachthöfe: Einer in Zweibrücken und einer in Alzey. Die Transporte zu den Schlachthöfen werden teurer, die Gebühren für die Fleischbeschau variieren von Kreis zu Kreis, wobei sie deutlich höher als in anderen Bundesländern sind, und auch die Tierkörperbeseitigung hat die letzten zehn Jahre stets die Preise angehoben. So müssen die Tierhalter hohe Produktionskosten einplanen, die nur über die Direktvermarktung zurückgewonnen werden können. In den Handel gehen rheinland-pfälzische Schweine kaum mehr.

Die teilmobile Schlachtung sei zwar für einen Tierhalter in Stadtnähe durchzuführen, doch für die ländliche Region weit weg vom Verbraucher sei sie keine Lösung, betont Vogelgesang. Von vielen Kollegen weiß er, dass sich die Tierhalter nicht mehr getrauen zu investieren: „Es fehlt ein klares Bekenntnis der Politik zur Tierhaltung in Deutschland. Die Importe aus Spanien steigen seit Jahren, dass die Tiere von dort zehnmal länger unterwegs sind als von hier, interessiert keinen – es ist billiger.“

zep – LW 7/2023