Die Grünlandbewirtschaftung erhöht die Intensität

Vogelsberger Grünlandtag in Lautertal

Die Flächennutzung in Hessen gewinnt durch größer werdende Tierbestände an Intensität. In einigen Regionen werden inzwischen mehr als zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten, wodurch auch der Flächenbedarf steigt und sich in steigenden Pacht- und Grundstückspreisen widerspiegelt – auch im Grünland. Der Vogelsberger Grünlandtag in Lautertal-Engelrod ging auf die aktuellen Herausforderungen für Grünlandbewirtschafter ein.

Veranstalter und Referenten des Vogelsberger Grünlandtags (v.l.): Alexander Scheld von Alt, Klaus-Dieter Sens, Karl-Heinz Wiech, Dr. Richard Neff und Rainer Even.

Foto: Hildebrandt

„In Zeiten knapper werdender Ressourcen ist es geboten, alle Anstrengungen zu unternehmen, die Intensität der Grünlandbewirtschaftung zu erhöhen, um so die Wertschöpfung zu verbessern“, sagte Verbandsvorsteher Alexander Scheld von Alt vom Wasser- und Bodenverband. Der Veranstalter konnte am 11. März rund 100 Teilnehmer zum Grünlandtag im Dorfgemeinschaftshaus Engelrod begrüßen.

Klaus-Dieter Sens vom Mitveranstaltenden Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) führte in die Veranstaltung ein. Bei Betrachtung der Betriebsergebnisse aus den vergangenen Jahren werde deutlich, dass die Flächennutzung durch größer werdende Tierbestände an Intensität gewinne. In einigen Regionen Hessens würden inzwischen mehr als zwei GV/ha gehalten, womit auch der Flächenbedarf steige und sich in steigenden Pacht- und Grundstückpreisen spiegele. Davon sei auch das Grünland nicht ausgenommen. Anhand von Buchführungsergebnissen sei nachzuweisen, dass sich eine intensive Grünlandbewirtschaftung durch qualitativ und quantitativ bessere Grünlanderträge positiv auf die Wertschöpfung in der Milchviehhaltung auswirke und positiv in der Kostenstruktur niederschlage.

Möglichkeiten zur Verbesserung von Grünlandbeständen

Grünlandexperte Dr. Richard Neff vom LLH Landwirtschaftszentrum Eichhof ging auf Möglichkeiten zur Verbesserung von Grünlandbeständen ein. Seitens des Bundessortenamts würden zu den einzelnen Grasarten an verschiedenen Standorten Wertprüfungen durchgeführt, deren Ergebnisse, ähnlich wie bei anderen Kulturen, in Bundessortenlisten zusammengefasst werden. Neff macht deutlich, dass hierzu die Sorten in Reinsaaten angelegt werden und als Einzelergebnisse relativ geringe Bedeutung für die Praxis hätten, da hier Mischbestände aus mehreren Grasarten, Kräutern und Leguminosen kultiviert werden. Die beschreibende Sortenliste des Bundessortenamts habe dennoch große Bedeutung, um für Mischungen die geeigneten Partner zu finden. Diese würden dann in Ausdauerprüfungen für unterschiedliche Bedingungen (trockene und frische Standorte, unterschiedliche Jahresniederschläge und Niederschlagsverteilung sowie unterschiedliche Klimabedingungen aufgrund der Höhenlagen) geprüft würden.

Praxisübliche Sortenmischungen länderübergreifend geprüft

Die deutschen Mittelgebirgsregionen hätten hierzu einen Verbund gegründet, dem neben Hessen auch Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland, der südliche (bergische) Bereich Nordrhein-Westfalens und ein Teil Belgiens angehören. Zur Ausdauerprüfung würden Reinsaaten und praxisübliche Mischungen auf Praxisschlägen ausgesät und über mehrere Jahre auf Mängel und Leistungen überprüft. Die Prüfsorten und Prüfglieder erhielten dann aufgrund ihrer Behauptung im Bestand eine Ausdauerzahl als wertbestimmende Eigenschaft.

Entsprechend erfolgen dann Sortenempfehlungen gegliedert nach Grasart, Reifegruppe und Sorte wie auch nach der Nutzungsrichtung auf Wiesen oder Weiden. Die von der Ländergemeinschaft empfohlenen Mischungen werden durch ein rotes Zertifikatslogo mit der Aufschrift „Qualitäts-Standard-Mischungen Grünland – Ackerfutter“ gekennzeichnet und an jedem entsprechenden Saatgutbehältnis mit entsprechendem Inhalt angebracht. Gezielte Tabellenwerke geben über die geeigneten Gräser-Mischungsverhältnisse für verschiedene Standorteigenschaften Auskunft. Die hessische Broschüre seit derzeit in einer Neuauflage kurz vor dem Erscheinungsdatum und in kürze beziehbar. Neff erläuterte zwölf verschiedene Standorteigenschaften, für die unterschiedliche Ansaat- und Nachsaatmischungen empfohlen werden und ging beispielhaft auf die Eignungsprüfung von Rohrschwingel als Bestandteil in Wiesennarben und in Ansaatmischungen für die Silageproduktion ein.

Ãœber-, Nach- oder Neuansaaten vornehmen?

Grünlandverbesserungen seien grundsätzlich durch Übersaaten, wenn Lückenanteil weniger als 20 Prozent beträgt, oder zur Prophylaxe mit dem Düngerstreuer oder dem Wiesentriegel mit Saateinrichtung durchzuführen; durch Nachsaat bei einem Lückenanteil über 20 Prozent. Nach Pflanzenschutzmaßnahmen könne ebenfalls nachgesät oder mittels Schlitzdrillsatt, Bandfrässaat oder Zahnrillensaat eine Grünlandverbesserung erreicht werden. Bei Neuansaaten sollten die wertvollen Arten weniger als 30 Prozent betragen und Unkräuter und Ungräser mit mehr als 50 Prozent überwiegen. In diesem Fall muss ein Pflug- oder Fräsumbruch erfolgen. Ähnliches könne auch bei starken Wildschäden erforderlich werden.

Beim häufigsten Verfahren, der Nachsaat, müsse für ein Gelingen zuvor eine Unkrautbekämpfung erfolgen. Danach sei die richtige Wahl der Saatmischung und Sorten vorzunehmen und anschließend die Wahl der passenden Technik. Nachsaaten sollten in eine kurze Narbe bei lückigem Bestand erfolgen, wobei auf ausreichend Bodenfeuchte zu achten sei. Anschließend sei eine frühzeitige und häufige Nutzung notwendig, damit die jungen Pflanzen nicht durch den Altbestand überwachsen werde. Leider habe sich durch stärkere Bodenverdichtungen auf vielen Standorten die gemeine Rispe ausgebreitet, die schnell vorhandene Narbenlücken füllt. Zur Bekämpfung komme ein aggressiver Striegelstrich oder Schwarzeggen in betracht. In beiden Fällen müsse eine Nachsaat erfolgen. Bei der Nachsaat mit Weidelgräsern habe sich eine Kombination von Egge und Striegel mit Saataufsatz am besten bewährt.

Niedrige pH-Werte im Grünland beeinrächtigen die N-Effizienz

Pflanzenbauberater Rainer Even vom LLH Fritzlar ging anschließend auf die Umsetzung der neuen beziehungsweise kommenden DüngeVO auf Grünland ein. Unter den häufigsten Ertragsbegrenzungen beim Grünland sei neben den unbeeinflussbaren Boden- und Witterungsbedingungen eine unausgeglichene Düngung und Kalkung vorzufinden. Bodenuntersuchungsergebnisse auf Grünland würden in Hessen seit 2001 einen dramatischen Rückgang der pH-Werte zeigen, die regional besonders in den Buntsandstein und Basaltverwitterungsregionen wie zum Beispiel im Vogelsberg festgestellt wurden. Even wies darauf hin, dass hierdurch die N-Effizienz beeinträchtigt werde, die in Versuchen bei pH-Wert-Klasse A nur 68 Prozent und in pH-Wert-Klasse B nur 87 Prozent betragen habe. In der pH-Wert-Klasse C sei eine Effizienz von 95 Prozent festgestellt worden.

Auch die Verfügbarkeit von anderen Nährstoffen hänge entscheidend vom pH des Bodens ab. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Verfügbarkeit vieler schädlicher Schwermetalle mit der Versauerung der Böden zunehme. Eine ähnliche Entwicklung der Bodenuntersuchungsergebnisse auf Grünland sei auch bei Phosphor festzustellen. Die ungünstigsten Ergebnisse von durchschnittlich 70 Prozent unterversorgten Böden betreffe auch hier den Vogelsberg. Ähnlich wie beim pH-Wert werde auch durch die unzureichende Phosphorversorgung die N-Effizienz beeinträchtigt. Bei den P-Gehaltsklassen A, B und C wird Stickstoff nur zu 78, 85 und 90 Prozent ausgenutzt. Eine erste Maßnahme – unabhängig von gesetzlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen – sollte es sein, die N-Effizienz zu verbessern und damit Erträge und Qualitäten bei gleichem Aufwand zu verbessern.

Düngeverordnung erfordert eine bessere N-Ausnutzung

Bei der kommenden DüngeVO sei einerseits auf die Regelung der 170er Grenze bezogen auf den Gesamtbetrieb wie auch die Schlagspezifische Düngung nach Düngebedarfsermittlung zu achten. Beispielsweise erfordere die 170er Grenze nach § 6, Abs. 3 und Anlage 1 für einen Milchviehbetrieb mit 100 Kühen (ohne Nachzucht) und einer Durchschnittsleistung von 10 000 kg ECM/Kuh 70 ha LF. Dabei wird von einem N-Anfall von 141 kg/Kuh und Jahr ausgegangen (insgesamt 14 100 kg N). Bei einer Anrechnung von 85 Prozent ergeben sich 12 000 kg N. Geteilt durch 170 kg N/ha = 70,6 ha! Bei der Nährstoffvergleichsrechnung nach Anlage 2 sei eine Verwertung von 70 Prozent anzurechnen. „Dies ergibt rund 10 000 kg N pro Jahr, und eine Mindestaufbringfläche von 60 ha. Ãœber die zu berücksichtigenden N-Bedarfswerte geben abhängig von Kulturart und Ertrag (bei Grünland auch die Zahl der Nutzungen) umfangreiche Tabellen Auskunft und sind bei den Berechnungen zu berücksichtigen“, so Even.

Er errechnet am Beispiel einer dreischnittigen Wiese (80 dt TM/ha) mit 15-prozentigen Leguminosenanteil und 16 Prozent Rohprotein einen Nettobedarf von 163 kg N/ha. Durch zweimaliges Güllefahren mit je 20 m³ (4 kg N/m³) und 50-prozentiger N-Ausnutzung sowie einer Restverwertung von 10 Prozent aus dem Vorjahr (ebenfalls 2x20 m³) müssen 96 kg N aus der organischen Düngung angerechnet werden. Der Betrieb darf in diesem Fall weitere 67 kg N/ha düngen. Bei vier Schnitten und 90 dt TM mit höherem Nettobedarf von 192 kg N/ha verbleibt nach der Gülledüngung ein Bedarf von 96 kg N/ha. Even zog das Fazit, dass durch die Einschränkung der N-Düngung nach der neuen DüngeVO dessen Ausnutzung gesteigert werden muss. Dies setze in vielen Fällen eine Sanierung des pH und der Bodenversorgung mit Phosphor voraus. Nach der Mittagspause wurden den Besuchern in der Verbandshalle des Wasser- und Bodenverbands Vogelsberg Maschinen namhafter Hersteller zur Grünlandpflege und Nachsaat vorgestellt. Zu einem späteren Zeitpunkt werde der Verband bei fortgeschrittener Vegetation zu einer Feldbegehung einladen, bei der Aspekte der Pflanzengesellschaften und deren Beeinflussung auf Praxisschlägen erörtert werden.

Dr. Ernst-August Hildebrandt – LW 11/2016