Wenn Oma und Opa alles besser wissen
Einmischung der Großeltern kommt in vielen Familien vor
Großeltern sind oft eine Bereicherung für junge Familien. Sie können aber auch ganz schön anstrengend werden. Dann nämlich, wenn sie ständig ungefragt Erziehungstipps parat haben oder bei ihnen ganz andere Regeln herrschen als bei Mama und Papa. Besonders wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben, kann manchmal „dicke Luft“ herrschen. Wie die Familie damit umgehen kann, darüber informiert folgender Beitrag.
Stefanies Mutter ist zu Besuch. Stefanie füttert gerade Ben (10 Monate). Die Freude am süßen Familiennachwuchs währt nicht lange, denn kaum ist der Teller mit dem Brei leer, meckert der Kleine. Und schon fängt Oma an: „Du, der hat noch Hunger. Also ich würde ihm noch einen Brei machen, der Teller war ja auch gar nicht richtig voll. Ich hole ihm noch was!“ Und Âschwupps hat die Mutter ihrer Tochter Löffel und Teller aus der Hand gerissen und das Zepter in der Hand. Stefanie rollt mit den Augen, fühlt sich bevormundet – wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen war.Wenn Großeltern sich ungefragt einmischen, dann ist Streit vorprogrammiert. Die wenigsten jungen Mütter lassen sich das gerne gefallen, schon gar nicht, wenn Kritik und vermeintlich gut gemeinte Ratschläge häufiger vorkommen.
Wie viel Einmischung ist erlaubt?
Eine schwierige Frage, denn immerhin können junge Eltern von der Erfahrung der Älteren auch profitieren. Schließlich lernt man Elternschaft nicht wie einen Beruf, sondern mühsam durch eigene Erfahrung. Unterstützung durch erfahrene Menschen kann dabei eine große Hilfe sein. Aber die geht gerade innerhalb der Familie nicht selten daneben. Manche Großeltern nehmen einfach kein Blatt vor den Mund: „Leon sollte aber wirklich langsam lernen, anständig zu grüßen.“ „Mein Gott, lass die Kleine doch einfach mal schreien!“ „Kann Meike immer noch nicht mit Messer und Gabel umgehen?“ Wer könnte jungen Eltern zielsicherer ins Erziehungsgeschäft hineinreden als die eigene Mutter oder der eigene Vater. Oder – schlimmer noch – die Schwiegereltern?
Neue Rollen für alle
Wenn das erste Kind zur Welt kommt, dann ändert sich nicht nur das Leben seiner Eltern radikal. Für alle in der Familie ist die Geburt eine Umstellung. Denn mit dem neuen Familienmitglied verteilen sich die Positionen in der Familie ganz neu: Kinder werden zu Eltern, Eltern zu Großeltern. Und diejenigen, die bisher Kinder waren, steigen in die Gesellschaft der Erziehenden auf, bleiben aber gleichzeitig Kinder ihrer Eltern. Außerdem rückt meist die Familie im Ganzen wieder enger zusammen. Sind vorher Erwachsene ihre eigenen Wege gegangen, so bekommt Familie jetzt eine größere Bedeutung. Ein Baby macht den Sinn der Großfamilie wieder deutlich. Das bisherige Gefüge gerät in Bewegung, die Rollen werden neu besetzt und alle Beteiligten müssen eine andere Position einnehmen. Das geht oft nicht ohne Sand im Getriebe. Da braucht es viel gegenseitiges Verständnis, Respekt und ruhige Worte, um diese Phase zu meisÂtern.
Zündstoff aus der Kindheit
Die Eltern-Kind-Beziehung unterscheidet sich von allen anderen. Sie ist gekennzeichnet durch extreme Abhängigkeit und Unterlegenheit auf der einen und einem enormen Einsatz an Verantwortung und Verbindlichkeit auf der anderen Seite. Erst allmählich, mit dem Heranwachsen der Kinder, werden beide Anteile schwächer. Idealerweise gleichen sie sich an. Tatsächlich ist es aber oft so, dass die gegenseitige Ablösung nicht wirklich gelingt.
Wenn Großeltern sich in die Babypflege oder Erziehung der Enkel einmischen, dann tun sie das meist nicht, um die jungen Eltern zu bevormunden. Eher haben sie ein ehrliches Interesse an dem Wohlergehen der Familie und möchten ihr Erfahrungswissen gerne weitergeben. Und das ist auch gut so: Großeltern nehmen einen wichtigen Platz im Leben der Kinder ein – sie verbringen Zeit mit ihnen und vermitteln ganz andere Dinge und Erfahrungen, als Eltern sie vermitteln können. Sie erziehen die Kinder mit – direkt und indirekt. Ihr Part ist nicht mit der Aufgabe von Eltern zu vergleichen, aber für die Kinder trotzdem von großer Bedeutung, denn die Beteiligung von Großeltern an der Betreuung der Kinder stellt eine große Bereicherung für das Leben der Kinder dar.
Statt der Tochter den Löffel aus der Hand zu nehmen, könnte die Großmutter auch fragen, ob sie noch mehr Brei für den Kleinen kochen darf und der Tochter somit ohne viele Kommentare nur durch ihre Frage signalisieren, dass sie sie in ihrer Mutterrolle und ihrer letztendlichen Entscheidungsgewalt ernst nimmt. Oder wenn Oma mit einem zwinkernden Auge sagt: „Ich zeig dir mal einen Trick beim Füttern, der hat bei dir immer gut funktioniert“, kommt dies gleich viel freundlicher herüber als zu sagen: „Ich zeig dir jetzt mal, wie's geht!“
Bei den Großeltern gelten andere Regeln
Aber problematisch sind nicht nur ungefragte Ratschläge, sondern auch, wenn die Großeltern ganz andere Maßstäbe in der Erziehung anlegen. Ein Beispiel: Niklas ist bei Oma und Opa zu Besuch und darf dort so viel Schokolade essen, wie er mag – zu Hause ist das verboten. Genauso wie das Hüpfen auf der Couch, das würde bei Mama und Papa gleich Ärger geben.Niklas“ Mama ist darüber sehr verärgert, denn auch die Großeltern haben sich an die Regeln zu halten, meint sie. „Als Oma darf man die Kinder auch mal ein bisschen verwöhnen, sie sollen ja schließlich gerne kommen“, hält die Großmutter dagegen. Die jungen Eltern reagieren sauer, weil sie befürchten, dass die Großeltern mit ihrem Verwöhnprogamm die eigenen Erziehungsbemühungen sabotieren.
Ein Konflikt? Eigentlich nur für die Erwachsenen, denn für die Kinder stellt es selten ein Problem dar, wenn Oma oder Opa andere Maßstäbe ansetzen als die Eltern.
„Kinder wissen genau, dass die Beziehung zu den Großeltern anders ist als zu den eigenen Eltern. Kinder können unterschiedliche Regeln an verschiedenen Orten gut akzeptieren: Bei den Großeltern darf es auch einmal etwas lockerer – oder auch strenger – zugehen, und gewisse Dinge sind erlaubt, die zu Hause verboten sind – oder gerade umgekehrt“, so die Sozialpädagogin Ute Ehring. Doch bevor Niklas“ Mama ihren Sprössling nun nicht mehr zur Oma und Opa schickt, sollte in einem kleinen Familienrat offen besprochen werden, wo auch für die Großeltern die Grenzen sind – und warum Eltern bestimmte Dinge für ihr Kind wollen und andere nicht.
Kinder brauchen Grenzen und die lernen sie zu Hause. So wird ihnen klar, dass es wichtig ist, sich an die Spielregeln der Familie zu halten, damit alle prima miteinander leben können. Gewisse Grundregeln sollten deshalb auch beim Besuch bei den Großeltern eingehalten werden. Und hier sind auch die Omas und Opas in der Pflicht, konsequent zu sein.
Sabine Hense-Ferch