In „Luxus-Gesellschafen“ ist mehr Einsatz für Bauern nötig
Verbandstag 2016 des vlf Hessen in Lauterbach
In Lauterbach im Vogelsbergkreis fand in der vergangenen Woche der Verbandstag 2016 des Landesverbandes Hessen für landwirtschaftliche Fortbildung (vlf Hessen) statt. Nach der Eröffnung der Vertreterversammlung vor circa 50 Delegierten durch vlf-LandesÂvorÂsitÂzenden Karl-Peter Mütze und Walter Lang, Vorsitzender des VLF-Lauterbach als gastgebender Verein sowie Grußworte von EhrengäsÂten stand der Vortrag „Aktuelle Verbandspolitik bei momentan kritischer Einkommenssituation in der Landwirtschaft“ von Karsten Schmal, Präsident des Hessischen BauernÂverbandes, auf der Tagesordnung. Im Anschluss an die Vertreterversammlung wurden die Zement- und Kalkwerke OtÂterbein in Großenlüder-Müs besichtigt.
Im vlf-Landesverband HesÂsen, gegründet 1973 in Gießen, sind ehemalige Landwirtschaftsschülerinnen und -schüler aus den verschiedenen Kreisverbänden zusammengeschlossen. Landesvorsitzender Karl-Peter Mütze sagte, es sei erstaunenswert, in welchem Umfang Fortbildung für einen Berufsstand betrieben werde, dies würde von keinem anderer Berufsstand in Hessen erreicht. Er sei froh, dass er in verschiedenen Gremien tätig sei, denn „noch haben wir ein Wort und wir werden gehört.“ Mütze appellierte an die Vertreter, sich nicht nur in den Kreisgremien, sondern auch auf Landesebene für den Berufsstand zu engagieren.
Die Reihe der Grußredner eröffnete Kreisvorsitzender Walter Lang als Gastgeber des Landesverbandstags und informierte die Anwesenden mit klimatischen und landwirtschaftlichen Details zur seiner Region. Die Mitgliederzahl seines Vereins bezifferte er auf gut 300 Mitgliedern mit leicht zurückgehender Tendenz, dem Strukturwandel geschuldet. Diesem Trend versuche der Verein durch Veranstaltungen mit interessanten Themen zu begegnen und damit den Landwirten Anregungen zu bieten, um weiterhin ein auskömmliches Einkommen zu erwirtschaften.
Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller verwies auf den traditionsreichen Prämienmarkt, der insbesondere wegen seiner Tierschau weithin bekannt sei. Der Bürgermeister würdigte auch Karl-Peter Mütze in seiner Tätigkeit als Amtsleiter, der am 1. Juli 2016 aus dem aktiven Dienst ausscheide. Mütze sei ein „KämÂpfer für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum“, das Gespräch mit ihm habe man immer auf Augenhöhe führen können, würdigte Vollmöller. Den vlf-Hessen will Mütze noch bis Juni 2017 weiterführen.
Anja Püchner wird neue Leiterin des ALR in Alsfeld
Neue Geschäftsführerin des vlf Hessen wird Esther Schaab. Ihre Vorgängerin, die 46-jährige Diplom-Agraringenieurin Anja Püchner hatte 13 Jahre lang die Geschäftsführung des vlf Hessen inne und wird am 1. Juli dieses Jahres neue Leiterin des Amtes für den ländlichen Raum im Vogelsbergkreis und tritt damit die Nachfolge von Karl-Peter Mütze an, der am 30. Juni in den Ruhestand geht.
Lars Döppner, Vorsitzender der Hessischen Landjugend thematisierte die Bedeutung von Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, um der Kritik von Außen wie zum Beispiel beim Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung mit fachlichen Argumenten zu begegnen.
Andreas Kornmann, Kreislandwirt des Vogelsbergkreises, informierte über aktuelle Herausforderungen der landwirtschaftlichen Betriebe, besonders in der grünlandstarken Mittelgebirgsregion des Vogelsbergkreises. Kornmann ging auch auf die Novellierung der Düngeverordnung mit seinen gravierenden Folgen für die LandwirtschaftsbeÂtriebe und auf die einzelbetriebliche Investitionsförderung ein.Positive Zahlen zur Arbeit des vlf Hessen hatte die bisherige Geschäftsführerin Anja Püchner in ihrem Bericht. Den Mitgliederstand bezifferte sie mit 11 234 in 30 Kreisvereinen, darunter 1 929 weibliche. Verglichen mit dem Vorjahr sei die Zahl durch die Strukturveränderungen in der Landwirtschaft um 275 Mitglieder leicht rückläufig. Der VLF sei auch wieder bezüglich seiner Veranstaltungen mit Fördermitteln der „Stiftung zur Förderung der Land- und Forstwirtschaft“ und der „Stiftung Hof Geisberg“ gefördert worden, freute sich Püchner. Die Vertreterversammlung erteilte nach dem von Anja Püchner vorgetragenen Kassenbericht einstimmig Entlastung des VLF-Vorstandes. Neu in den Landesvorstand gewählt wurde Christian Stehr aus Usingen.
Mit ihrer neuen Aufgabe als Amtsleiterin gibt Anja Püchner am 29. April mit einem „weinenden Auge“ als Geschäftsführerin des Kreisbauernverbands und auch des Landesverbands ihre bisherige Tätigkeiten auf.
Mütze stellte der Vertreterversammlung dann auch unter lebhaftem Beifall mit Esther Schaab die Nachfolgerin Anja Püchners als Geschäftsführerin des vlf Hessen vor. Schaab ist im FebruÂar vergangenen Jahres zum Hessischen Bauernverband gekommen. Auf ihre künftige neue Aufgabe freue sie sich sehr. Abgeschlossen wurden die Regularien der Versammlung mit einem Kurzbericht von Siegbert Lassers vom Agrartechnikerverband (ATV Fritzlar) zum VLF-Bundesseminar.
Für Milcherzeuger noch keine Trendwende ich Sicht
Auf großes Interesse stieß das Referat des Präsidenten des Hessischen Bauernverbands, Karsten Schmal, der zum Thema „Aktuelle Verbandspolitik bei momentan kritischer Einkommenssituation in der Landwirtschaft“ sprach und die agrarpolitischen Rahmenbedingungen für die deutsche und insbesondere auch hessische Landwirtschaft analysierte. Das vorherige WirtschaftsÂjahr 2014/15 bezeichnete er mit einem Gewinneinbruch von durchschnittlich 30 Prozent, als das schlechteste der letzten vier Jahre.
Weiterer Gewinnrückgang im aktuellen Wirtschaftsjahr
Milcherzeuger mussten ein Minus von über 40 Prozent verzeichnen, Veredlungsbetriebe ein Minus von über 30 Prozent und Ackerbaubetriebe von mehr als 20 Prozent. Die Zahlen Juli bis Dezember 2015 wiesen für das Wirtschaftsjahr 2015/16 auf einen nochmaligen Gewinnrückgang hin, berichtete Schmal. Eine Trendwende, insbesondere bei den Milcherzeugern sei noch nicht in Sicht. Der Berufsstand habe Forderungen an die Politik gestellt, aber sie würden nur sehr langsam umgesetzt. Wesentlichen Grund für die Entwicklung auf den Agrarmärkten sieht er in marktpoÂlitischen globalen Verwerfungen, wie zum Beispiel den starken Rückgang des Absatzes infolge des Russlandembargos, was zu Lasten der deutschen Landwirtschaft gehe: „Wir brauchen den Absatzmarkt Russland, denn die international übervorsorgten Märkte, die schwächelnde Konjunktur in Asien, vor allem in China, verursacht die Preiskrisen“, sagte Schmal.

Foto: Ingfried Stahl
Die umstrittene Düngeverordnung sei ein „Aussteigerprogramm“. Denn die Technik hierfür sei so teuer, dass sie sich mittlere und kleine Betriebe gar nicht leisten könnten. Bezüglich der Themen wie Antibiotikaeinsatz, Ausbringtechnik und GlyÂphoÂsat-Einsatz brachte HBV-Präsident Schmal die WirÂÂkungen auf die Landwirtschaft in der Öffentlichkeit auf den Punkt mit der Formulierung: „Hier werden wir vorgeführt.“ Man gehe in die Offensive und intensiviere die ÖffentÂlichkeitsarbeit inklusive der verstärkten Einbindung der neuen Medien. „In unserer Luxusgesellschaft ist es von großer Wichtigkeit, sich für die Bauern einzusetzen“, konstatierte er. Die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft mit Blick auf die globale Bevölkerungszunahme werde weiter steigen, doch sei die Erzielung von Gewinnen derzeit ein Problem. Demgegenüber stehe Hessen mit seiner Landwirtschaft im Vergleich zu Betrieben in den anderen Bundesländern noch relativ gut dar, so das Fazit des HBV-Präsidenten.
Der Landesverbandstag wurde am Nachmittag abgeschlossen mit der Besichtigung der Zement- und Kalkwerke Otterbein GmbH & Co. KG in Großenlüder-Müs. Das im Jahre 1889 von Georg Otterbein gegründete Unternehmen hatte 1981 mit der Zementherstellung begonnen und gilt als Deutschlands jüngstes Zementwerk. Die Exkursion stand unter der Leitung des VLF Lauterbach.
Prof. Stahl – LW 17/2016