Unter Missachtung des Koalitionsvertrags

Mit dem im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD angekündigten Dialog war es zumindest im Vorfeld des Referentenentwurfs zum Gesetz über den Mindestlohn offenbar nicht weit her. Bundesarbeitsministerin Nahles hat weitgehend ihre Vorstellungen und die der Gewerkschaften eingebracht und sich über alle beschäftigungspolitischen Bedenken hinweggesetzt.

Die für die Landwirtschaft wichtige Ausnahme bei der Saisonarbeit wird es voraussichtlich nicht geben, obwohl sie im Koalitionsvertrag als mögliches Problem, das bei der Umsetzung berücksichtigt werden soll, explizit erwähnt wurde.

Für Betriebe mit Sonderkulturen wird dies zur schweren Last werden. Die Produktion ist arbeitsintensiv, und ein Großteil der Betriebsaufwendungen geht für Löhne drauf. Gerade die Lohnhöhe unterscheidet sich im Gegensatz zu den Betriebsmittelpreisen sogar innerhalb der EU erheblich. Die heimischen Betriebe stehen mit ihrem Spargel oder ihren Erdbeeren aber in direkter Konkurrenz mit den ausländischen Anbietern, die demnächst durch den deutschen Mindestlohn einen ernormen Wettbewerbsvorteil erhalten.

Dabei verdienen die Saisonarbeitskräfte in Deutschland derzeit nicht schlecht, wenn man insbesondere die Kaufkraft des Lohns in ihren Heimatländern berücksichtigt. Für Personen, die nur einfache Hilfsarbeiten erledigen können und denen gerade die Landwirtschaft bislang einen Platz bot, ist mit einem Mindestlohn vielfach auch nicht gedient.

Der Mindestlohn wird zudem Einfluss auf das Lohngefüge haben. Deutlich wird das schon jetzt beim Streik von Verdi: Angefangen von den unteren Lohngruppen, die eine überproportionale Erhöhung fordern, möchte jeder Arbeitnehmer den Lohnabstand gewahrt haben. Die Folge: Das gesamte Niveau steigt, ohne dass sich sonstige wirtschaftliche Parameter geändert haben.

Cornelius Mohr