Die Erdkröte
Lurch des Jahres 2012
Die Erdkröte ist nicht nur der bekannteste, sondern auch imposanteste Vertreter unserer heimischen Kröten und Unken. Die Männchen erreichen eine Länge von acht Zentimetern, die wesentlich plumperen Weibchen messen dagegen bis zu 15 Zentimeter.
Im Süden ihres Verbreitungsgebietes lebende Exemplare können es sogar auf 20 Zentimeter bringen. Neben der mit zahlreichen Warzen bedeckten Oberseite bilden die großen, fast halbmondförmigen Ohrdrüsen am breiten Kopf und die goldfarbene Iris der Augen unverkennbare Artmerkmale. Erdkröten sind sehr anpassungsfähig und bewohnen alle erdenklichen Lebensräume, selbst in Hausgärten kann man sie regelmäßig antreffen. Dort verstecken sie sich tagsüber unter Steinen, Holz oder Laub sowie in Misthaufen und Erdlöchern. Nachts machen sie sich durch das Vertilgen zahlreicher Insekten, Asseln, Tausendfüßer, Spinnen, Würmer und vor allem von Schnecken außerordentlich nützlich. Aus gleichem Grund werden Erdkröten zur biologischen Schädlingsabwehr in Gewächshäusern eingesetzt, wo sie ein Alter von über 20 Jahren erreichen können.Liebestolle Freier
Wie alle Amphibien benötigen auch die Erdkröten zur Fortpflanzung ein Laichgewässer, auf das sie von Geburt an „geprägt“ sind. In den ersten wärmeren Frühjahrsnächten mit rund vier Grad CelsiÂus in Bodennähe machen sich die „Frühaufsteher“ unter den Krötenmännchen auf den Weg, während der Haupttross erst bei mindestens acht Grad in Bewegung kommt. Manche Nachzügler versuchen schon auf dem Weg zum Laichplatz sich ein Weibchen zu reservieren, indem sie sich von diesem „huckepack“ zur nassen Örtlichkeit ihrer Hochzeit tragen lassen. Irrtümer sind dabei nicht ausgeschlossen, denn die liebestollen Freier bespringen so ziemlich alles, was entfernt an ein Weibchen erinnert: Erdklumpen, Holzstücke, Schuhspitzen oder hinÂgehalteÂne Finger. Die größte Ähnlichkeit mit dem weiblichen GeÂschlecht haben natürlich die Männchen selbst. Da aber gleichgeschlechtliche Liebe im Tierreich biologisch sinnlos ist, hat die Natur vorgesorgt: Will ein Männchen einen Geschlechtsgenossen umklammern, macht Letzterer durch heftige Abwehrbewegungen mit den Beinen und gleichzeitiges Ausstoßen von „BefreiungsÂruÂfen“ auf das Versehen aufmerksam.
Gewaltiger Männerüberschuss
Das weibliche Geschlecht ist in den Laichgesellschaften der Erdkröten zahlenmäßig stark unterreÂpräsentiert. Das Verhältnis Männchen zu Weibchen beläuft sich im allgemeinen zwischen 3 zu 1 bis 8 zu 1, in ungünstigen Fällen kann die Anzahl der Männchen sogar mehr als das Zehnfache der anwesenden Weibchen betragen. Mit ein Grund für dieses Missverhältnis ist darin zu sehen, dass nicht alle, sondern nur die laichbereiten Weibchen einer Population am Gewässer erscheinen. Ferner setzt bei den Männchen die Geschlechtsreife mit frühestens drei Jahren ein, bei den Weibchen erst ein Jahr später. In diesem Jahr sterben aber viele von ihnen.
Als Mangelware werden die Weibchen nicht selten von mehreren Männchen gleichzeitig geklammert, da sich nicht alle Interessenten von den strampelnden und in hohen Tönen knurrenden „Ehemännern“ abwimmeln lassen, die schon zuvor ihre Besitzansprüche angemeldet hatten. Es entstehen so regelrechte Konglomerate aus Krötenleibern, sogenannte „Krötenzöpfe“, die durch ihr Gewicht auf den Gewässergrund sinken, wo die Tiere dann ersticken.
Am Ziel: Paarung und Eiablage
Nach einigen Tagen Wasseraufenthalt, manchmal aber auch schon früher, beginnen die Weibchen mit dem Ablaichen. Aus der Kloake des Weibchens treten 3 000 bis 8 000 mattschwarze Eier in Form von drei bis fünf Meter langen Doppelschnüren aus, innerhalb deren die Eier je nach Dehnungsgrad der Gallertschnüre in zwei bis vier Reihen angeordnet sind. Die in mehreren Schüben alle 15 bis 30 Minuten ausgestoßenen Laichschnur-Abschnitte werden vom Männchen sofort besamt.
Durch Ausstrecken der Hinterbeine und Durchbiegen des Rückens signalisiert das Weibchen ihrem Partner den Zeitpunkt für die Besamung. Die so entstehenden „Laichgirlanden“ werden zwischen Schilfstengeln, anderen Wasserpflanzen und Ästen aufgehängt. Diese Befestigung verhindert ein Absinken in den Bodenschlamm, wo sich die Eier schlecht oder nicht mehr entwickeln können. Etwa eine Woche nach der Befruchtung schlüpfen die schwarzen Kaulquappen, die gesellig leben und in der flachen UferÂzone meist große Ansammlungen bilden. In Gruppen von hunderten von Tieren ziehen sie in strenger Schwimmordnung durchs Wasser, um gemeinsam zu fressen oder bei Störungen wie auf Kommando gemeinsam zu flüchten. Nach etwa zehn Wochen erscheinen die Hinterbeine, während die Vorderbeine erst kurz vor dem Ende der Metamorphose hervorbrechen. Um diese Zeit sind auch die Lungen ausgebildet. Nach zwei bis drei Monaten haben sich die Kaulquappen in winzige Kröten verwandelt, die in gewaltiger Zahl fast gleichzeitig ihr Laichgewässer verlassen.
Gärten als Refugium
Erdkröten kommen in vielen Landstrichen noch recht häufig vor, doch lassen mehrere Gefährdungsfaktoren auch hier ihre Bestände immer mehr schrumpfen. Neben der Beseitigung, Zerstörung oder Entwertung von Laichgewässern bewirken vor allem verÂkehrsreiche Straßen, die das Sommerquartier der Kröten vom anzuwandernden Laichplatz trennen, einen großen Aderlass bei den Populationen. Die Errichtung von Krötenzäunen, dauerhaften Leiteinrichtungen und Krötentunnels zählt daher nach wie vor zu den wichtigsten Schutzmaßnahmen. Erfreulicherweise nehmen Erdkröten auch Gartenteiche als Laichplatz an, in dem sich sogar Goldfische befinden dürfen. Die Kaulquappen der Erdkröten können nämlich ein übelschmeÂckenÂdes Sekret als „Schreckstoff“ ausscheiden, wodurch sie als Beute für Fische oder Molche uninteÂressant werden. Gartenteiche sind als Kröten-Laichstätte aber nur dann geeignet, wenn sie ein gefahrloses Anwandern der meist 500 bis 1 500 Meter, bisweilen aber noch weiter entfernten Sommerlebensräume der Kröten ermöglichen.
Abweichend von anderen Froschlurchen verschlafen Erdkröten den Winter ab Ende September in fern vom Wasser gelegenen, trockenen Erdhöhlen. Man kann den Kröten auch hier helfen, indem man das Falllaub nicht beseitigt und in Gärten Trockenmauern aus großen Steinen oder Totholzhaufen errichtet, unter denen sich die Tiere frostsichere Winterquartiere graben können.
Helmut Hintermeier