Gut angekommen

Der Protest der Bäuerinnen und Bauern vergangene Woche in vielen Städten ist in diesem Ausmaß in der jüngsten deutschen Geschichte einzigartig. Dass es gelang, so viele Berufskollegen und Sympathisanten zu mobilisieren, hätten sich auch die Organisatoren sicher nicht träumen lassen. Die Mobilisierung war aber auch ein Risiko, denn das Orga-Team verfügte kaum über Erfahrung, wie man solche Veranstaltungen im öffentlichen Raum durchführt. Wer übernimmt Verantwortung, wenn Proteste aus dem Ruder laufen? Das ist nicht geschehen, und auch deshalb sind die Demonstrationen in der Öffentlichkeit größtenteils gut angekommen. In vielen Medien wurde mit Verständnis für die Lage der Bauern und für ihr Verlangen nach Anerkennung berichtet. Für die Teilnehmer vermittelten die Demonstrationen das Gefühl, etwas Großes auf die Beine stellen zu können.

Die drastischen Eingriffe, die durch das Agrarpaket und insbesondere durch das Aktionsprogramm Insektenschutz auf den Betrieben möglich werden, hat das Fass zum Überlaufen gebracht und die Menschen mobilisiert. Die Frage, warum nicht so viele zu den vorangegangenen Demonstrationen, beispielsweise anlässlich der Agrarministertagung in Mainz, gekommen sind, ist deshalb nur Nebensache. Vielleicht war es die neue Form der privaten Mobilisierung, die sich fast ausschließlich auf soziale Medien stützte. Mit den geposteten Videos und den Solidaritätsbekundungen konnten sich schon viele Bauern auf die Veranstaltungen einstimmen. Auch der unkonventionelle Ansatz, etwas außerhalb vom Berufsverband zu organisieren, hatte wohl seinen Reiz.

Die Botschaften sind bei den Politikern angekommen, werden allerdings unterschiedlich interpretiert. Die Ankündigung von Landwirtschaftsministerin Klöck-ner, ein nationales Dialogforum und einen Kongress mit der Kanzlerin einzuberufen, kommt zumindest dem Wunsch der Bauern entgegen, Unterstützung für ihre Forderung nach gesellschaftlicher Anerkennung zu bekommen. Ob sich an dem Agrarpaket etwas ändert, ist eine andere Sache. Umweltministerin Schulze müsste jetzt ihre unsägliche Haltung einer Gesprächsverweigerung aufgeben.

Cornelius Mohr – LW 44/2019