Der richtige Umgang mit Rindern will gelernt sein

Auszubildende üben gefahrloses Arbeiten mit Tieren

Wer Landwirt werden oder auf einem Betrieb mitarbeiten will, der sollte das Verhalten von Rindern verstehen; denn der richtige Umgang mit Großvieh dient auch der eigenen Sicherheit. Deshalb verlegte die landwirtschaftliche Fachschule an der Limburger Adolf-Reichwein-Schule eine praktische Unterrichtseinheit in den Kuhstall des Lindenhofs von Bernhard Höhler in Niederbrechen. Fachlehrer Heinz Josef Kremper hieß dazu Volker Dippel von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft aus Kassel willkommen.

Betriebsleiter Bernhard Höhler (M.) beobachtet mit den angehenden Landwirten interessiert, wie Volker Dippel das Maul einer Kuh relativ einfach öffnet, um ihr beispielsweise eine Flüssigkeit einzugeben.

Foto: Dieter Fluck

Kremper wies darauf hin, dass jedes Jahr etwa vier Menschen im Einzugsbereich der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland ums Leben kommen. Um diese tragischen Unfälle zu verhindern, biete die Berufsgenossenschaft seit einiger Zeit fachbezogene Informationsveranstaltungen an. So habe etwa die Hälfte der Auszubildenden keine Vorkenntnisse im Umgang mit Rindern, weshalb die Problematik im Berufsschulunterricht aufgegriffen werden müsse.

Dippel berichtete von Menschen, die beim Umgang mit Rindern unbewusst Unruhe verbreiteten. Unfälle mit Bullen er­eigneten sich oft beim Treiben. Sowohl Kühe und Rinder als auch Zuchtbullen zeigten durch ihr Verhalten (zum Beispiel durch ihre Kopfhaltung), ob sie gereizt sind. Aggressive Bullen hätten oft negative Erfahrungen gemacht.

Wie Anatomie und Verhalten zusammenhängen

Trennungsgitter und nicht zu breite, beleuchtete Treibgänge könnten Unfälle vermeiden helfen. Ein Rind habe das Auge seitlich am Kopf und damit ein Sichtfeld von 320 Grad. Könne ein Tierhalter das Auge eines Rindes sehen, so werde er von dem Tier wahrgenommen.

Nähert sich der Landwirt von hinten, kann sich das Tier erschrecken. Es soll vorher an­gesprochen werden. „Rinder er­kennen ihren Betreuer an der Stimme, schrille Töne sind unangenehm, ebenso blendende Pfützen. Soll eine Rinderherde getrieben werden, muss als erstes das Leittier in Bewegung kommen“, informierte Dippel.

Der Experte berichtete von unterschiedlichen Fluchtdistanzen: „Um eine Kuh befinden sich drei Zonen. Die äußere ist die Beobachtungszone, die mittlere die Flucht- oder Bewegungszone und im direkten Umfeld – je nachdem – die Angriffszone.“ Bei einem jungen Kalb sei die Fluchtzone noch nicht vorhanden. Mit Hilfe eines Films wurde den Schülern beim Treiben mit einem gewissen Abstand zur Kuh die Bedeutung der Schulterlinie zwischen Mensch und Tier dargestellt.

Bernhard Höhler erläuterte den angehenden Landwirten seinen Betrieb mit 300 Kühen und 200 ha Fläche sowie einer Biogasanlage. Mit derzeit drei Auszubildenden und drei festen Mitarbeitern ist Höhler auch als Vorsitzender des Vereins Landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen im Nassauer Land (VLF) an die Nachwuchsförderung des Berufsstandes besonders interessiert.

Mit zahlreichen praktischen Beispielen gab Volker Dippel unter anderem Tipps, wie das Maul einer Kuh relativ einfach geöffnet werden kann, um ihr Flüssigkeit einzugeben. Er demonstrierte auch, wie eine Kuh, die behandelt werden muss, mit einem Halfter und einem Strick durchs Maul abgelenkt werden kann. Besondere Beachtung fand weiterhin eine entsprechende Box, in der eine fixierte Kuh für den Betreuer gefahrlos behandelt werden kann.

Fluck – LW 15/2015