Die Moorlilie

Blume des Jahres 2011

Einmal jährlich stellt die „Stiftung Naturschutz Hamburg und zum Schutze gefährdeter Pflanzen" (auch: „Loki Schmidt Stiftung“), die 1979 von Loki Schmidt gegründet wurde, die „Blume des Jahres" vor. Nach Lungenenzian (1980) bis zur Sibirischen Schwertlilie (2010) bestimmte man für das Jahr 2011 Narthecium ossifragum, Beinbrech – oder auch Moorlilie genannt. Die Staude ist in der Roten Liste 3 der Bundesartenschutzverordnung unter den gefährdeten Pflanzen aufgeführt.

Die Moorlilie wurde von der Loki Schmidt Stiftung zur Blume des Jahres 2011 gewählt.

Foto: Loki Schmidt Stiftung

Wenige Stunden vor der feierlichen Bekanntgabe im Oktober 2010 verstarb Loki Schmidt im Alter von 91 Jahren. Ihre Rede wurde beim offiziellen Akt vorgelesen. So schrieb sie, dass ihr der Beinbrech seit über 80 Jahren bekannt sei und sie den poe­tischen Namen „Moorlilie“ erst kürzlich von den Mitgliedern des Stiftungsvorstandes kennengelernt habe. Damals als Kind habe sie ihn in einem Moorloch entdeckt, etwa zehn Minuten vom Haus der Großeltern entfernt, im nördlichen Zipfel der Lüneburger Heide.

Die Menschen sollten durch die Wahl der Blume des Jahres „immer wieder über den ökologischen Wert der Pflanzenwelt und die Notwendigkeit des Schutzes aller bedrohten Arten informiert werden. Wir wollen doch alle nicht, dass unsere Natur noch mehr verarmt.“

Beinbrech oder Moorlilie?

In den meisten Veröffentlichungen ist von Beinbrech die Rede, aber Moorlilie klingt wohl edler, auch wenn es sich nicht um eine Lilie handelt und die Art früher zu den Liliengewächsen (Liliaceae) zählte. Bereits vor 2000 Jahren wird sie von Theophrast und Plinius als narthecia erwähnt. Linné nennt sie Anthericum ossifragum. Narthecium leitet sich ab vom griechischen narthex für Stab und bezieht sich auf den lang gezogenen Blütenstand der Pflanze.

Das Beiwort ossifragum ist eine Ableitung aus den lateinischen Begriffen ossa für Knochen und fraga für brechen. Daher wählte der Volksmund Beinbrech und ähnliche sinnreiche Namen wie Beinfraß, Knochenbrecher, Schaftod, auch Egel- oder Heidgras, Schusterknief (Schustermesser), aber auch Mohrähren-, Ähren- oder Stablilie.

Früher dachte man, dass die Knochen des Weideviehs brüchig würden, wenn es vom Beinbrech gefressen hatte. Das erwies sich als unzutreffend. In Norwegen stellte man jedoch fest, dass das in der Pflanze enthaltene Saponin Narthecin die Leberfunktion von Schafen stört. Abbauprodukte vom Blattgrün gelangen ins Blut und erzeugen eine Lichtempfindlichkeit, durch die Schwellungen und Hautwunden hervorgerufen werden. Anscheinend sind nur weiße Schafe davon betroffen.

Schutz und Lebensraum

Als Hauptverbreitungsgebiet gelten die atlantischen Klimaregionen Mittel- und Nordeuropas. Die Blume ist ein Spezialist der Hoch-, Heide- und Übergangsmoore sowie der Feuchtheiden. Länger anhaltende Lufttrockenheit mag sie nicht. Es sind feuchte bis nasse, stickstoffarme, saure, torfige Moor- oder Sandböden, Magerböden, wie es sie in Nord- und auch in Nordwestdeutschland gibt, zum Beispiel in den Bundesländern, die sich die Eifel teilen, oder im angrenzenden Hohen Venn (Belgien). Im Buchholzer Moor besteht wohl das einzige Vorkommen in diesem Bundesland. Aber nicht in jedem Moorgebiet wächst die Moorlilie und manche Bestände sind in der Vergangenheit arg dezimiert worden. Für Südwest- und Süddeutschland ist kein Vorkommen gemeldet.

Bunte Farbenpracht und zarter Duft

Die Moorblume umgibt sich in der Blütezeit im Juli/August mit einem zarten nelkenähnlichen Duft. Auch wenn sie nicht höher als etwa 30 bis 40 Zentimeter wächst, kann sie doch ganze Flächen in Sonnengelb und später in Dunkelorangerot überziehen. Leider sind es mancherorts an den wenigen verbliebenen Standorten nur ein paar dazwischengestreute Farbfleckchen inmitten der charakteristischen Pflanzenpartner aus der Moorgesellschaft.

Es sind dies Rosmarin- und Glockenheide, Sonnentau, Fettkraut, Binsen, Gräser, Seggen, Krähen- und Moosbeere, Birken, Weiden, Faulbaum, mitunter auch die Kiefer.

Der gefährdete Lebensraum dieser Moorflora mit seiner wichtigen Bedeutung für den Klimaschutz soll durch diese jährliche und auch andere Aktionen ins öffentliche Bewusstsein gerufen und gleichzeitig damit für eine Renaturierung geworben werden.

Die Moorlilie als Gartenpflanze?

Nur wenige Staudengärtner führen die Moorlilie im Sortiment. Sie gedeiht nur unter Moorbeetbedingungen, muss ständig sehr feucht gehalten und möglichst nur mit Regenwasser gegossen werden. Man düngt sie auch nicht. Es verbietet sich von selbst, dass sie vom Wildstandort entnommen wird. Aber diese Gefahr besteht ja in unseren Breiten nicht. Monika Schirmer

Botanisches zur Moorlilie
Ordnung
Liliales
Lilienartig
Familie Melanthiaceae
 Germergewächse
Gattung Narthecium
 Moorlilie/Beinbrech
Art ossifragum
 Moolilie/Beinbrech










Morphologisches zur Moorlilie
Pflanzen Mehrjährig, ausdauernd. 10 bis 40 cm hoher, klebriger, rötlicher Stengel. Er wächst starr aufrecht, verläuft unterirdisch weiter, mit Faserschopf. Rhizome als Überdauerungsorgane. Untere Laubblätter schwertförmig spitz (erinnern an ein Schustermesser).
Blüten und Samen Blüten endständig, lockere Trauben, circa 5 bis 8 cm lang, selten mehr als 10 Blüten, mit 1 bis 1,5 cm Durchmesser, 6 Blütenblätter, außen gelb, innen grünlich, davor jeweils 1 Staubblatt und Staubfaden. Staubbeutel leuchtend rot gefärbt. Bestäubung durch Insekten. Dünnwandige, ovale Kapselfrüchte mit hellgelben Samen, schmal-ellipsoid, endseitig borstig.