Die Milch und ihre Produkte erlebbar machen

Zukunftsorientierte Zusammenschlüsse von Betrieben auf der Hessischen Milch- und Käsestraße

Gerhard und Brigitte Paul sind mit ihrem Blockhauscafé „Lichtpunkt“ Partnerbetrieb der Hessischen Milch- und Käsestraße. Die Gäste sitzen hier an Tischen mit Kräuter- beziehungsweise Blumennamen. „Die Bestellung „ein Bauernhofeis für den Veilchentisch, bitte!“ hört sich doch besser an, als nur eine Tischnummer zu rufen“, erklärt Brigitte Paul die nette Idee.

Foto: privat

Am 1. Juni, dem Tag der Milch, wurde die dritte Etappe der Hessischen Milch- und Käsestraße eröffnet. Sie führt durch Rhön und Vogelsberg – 20 Partnerbetriebe machen dabei mit. Sie und 55 weitere der Etappen „Waldeck-Frankenberg“ und „Südliches Hessen“ signalisieren mit ihrem Zusammenschluss und dem Öffnen ihrer Tore: „Seht her, das haben wir rund um die Milch in der Region für die Region zu bieten!“ Dass bei dieser Ini­tiative der Landesvereinigung Milch Hessen (LV Milch) noch Zukunftsmusik drin ist, das erfahren Sie im folgenden Beitrag.

„Die Idee einer Milch- und Käsestraße, auf der die Milch, ihre Produktionswege und Produkte direkt in der Region erlebbar gemacht werden können, war schon lange in den Köpfen der Landesvereinigung Milch Hessen. Als dann auch vom Regierungspräsidium in Gießen ein Anstoß in diese Richtung gegeben wurde, haben wir uns an die Umsetzung gemacht“, so Petra Will, die Projektkoordinatorin dieser Initiative der LV Milch Hessen.

Bislang mit 75 Partnerbetrieben

Gesagt, getan: Im Mai 2009 konnte die erste Etappe der Hessischen Milch- und Käsestraße in Waldeck-Frankenberg eröffnet werden. „In diesem flächengrößten Landkreis Hessens und zugleich auch dem mit der höchs­ten Milchproduktion in unserem Bundesland machten anfangs 18 Betriebe mit. Heute sind es schon 21“, informiert Will. Die zweite Etappe, „Südliches Hessen“, kam im März 2010 hinzu, mit 34 beteiligten Betrieben. Sie findet in den fünf Landkreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Odenwald und Offenbach statt. Und diesen Mittwoch, am Internationalen Tag der Milch, wurde die dritte Etappe „Rhön und Vogelsberg“ auf dem Gelände der Domäne Selgenhof in Ulrichstein eröffnet, mit bislang 20 Partnerbetrieben. Weitere Etappen der Hessischen Milch- und Käsestraße sind geplant, „mit dem Ziel der Flächendeckung in ganz Hessen“, blickt Will in die Zukunft (siehe Kasten „Etappen“).

Faltblätter als gemeinsame Werbung

Auch für ihr Bauernhofeis haben sich Pauls etwas ausgedacht: Vier Eisbecher sind nach den Vornamen ihrer Enkelkinder benannt.

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Den Partnerbetrieben ist eins gemeinsam: Sie stehen für ihre Angebote rund um Milch, Käse und Landwirtschaft ein und sind stolz darauf, sich damit in ihrer Region zu zeigen. Sie wollen wahrgenommen werden und über ihre Arbeit und Produkte informieren. Zum Anliegen der Hessischen Milch- und Käsestraße ergänzt Petra Will: „Die Verbraucher sollen erfahren, woher die Milch kommt, wie sie verarbeitet wird und wie die Produkte aus der eigenen Region schmecken.“ Außerdem stecke hinter der Milch- und Käsestraße auch ein zukunftsträchtiger touristischer Ansatz. Um sowohl Urlaubsgäs­ten als auch Verbrauchern aus der Region anschaulich zu zeigen, wer was wo anbietet, hat die LV Milch Faltblätter herausgegeben. Darauf stellen die 75 Partnerbetriebe ihre Angebote und ihre Standorte vor. Sie werben mit den Worten: „Erleben Sie die Milch von der Erzeugung auf den milchwirtschaftlichen Betrieben, die Verarbeitung in den Molkereien und Hofkäsereien und genießen Sie die regionalen Milchprodukte bei Dirketvermarktern, in Bauernhofcafés und Jausestuben.

Und auch für Ãœbernachtung ist gesorgt: ob im Heuhotel, Tipi, Hotel, ob Urlaub auf dem Bauernhof oder in der Pension!“

Vor Ort macht ein Partnerschild mit dem Logo und Schriftzug der Hessischen Milch- und Käsestraße auf die Zugehörigkeit aufmerksam (siehe im Bild auf Seite V). „Alle Partnerbetriebe haben zudem die Möglichkeit, ihre Veranstaltungen und Aktivitäten unter dem Dach der Milch- und Käsestraße auf der gemeinsamen Homepage zu bewerben“, weist Will auf die Internetadresse www.hessische-milch-und-kaesestrasse.de hin. Um Part­nerbetrieb der Initiative zu sein, bezahlen Milcherzeugerbetriebe, Molkereien, Hofkäsereien und gastronomische Betriebe einmalig 25 beziehungsweise 50 Euro. Petra Will ist überzeugt: „Das ist eine preisgünstige Möglichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen.“

Kooperationen nutzen

Mögliche Kooperationen der Partnerbetriebe auf der Hessischen Milch- und Käsestraße gäbe es viele, meint Will. Was daraus gemacht würde, das läge am jeweiligen Engagement der beteiligten Betriebe. Petra Will nennt Beispiele: „Bietet der eine beispielweise Bauernhofeis an, kann der andere dieses in seinem Bauernhofcafé verkaufen. Ein anderer fährt zum Wochenmarkt und kann Produkte des Nachbarbetriebes dort mit verkaufen.“ Einen anderen Blick in die Zukunft stellt sie so vor: „Die Betriebe schnüren Kombipakete für Besucher: Wanderer oder Radfahrer könnten auf dem einen Betrieb den Produktionsablauf anschauen, dort einen Stempel erhalten und damit zur nächstgelegenen Molkerei oder zum Bauernhofeis-Betrieb wandern oder radeln und bekämen dort ein Glas Milch oder eine Kugel Eis. Auf dem Weg von dem einen zum anderen könnten thematisch passende Lehrtafeln stehen.“

Partnerbetrieb in Waldeck: Hof Heide mit einem Café

Auf dem traditionell geführten Familienbetrieb von Wilfried und Friedel Kramer in Pfungstadt können Besucher frische Milch an der Milchtankstelle, die im Holzhäuschen untergebracht ist, zapfen – im Bild hinten rechts.

Foto: privat

Erfreulich ist, dass derartige Kooperationen schon stattfinden. Seit Kurzem ist beispielsweise der Hof Heide von Familie Paul in Waldeck Partnerbetrieb der Hessischen Milch- und Käsestraße. Was der Hof zu bieten hat, schildert Inhaberin Brigitte Paul: „Unser Hof Heide war früher eine Zollstation und wurde dann viele Jahre lang landwirtschaftlich genutzt. In unserem landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb ist 1999 eine Tierseuche aufgetreten. Danach haben wir unsere Tierhaltung eingestellt. Zum Glück hatte ich schon lange einen Wunschtraum, nämlich ein Café im Garten des Hofes zu eröffnen. Diesen Wunsch haben wir umgesetzt, sodass wir seit dem Sommer 1999 unser Blockhauscafé und -restaurant „Lichtpunkt“ auf der Hof Heide Station, führen. Wir haben nur noch ein paar Pferde. Das Grünland ist verpachtet.“ Im Café und Res­taurant werden hausgebackene Kuchen und Torten, selbst gemachtes Bauernhofeis, Hausmannskost und Gerichte mit Wildkräutern angeboten. Brigitte und Gerhard Paul ist es wichtig, dass die Zutaten dafür aus der Region kommen. Die Milch für das Bauernhofeis bekommen sie beispielsweise von der Upländer Bauernmolkerei, der Dinkel für die Torten und Kuchen im Café stammt von den nahegelegenen Feldern. Die Kräuter für die angebotenen Speisen werden im eigenen Kräutergarten geerntet, und viele weitere Produkte stammen von Nachbarhöfen.

Sie seien zwar noch nicht lange Parnterbetrieb der Milch- und Käsestraße, aber man merke schon jetzt, dass der eine Partnerbetrieb dem andern die Gäste zuschicke. Auch die Kontakte unter den Höfen seien intensiver geworden, begrüßt Paul den Effekt. „Die Gäste kommen aus einem Umkreis von 100 km zu uns. Das Partnerschild am Blockhaus und der Flyer der Hessichen Milch- und Käsestraße machen sie neugierig, sodass sie nachfragen, was sich dahinter verbirgt. So kommen wir gut ins Gespräch und können den Gäs­ten das Verständnis für die Landwirtschaft näher bringen. Auch wenn wir selbst keine Landwirtschaft mehr haben, die Verwurzelung damit ist und bleibt da.“ Und weiter sagt Paul: „Die Region wird durch solche Initiativen wie die Milch- und Käsestraße verknüpfter und auch bekannter. Wir können vermitteln, dass Lebensmittel unsere Nahrungsmittel sind und diese ihren Preis wert sind. Und Qualität spricht sich zum Glück herum.“

Milchtankstelle in Pfungstadt: „kuhle Jule“ auf dem Fasanenhof

Auf dem Fasanenhof von Wilfried und Friedel Kramer in Pfungstadt steht seit Dezember 2009 die „kuhle Jule“, eine Milchtankstelle, an der Besucher täglich frische Milch zapfen können. Außerdem kann man auf dem Vollerwerbsbetrieb mit Schwerpunkt Milchviehhaltung Rohmilchkäse aus eigener Produktion in verschiedenen Sorten erwerben. Friedel Kramer erklärt, warum sich der Familienrat für die Milchtankstelle entschied: „Sinkende Milchpreise zwingen uns Milch­erzeuger dazu, kostengünstiger zu arbeiten. Eine Möglichkeit für uns war der Verkauf im Direktvertrieb. Zunächst verkauften wir über diesen Weg unseren selbst gemachten Rohmilchkäse, den wir mit Hilfe einer fahrbaren Käserei produzieren. Viele Kunden wollten auch Milch kaufen. Das war insbesondere abends und während der Melkzeiten schwierig. Im Winter bleiben die Kunden eher aus. Eine Alternative musste her. Jetzt, an der Milchtankstelle, kann sich jeder Kunde selbst bedienen. Das kommt gut an und ist für uns weniger zeitintensiv.“

Interesse an Angeboten in der Region

Petra Will ist bei der Landesvereinigung Milch Hessen unter anderem Projektkoordinatorin für die Hessische Milch- und Käsestraße.

Foto: Lehmkühler

Der Aussiedlerhof, der an einem Radweg liegt, ist seit 2010 Partnerbetrieb der 2. Etappe der Hessischen Milch- und Käsestraße im „Südlichen Hessen“. „Das Partnerschild haben wir an unserem Holzhäuschen befestigt, das um die Milchtankstelle herum gebaut ist. Das fällt schon auf“, so Kramer. „Aber wir erhalten nicht so viel direkte Rückmeldungen von unseren Kunden über die Teilnahme an der Milch- und Käsestraße“, sagt sie. Das liege aber eindeutig daran, dass sie beim Milchzapfen der Kunden an der „kuhlen Jule“ nicht dabei seien. Das ausgelegte Faltblatt werde aber immer gerne mitgenommen. „Das ist ja auch eine schöne Werbung für die landwirtschaftlichen Angebote rund um Milch und Käse in der Region, und es scheint unsere Milchzapfer zu interessieren, was sonst noch in der Region angeboten wird“, ist Friedel Kramer überzeugt.

Sie selbst seien auf dem Hof erfreut darüber, wie viele Informationsmöglichkeiten die Initiative mit sich bringe: „Wir erhalten Infos, wo was rund um die Milch angeboten wird und wo man auch selbst noch aktiv mitmachen könnte. Und man hat immer einen Ansprechpartner bei der Landesvereinigung Milch. Das ist gut“, resümiert die Bäuerin.

Kräfte in der Region bündeln

Kooperationen mit Nachbarunternehmen finden auf vielen landwirtschaftlichen Höfen schon statt oder sind zumindest angedacht. Vielleicht gibt die Hessische Milch- und Käsestraße Anstoß dazu, aktiv(er) zu werden, Kräfte zu bündeln beziehungsweise den ein oder anderen lang gehegten Traum jetzt in die Tat umzusetzen. Denn einerseits könnten damit den Verbrauchern die verschiedens­ten Produkte und Angebote der Landwirtschaft aus der Region näher gebracht werden. Andererseits liefern derartige Aktivitäten den Landwirten möglicherweise eine zusätzliche Einnahmequelle. SL

Kontakt

Homepage: www.hessische-milch-und-kaesestrasse.de; E-Mail: lv-milch@agrinet.de; Tel.: 06172-7106-291

Die Etappen

1. Etappe – seit 2009: Landkreis Waldeck-Frankenberg
2. Etappe – seit 2010: Südliches Hessen
3. Etappe – seit 2011: Rhön und Vogelsberg

Ziel der Initiatoren ist es, hessenweit Partnerbe­triebe zu weiteren Etappen zusammenzufassen. Geplant sind eine 4. Etappe im „Main-Kinzig-Kreis und der Wetterau“ für das Frühjahr 2012 und eine 5. Etap­­pe im „Taunus“ in 2013. Wer mitmachen möchte, kann sich jetzt schon bei der LV Milch Hessen melden!

Nicht verwechseln!

Deutsche Milch- und Käsestraße Neben der im Beitrag ausführlich vorgestellten Hessischen Milch- und Käsestraße gibt es auch die „Deutsche Milch-und Käsestraße“. Hier sind überwiegend ökologische Direktvermarkter in Deutschland über eine Internetseite vernetzt, darunter auch Betriebe aus Rheinland Pfalz und Hessen: www.milchundkaesestrasse.de.

 
Die drei Faltbätter geben Auskunft über die Partnerbetriebe der Hessischen Milch- und Käsestraße. Jedes Faltblatt enthält eine Übersichtskarte der Etappe und Kurzbeschreibungen der Betriebe mit Angebot und Öffnungszeiten. Symbole weisen zudem darauf hin, ob der Betrieb eine Molkerei/Käserei, Hofkäserei, Direktvermarktung/Hofladen, ein landwirtschaftlicher Betrieb oder eine Gastronomie ist, ob er Eis verkauft und/oder Übernachtungsmöglichkeiten bietet. In den Karten sind außerdem zertifizierte Rad- und Wanderwege eingezeichnet.

Foto: LW