Eine lange Blüte erhöht das Risiko

Gerstenflugbrand – wenn statt Körnern Pilzsporen wachsen

In diesem Jahr tritt der Gerstenflugbrand (Ustilago nuda f.sp. hordei) in unseren Anbaugebieten sehr häufig auf. Das Auftreten unterscheidet sich in der Intensität von den vergangenen Jahren. So waren in den Vorjahren hin und wieder einzelne Ähren mit Gerstenflugbrand zu finden. In diesem Jahr sind wesentlich häufiger befallene Ähren zu finden. Wenn der Flugbrand in geringem Umfang auftritt, ist eine Minderung des Ertrags kaum zu erwarten. Auch für die Vermarktung der Körner eines betroffenen Bestandes bestehen keine Hindernisse.

Im ökologischen Anbau stehen nur pflanzenbauliche Maßnahmen gegen den Pilz zur Verfügung.

Foto: Preiß

Zu erkennen sind befallene Ähren zum aktuellen Entwicklungszeitpunkt recht leicht. Denn befallenen Pflanzen neigen dazu, die Ährenanlage etwas früher zu bilden; dadurch überragen sie die Nachbarpflanzen etwas. Die Ähre steht meist steil nach oben, oft färbt sich das Fahnenblatt von der Spitze her gelb. Der pilzliche Erreger befällt die Ährenanlage, und an Stelle der Blütenanlage werden Sporenlager ausgebildet. Die intensive Sporenbildung sorgt dafür, dass die gesamte Ährenanlage von der schwarzen Sporenmasse überzogen ist.

Sporen kommen mit dem Wind und befallen nur die Gerste

Die an Stelle von Körnern gebildeten Sporen werden durch Wind und Luftbewegung verweht (daher Flugbrand). Landen die Sporen dann auf der Narbe einer blühenden Gerstenpflanze, können sie in den Fruchtknoten einwachsen. Die Überdauerung erfolgt direkt am Gerstenembryo im Korn. Die Übertragung ist ausschließlich über diesen Weg möglich („samenbürtig“). Der Gerstenflugbrand ist wirtsspezifisch und befällt kein anderes Getreide. Bei der Aussaat eines befallenen Gerstenkorns wächst der Flugbrand mit der Gerstenpflanze nach oben und der Kreislauf beginnt von neuem.

Besonders infektionsgünstig wirkt sich eine lange offene Blütezeit aus. Geschlossen blühende Sorten sind (wie bei Mutterkorn) weniger betroffen. Verlängerte Blühzeiten können zum Beispieldurch Wetterwechsel zu kühler Witterung entstehen. Der Flugbrand wird durch warme Witterung begünstigt, ist aber bereits ab 12 °C aktiv. Optimal sind für die Infektion 18 bis 25 °C. Für eine erfolgreiche Infektion sind zudem Luftfeuchten von mindestens 80 Prozent notwendig, die jedoch durch die für die Jahreszeit typische Taubildung sehr häufig erreicht und durch Regenereignisse zusätzlich verstärkt werden.

Keine Saatgutgewinnung

Aus befallenen Beständen sollte kein Saatgut für Nachbau genommen werden. Befallene Körner unterscheiden sich äußerlich nicht von gesunden Körnern. Bei der Erzeugung von zertifizierten Saatgut liegt der Grenzwert bei maximal fünf Pflanzen je 100 m². Da der Flugbrand sich im Gerstenkorn befindet, ist die aktive Bekämpfung erschwert.

Im ökologischen Anbau gibt es kaum Möglichkeiten, aktiv gegen Flugbrand vorzugehen. Nur sehr aufwendige Verfahren wie die Heißwasserbehandlung sind gegen den tief im Korn sitzenden Erreger erfolgreich. Behandlungen gehen jedoch oft auf Kosten der Keimfähigkeit und sind mit hohem zeitlichen sowie finanziellem Aufwand verbunden. Im konventionellen Anbau wird der Flugbrand durch die meisten zugelassenen systemischen Beizmittel erfasst. Dennoch liegt, in Abhängigkeit von Beizgrad und Wirkmechanismus des Fungizids, der Wirkungsgrad nicht immer bei 100 Prozent.

Unter guten Bedingungen kann Gerste dem Pilz davonwachsen

Pflanzenbaulich kann Flugbrand durch Verwendung von zertifiziertem Saatgut und entsprechende Sortenwahl (Resistenz) entgegengewirkt werden. Des Weiteren ist ein Aussaatzeitpunkt zu kühlen Temperaturen günstig, das heißt Wintergerste sollte so spät und Sommergerste so früh wie möglich ausgesät werden. Die Pflanze erhält dadurch die Möglichkeit, dem wärmeliebenden Pilz davonzuwachsen. Denn der Pilz kann bei kühlen Temperaturen in der Jugendphase der Gerste nicht schnell genug mitwachsen. Durch eine optimale Bestandsführung (zum Beispiel gutes Saatbett, Düngung) können gleichmäßige und rasch abblühende Bestände, mit wenig empfänglichen Vor- und Nachblühern, erreicht werden.

Uwe Preiß, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 22/2019