Mehr Milch wurde mit weniger Milchkühen produziert

Winterversammlung von HVL und Qnetics

Die Milchkuhbestände in den deutschen Milchviehbetrieben verringerten sich im Laufe des zurückliegenden Jahres um 100 000. Dies geht aus dem Jahresabschluss der Milchleistungsprüfung 2024 des Hessischen Verbands für Leistungs- und Qualitätsprüfungen in der Tierzucht (HVL) hervor. Vorgestellt wurde der Bericht bei der Winterversammlung des HVL und der Qnetics am 19. Dezember.

Von links: der HVL-Vorsitzende Bernd Hohmann, Winfried Seng (Vorsitzender der Schwarzbuntzüchter), Anna Bock (Qnetics), die Inhaber des besichtigten Betriebes Heiko, Astrid und Luis Schramm sowie der HVL-Bezirksvorsitzende Winfried Schäfer.

Foto: Burkhardt

Demgegenüber war die produzierte Milchmenge gestiegen.Dieser Trend erfasste auch Hessen und den Landkreis Fulda. Im hiesigen Landkreis sei das Interesse an der Milchviehhaltung noch vorhanden, stellte anhand des vollbesetzten Saals des Gasthofes „Haunetal“ in Steinhaus Winfried Schäfer, Vorsitzender des HVL-Bezirkes Fulda-Hünfeld, heraus. Unter anderem hieß er eine Klasse der Agrartechnikerschule Petersberg mit Harry Schelle, Dietmar Vyslouzil vom Fachdienst Landwirtschaft des Landkreises Fulda, den Kreisbauernverbands- und stellvertretenden Vorsitzenden des Hessischen Bauernverbandes Stefan Schneider sowie den HVL-Vorsitzenden Werner Böhm willkommen.

Fast 4 000 Tiere seien in Hessen im letzten Prüfjahr verloren gegangen, was nicht nur heiße das Betriebe aufgaben, sondern sie ihre Bestände auch abstockten, so die HVL-Geschäftsführerin Dr. Gesine Witzel. „Wenn ich mehr Milch mit weniger Kühen erzeugen kann, dann ist das natürlich eine logische Schlussfolgerung“, sagte sie. Den Milchkuhrückgang führte sie auf das Aussondern leistungsschwacher Kühe sowie auf zuvor schwierige Grundfutterjahre zurück. Sie ging nicht davon aus, dass die Herden vorerst größer werden.

Milchleistung gesteigert bei gesunkener Tierzahl

Im Landkreis Fulda nahmen die in der Milchleistungsprüfung stehenden Betriebe um sechs auf 209 ab. Die Kuhzahl sank von 14 949 auf 14 782 Tiere, die Milchleistung stieg von 8 783 auf 8 935 Liter/Kuh bei 4,18 Prozent Fett und 3,48 Prozent Eiweiß. Auch die Nutzungsdauer der Kühe – Indikator für Gesundheit und Robustheit – erhöhte sich auf 38,8 Monate. Die Rassen verteilten sich auf 56,1 Prozent Deutsche Holstein Schwarzbunte, 12,1 Prozent Deutsche Holstein Rotbunte sowie auf 17,8 Prozent Deutsches Fleckvieh. In den Betrieben wurden 18 Kühe mit einer Lebensleistung von über 100 000 Litern Milch gehalten.

Hinsichtlich verbesserungswürdiger Zellzahlen in der Milch riet Witzel den Betriebsleitern sich vom HVL helfen zu lassen. „Die haben Werkzeuge an der Hand und können schauen wo das Problem im Betrieb liegt und wo man ansetzen muss, um etwas zu verbessern.“ Gründe für zu hohe Zellzahlen seien vielfältig.

Beratungsstrategien stellte Joachim Muth, Spezialberater der Qnetics, vor. Dabei ging er auf wissenschaftlich berechnete Futterrationen und -analysen, die Lagerhaltung von Futter, Verdaulichkeiten, Gärsäuren und andere Parameter ein. Kreisveterinär Dr. Stephan Kraus (Landkreis Fulda) nahm zu aktuellen Tierkrankheiten Stellung. Hinsichtlich der Blauzungenkrankheit in Hessen riet er zum Impfen der Tiere. Kritik übten Landwirte an der Antibiotika-Datenbank, deren System unausgegoren sei und Verbesserungspotential enthalte. Verbesserungen im System seien nötig, was auch Kraus einräumte.

Liegen weiterhin im Trend: Hornlosigkeit und AMS

Man hoffe im kommenden Jahr mit Exporten im europäischen Bereich leicht beginnen zu können, erklärte Qnetics-Geschäftsführer Jens Kirch. Wegen der Blauzungenkrankheit – auch mit einhergehenden Aborten –und vor dem Hintergrund, Betriebe benötigten für die Stabilität der Herdengröße weibliche Tiere, empfahl er gesextes Sperma (männliche und weibliche Spermien werden getrennt) einzusetzen.

Nach wie vor gehe der Trend zur Besamung mit hornlosen Bullen, erklärte Ronald Bialek, ebenfalls Qnetics-Geschäftsführer. Zunehmend kommen in den Betrieben automatische Melksysteme (AMS) zum Einsatz, weshalb Merkmale und deren Gewichtung im „RZRobot“ (Zuchtwertschätzung) an die aktuellen Herausforderungen des AMS-Melken angepasst, wurden.

Seit 2021 ist es in Deutschland möglich geprüfte Fleischrinderbullen für einen Sperma-Mix bei Milchkühen einzusetzen. Vor- und Nachteile (wie etwa Schwergeburten) erläuterte Thea Ebinger vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH). Verschiedene Befruchtungsreifen bei einer Milchkuh könnten durch einen Mix abgedeckt werden.

Betrieb Schramm in Wittges besichtigt

In Wittges besichtigten die HVL-Mitglieder den von Heiko und Astrid Schramm und deren Sohn Luis als GbR bewirtschafteten 76 Hektar (davon 33 Hektar Grünland) großen Milchviehbetrieb. Dort stehen 90 Milchkühe inklusive Trockensteher plus 65 Tiere der weiblichen Nachzucht. Ein erster Boxenlaufstall entstand 1995 für 50 Kühe, 2022 erfolgte dessen Erweiterung auf 90 Kühe. Gemolken wird in einem neuen Doppel-8er Melkstand. Die gemolkenen Schwarzbunten gaben im Durchschnitt 10 160 Liter Milch je Kuh.

Der Vorsitzende des HVL-Bezirkes Fulda dankte der Familie Schramm für die Möglichkeit der Betriebsbesichtigung, während der Landhandel Wahl Imbisse reichte. Rinderzüchter-Vorsitzender Winfried Seng übergab Astrid Schramm ein Blumengebinde und Anna Bock (Qnetics) eine Urkunde.

bh – LW 1/2025