Viele Quitten sind dieses Jahr früher reif

Zehn interessante Infos von Quittenexpertin Monika Schirmer

Entweder man mag sie oder man mag sie nicht: die Quitte. LW-Autorin Monika Schirmer ist Expertin rund um das Kernobstgewächs. Im Folgenden liefert sie die zehn aus ihrer Sicht interessanten Informationen rund um die Quitte.

  1. Apfel-, birnen- und quittenförmige Früchte von 100 bis 800 g. Die Einteilung nur in zwei Typen wird dem Formenreichtum der Quitte nicht gerecht.

    Foto: Schirmer

    Quitten sind attraktiv, pflegeleicht, eine Zierde für jeden Garten. Im Frühling, von April bis Mai, bezaubern sie durch große duftige Einzelblüten, die sich von zartrosa nach weiß verfärben. Im Herbst hängen sie voll quittengoldener, ebenmäßig oder bizarr-barock geformter, paradiesisch duftender Früchte. Vom Altertum bis in die Neuzeit hochangesehen, waren sie im vergangenen Jahrhundert zum Teil fast vergessen und in den Gärten nur noch geduldet. Unstreitig fährt der Quittenzug aber seit dem Jahr 2000 wieder flotter und viele Quittenfreunde schieben schwungvoll kräftig mit an. Die Getränke- und Kosmetikindus­trie zeigt Interesse.

  2. Die ganze Kulturgeschichte einschließlich der symbolischen Bedeutung wie zum Beispiel Liebe, Fruchtbarkeit, eheliche Treue, Unvergänglichkeit, ist ebenso interessant und beachtlich wie die anderer Obstarten. Vieles, was ihnen seit Urzeiten zusteht, überschrieb man zu Unrecht anderen Obstarten. Sie waren die Früchte der Hesperiden, nicht Äpfel, Granatäpfel oder gar irgendwelche Zitrusfrüchte, die das Mittelmeergebiet erst gegen Ende des Altertums erreichten. Paläobotaniker und Pomologen sagen, sie seien in diesen Zeiten besser zum Anbau geeignet gewesen als die damaligen Apfel- und Birnensorten.

  3. Von den Ländern im südlichen Kaukasus aus – ihrer Urheimat – bürgerten sie sich im nahen, mittleren, fernen Osten und in Süd- und Südosteuropa ein. Es waren wohl die Phönizier und Griechen, die die Quitten rund ums Mittelmeer verbreiteten. Der griechische Dichter Alkmán (2. Hälfte des 7. Jh. v. Chr.) bezeichnete sie als „kodýmalon“, als „malon“ (= apfelartige Frucht)“ und „kodý“ (vermutlich ihr älterer kleinasiatischer Name). Die Griechen bezogen den Namen auf die kretische Stadt Kydonía, jetzt Kanae, und bildeten ihn um zu „kydónion (mälon). Daraus entstand das lateinische „malum cydonium“, die botanische Bezeichnung „Cydonia“ und unser Begriff „Quitte“. Es trifft nicht zu, dass sie auf Kreta „von Bauern in Plantagen angebaut“, dort von den Römern entdeckt beziehungsweise dass sie in der Bibel erwähnt wurden. Mit dem florierenden Fernhandel gelangten sie vermutlich vor etwa 2 000 Jahren aus dem Kernland des römischen Imperiums in die nördlichen Provinzen. Erste schriftliche Belege für Quitten und Quittenheilmittel finden sich bei uns im „Lorscher Arzneibuch (Codex Bamberg Medicinalis 1)“, noch vor der Erwähnung im „Capitulare de Villis“ von Karl dem Großen.

  4. Ãœberall, ob im Orient oder Okzident (der Westlichen Welt), galten sie als rundum nützlich und überaus heilkräftig. Man gebrauchte alle Teile: Holz, Wurzeln, Blüten, Blätter, Früchte mit Flaum, Kerne und den Duft. Das „vornehme Aroma für Kenner“ setzt sich aus 150 flüchtigen Verbindungen zusammen. „Alle Kraft der Quitten zu beschreiben, ist unmöglich“, steht bei H. Bock (1539). In der Volksheilkunde des Balkans, von Klein- und Westasien sowie Südamerika verwendet man sie nach wie vor; man sagt, sie seien medizinisch ein Segen, besonders die Wirkung auf Herz, Verdauungsorgane und auf alle Schleimhäute. Die Werte vieler ihrer Inhaltsstoffe übersteigen die von Apfel und Birne.

  5. Sie gehören zur Familie der Rosengewächse, sind unter anderem mit Äpfeln, Birnen, Zierquitten verwandt, jedoch als Gattung völlig eigenständig. Wie viele Sorten und Typen es weltweit gibt, ist unbekannt. Der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) und das Bundessortenamt (Prüfstelle Wurzen) unterteilen sie in fünf Typen, nach der Form ihrer Früchte. Obwohl weltweit unüblich, sprach man bei uns, wo nur ein paar Sorten bekannt waren, „nur“ von Apfel- und Birnenquitten. Seit Jahrhunderten verbergen sich unter den beiden Begriffen unterschiedlichste Sorten. Manchmal wachsen innerhalb der Krone eines einzigen Baums sehr unterschiedlich geformte Früchte.

  6. Die Zweiteilung wird ihrem Formenreichtum nicht gerecht und Sorten, deren Früchte weder apfel- noch birnenförmig ausfallen, finden darin keinen Platz. Wer eine anonyme Apfel- oder Birnenquitte kauft, weiß nicht, welche Sorte sich dahinter verbirgt und ob sie für den Standort geeignet ist. Man kann den zwei Typen keinesfalls spezielle Eigenschaften zuweisen, etwa weiches oder hartes Fruchtfleisch, Steinzellen, Duft, Größe der Blätter oder Reifezeit. Die natürliche Wuchsform ist der Strauch oder Busch. Halb- und Hochstämme passen, wegen einer gewissen Frostempfindlichkeit, nicht in raue Gegenden. Je nach Standort und Klima pflanzt man bei uns im Frühjahr oder im Herbst.

  7. Ausreichend Wasser während Trockenperioden und guter Kompost zur rechten Zeit verbes-sern die Fruchtqualität. Die Baum­scheiben werden während der ersten fünf Jahre – der Anwachszeit – von Unkraut freigehalten. Auch Quitten sind gegenüber tierischen Schädlingen, vor allem aber Pilzen (Blattbräune und Monilia) anfällig; besonders muss jedoch auf Feuerbrand geachtet werden, auch beim Schneiden. Sommerschnitt und -risse können eine Spätinfektion nach sich ziehen. Wird das Wachstum beobachtet und maßvoll – nach den für sie passenden Regeln – eingegriffen (ohne junge Fruchttriebe zu entfernen), erübrigen sich große Maßnahmen. Als bester Zeitpunkt gilt die Zeit von Ende Januar bis Anfang März, wenn keine tieferen Fröste (unter -5°) mehr zu erwarten sind. Das Abstoßen der äußeren Rinde (Borke) ist ein natürlicher Vorgang bei älteren Bäumen.

  8. Geerntet wird bei uns in der Regel ab Mitte September (in diesem Jahr früher) bis vor den ers­ten länger anhaltenden Frösten. Ein sicheres Reifezeichen sind weder die Schalenfarbe, noch der mehr oder weniger vorhandene Belag oder Duft. Reife Früchte lassen sich abdrehen, dann sind die Kerne braun gefärbt. Im November reifen keine Früchte mehr aus. Wer sie zu lange hängen lässt, riskiert unter Umständen, dass sich das Fruchtfleisch bräunt (siehe Kas­ten). Im kühlen Obstlager halten gesunde Früchte, je nach Sorte und Jahr, bis Dezember oder April.

  9. Eine Quitte ist keine saftige Birne, aber dennoch wachsen auch bei uns Sorten, deren Früchte feinzelliges aromati­sches Fleisch entwickeln, daher roh schmecken und gerne gegessen werden, wenn auch eventuell nicht direkt vom Baum. Quitten lassen sich zu unendlich vielen süßen und pikanten Schmankerln verarbeiten, nicht nur zum „Ãœblichen“, wie zu Gelee. Das Wichtigste ist jedoch vorab, sie „zu streicheln“, das heißt eventuell noch vorhandenen Flaum zu entfernen. Hartfleischige Früchte schneidet man am besten quer, nicht längs (nicht vom Nord- zum Südpol). Auch Abfälle (Schalen, Butzen, Kerne, fleischbräunige Stücke) lassen sich verwerten. Die einfachste und schmackhafteste Art der Konservierung ist aber, sie (zerkleinert, roh) in Honig einzulegen und im Schraubglas im Kühlschrank aufzuheben.

  10. Zum Schluss eine alte Weisheit, die zum Wenigen aus Kulturgeschichte und Symbolik gehört und die nicht auf Äpfel oder anderes Obst übertragen wurde: „Reichlicher Quittengenuss in der Schwangerschaft verhilft zu schönen, klugen, fleißigen und sinnreichen Kindern!“ Ganz nach alter Tradition pflanzt man Quitten wohl deshalb auch heute wieder als Hochzeits- oder als Hausbaum.

Fleischbräune bei der Quitte

Das mehr oder weniger braun verfärbte Fruchtfleisch der Quitte bezeichnet man als „fleischbräunig" und die Stoffwechselstörung als „Fleischbräune“. Nicht alle Quittensorten sind betroffen, nicht immer alle Früchte eines Baumes, und die Störung tritt nicht in allen Jahren gleich stark auf (je nach Witterung). An der Schale erkennt das geübte Auge meist, dass im Inneren der Frucht eine Veränderung beginnt. Manchmal verdunkelt sich die Schale und/oder winzige braune oder grüne Pünktchen, bis zu 2 mm tief verbreiten sich. Das Fruchtfleisch weist beim Aufschneiden mehr oder weniger braun verfärbte Schlieren auf oder braune Flächen, die häufig einseitig anzutreffen sind.

Die Ursachen für diese Störung des Zellwachstums können vielfältig sein, zum Beispiel ein aus dem Gleichgewicht geratener Mineralstoffhaushalt oder Witterungseinflüsse. Auch ungünstige Standorte tragen zum Entstehen bei, ebenso schattige Plätze, eine zu dichte Krone, wenig Behang (dadurch große Früchte) und eine zu späte Ernte.

Sorten, deren Früchte zur Fleischbräune neigen, sollten daher unbedingt geerntet werden, wenn sich ihre Schale von grün nach gelb verändert. Da im Frühstadium keine negative optische Veränderung oder Geschmacksbeeinträchtigung auftritt, sind die Früchte ohne Einschränkung verwertbar. Da die Störung aber rasch fortschreitet, sollten sie sobald als möglich verarbeitet werden. Stärker verbräunte Früchte taugen nur noch für Saft, Gelee oder Quittensenf, -chutney oder -relish. Extrem stark verbräunte, faulige Früchte dagegen werden entsorgt. Monika Schirmer