Warum zur Europawahl gehen?

Für einen Landwirt gibt es viele Gründe, mit der europäischen Politik zu hadern. Anlass bieten aktuell die von der EU-Kommission geforderte Nachbesserung der erst vor zwei Jahren novellierten Düngeverordnung, die in Hessen jetzt erst wirksam werdende Neuabgrenzung der benachteiligten Gebiete nach den europaeinheitlichen physikalischen Kriterien, das striktere Kupierverbot bei Schweinen oder die Wettbewerbsverzerrungen durch gekoppelte Zahlungen bei der Zuckerrübenerzeugung. Grund zum Ärgern haben die Landwirte aber auch wegen der offenbar ungebremsten Zunahme der Bürokratie.

Auf der anderen Seite wissen die Bauern, was sie an der EU haben: einen einheitlichen und großen Wirtschaftsraum, in dem sich ihre Erzeugnisse problemlos vermarkten lassen, und eine EU-Handelspolitik, die Absatzchancen auf dem wachsenden Weltmarkt erschließt (allerdings hätte eine erfolgreiche Verhandlung mit den Mercosur-Staaten auch eine Bedrohung für die Agrarwirtschaft sein können). Klar ist den Landwirten auch, dass die gemeinsame Agrarpolitik mit den Zahlungen als Ausgleich für die höheren europäischen Standards wesentlich für das Einkommen ihrer Betriebe ist. In manchen Fällen handelt die EU auch pragmatischer als die zunehmend ideologisch handelnde nationale Politik. Die zonale Zulassung für Pflanzenschutzmittel beispielsweise ist eine sinnvolle Harmonisierung und würde die Verfügbarkeit von Mitteln erhöhen. Sie wird aber von politisch motivierten deutschen Behörden nach wie vor hintertrieben. Ohnehin ist bei aller Europakritik darauf zu achten, was europäisch beschlossen und was national draufgesattelt oder verantwortet wurde. Zu differenzieren ist dabei auch – das kommt in Berichterstattungen oftmals zu kurz – was mit Brüssel gemeint ist, das Parlament, der Ministerrat oder die Kommission.

Gute Gründe, zur Europawahl zu gehen und konstruktiv zu wählen, gibt es also für die Landwirtschaft. Zumal man die Wahl zwischen sehr verschiedenen politischen Ansätzen der Parteien hat (siehe S. 9). Zu beachten ist auch, dass das Parlament Mitsprache bei der Besetzung der Kommission hat, die maßgeblich die neue gemeinsame Agrarpolitik mitgestalten wird.

Cornelius Mohr – LW 19/2019