Gegen Mähwerke haben Rehkitze keine Chance

Bei der Frühjahrsgrasmahd unbedingt den Wildschutz beachten

Laut Schätzungen werden pro Jahr circa 500 000 Tiere (davon etwa 90 000 Reh­kitze) bei der Ernte von Mähwerken getötet. Alljährlich kommen dann zur Mähzeit die gleichen Fragen bei Landwirten und Jägern auf: Welche Maßnahmen sind beim Mähen und Silieren zum Schutze des Wildes – insbesondere zum Schutze der frisch gesetzten Rehkitze – zu treffen? Wer hat die Schutzmaßnahmen durchzuführen? Welche Rechte stehen wem zu, wenn die erforderlichen Rettungsversuche nicht unternommen worden sind?

In den Monaten Mai und Juni setzen viele Wildarten. Jetzt ist die Gefahr groß, dass Rehkit­ze, Junghasen und Bodenbrüter ausgemäht werden.

Foto: Michael Breuer

Der Landwirt hat – wie alle anderen auch – die Grundsätze des Tierschutzes zu beachten. Dazu gehört, dass Wirbeltieren nicht aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt und erst recht nicht Wirbeltiere ohne vernünftigen Grund getötet werden dürfen (§ 17 Tierschutzgesetz). Dem Landwirt wird vorgeworfen, den Tod oder Verletzungen von Wirbeltieren billigend in Kauf genommen zu haben, wenn er eine Wiese mäht, ohne vorab sichergestellt zu haben, dass sich auf ihr keine Wirbeltiere – insbesondere Rehwild und Hasen – befinden. Kommt es dann zur Verletzung oder zum Tod von Wirbeltieren, droht zweierlei:

1. Auf eine Strafanzeige werden Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln und es wird – sofern der Tatvorwurf erwiesen ist – der Landwirt vor den Strafrichter zitiert: Es wird ein Strafverfahren durchgeführt und es droht Freiheitsstrafe bis zwei Jahren oder Geldstrafe (in der Regel wird die Geldstrafe in einem Rahmen von 5 bis 120 Tagessätzen festgesetzt, wobei ein Tagessatz etwa dem Nettoeinkommen eines Tages entspricht). Zusätzlich hat der verurteilte Landwirt die Kosten des Strafverfahrens zu tragen.

2. Zusätzlich zu den Unannehmlichkeiten des Strafverfahrens kann der Landwirt vom Jagdausübungsberechtigten (in der Regel dem Jagdpächter) nach Ansicht einiger Gerichte zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Begründet wird dies mit einer Verletzung des Aneignungsrechtes der Jagdausübungsberechtigten: Wäre das Wild nicht durch die Mäharbeiten verletzt und getötet worden, hätte der Jagdausübungsberechtigte es sich später aneignen können. Dabei wird von einigen Gerichten bei der Berechnung der Höhe des Schadensersatzes auf den Verwertungswert des Stückes Wild im Zeitpunkt der Schädigung abgestellt. Andere Gerichte argumentieren, dass der Geschädigte so gestellt werden muss, wie er stünde, wenn das Stück nicht durch die Mäharbeiten getötet worden wäre – das Stück würde noch leben, womit die Beschaffungskosten eines lebenden Kitzes zu ersetzen seien. Im ausgeurteilten Fall wurde das mit 680 Euro veranschlagt – eine wohl übersetzte Schadhöhe.

Zusammengefasst können sich die Kosten für das nachgewiesene vorsätzliche Töten von Wildtieren bei Mäharbeiten auf mehrere tausend Euro summieren. Dabei muss der Landwirt nicht einmal mit bösem Willen handeln. Es muss ihm nicht darauf ankommen, Tiere zu töten. Er muss auch nicht mit Bestimmtheit wissen, dass Wild in der Wiese liegt, die er beabsichtigt zu mähen. Es reicht der Vorwurf aus, dass Hinweise vorliegen, dass sich Wild in der Wiese befindet und der Landwirt die erforderlichen Maßnahmen deren Tod zu verhindern nicht ergriffen hat.

Als solch ein Hinweis genügt beispielsweise die Information durch den Jagdpächter, dass er in der Wiese Wild gesehen hat oder es in den Vorjahren bereits zum Ausmähen gekommen ist. Die möglichen vom Landwirt zu treffenden Rettungsmaßnahmen sind vielfältig. Sie reichen vom Aufstellen von Scheuchen einige Tage oder auch am Abend vor dem Mähen über das Verwittern der zu mähenden Flächen, das Absuchen der Flächen und das Mähen von innen nach außen, um den Tieren die Flucht aus der Wiese zu ermöglichen. Einige Gerichte fordern auch, dass mehrere Maßnahmen zugleich oder gar alle ergriffen werden. Hierzu behilfliche Mittel und Instrumente werden heute von der Industrie bereitgestellt. Beispielhaft seien an dieser Stelle Tongeber (bspw. die sogenannte Schallkanone), Verwitterungsmittel und tragbare wie an Drohnen befestigte Wärmebildkameras genannt.

Vom Landwirt zu treffende Rettungsmaßnahmen

Eine der effektivsten Verhütungsmaßnahmen – behält man die Zweck-Mittel-Relation im Auge – wird zweifellos das Absuchen der Flächen mit einem ausgebildeten Jagdhund am Abend vor dem Mähen sein. Selbst wenn bei der Suche selbst nicht alle Tiere gefunden werden, verlassen sie aber durch die Beunruhigung und Verwitterung bedingt die Flächen oder werden von den Muttertieren herausgeführt. Eine Kooperation mit den örtlichen Jägern, die ihre Dienste schon wegen ihrer Verantwortung als Heger meist gerne zur Verfügung stellen, sollte angestrebt werden.

Dabei ist dem Jäger frühzeitig mitzuteilen, wann der Schnitt erfolgen soll und es sind genaue Absprachen zu treffen, um sicherzustellen, dass die notwendigen Rettungsmaßnahmen bei Beginn des Schnittes auch wirklich durchgeführt wurden. Selbst wenn der Jäger seine Hilfe – aus nachvollziehbaren oder abstrusen – Gründen versagt, bleibt es bei der Pflicht des Landwirtes, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Er kann sich nicht mit einem Anruf beim Jagdpächter aus der Verantwortung ziehen. Festzuhalten bleibt: Es ist unbestritten, dass Landwirte täglich fürsorglich und liebevoll mit ihren Tieren umgehen und es ihnen als Naturschützer das Herz bricht, wenn sie versehentlich bei Mäharbeiten Wildtieren Leid zufügen. Ebenso unbestritten ist, dass es immer wieder zum Ausmähen von Tieren kommen kann. Sofern der Landwirt geeignete Maßnahmen zur Verhinderung des Ausmähens getroffen hat, dürfen ihm allerdings strafrechtliche Sanktionen und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nicht entgegengehalten werden.

Björn Schöbel – LW 18/2016