Die Sicherung der Ernährung hat erhöhte Priorität

BWV Nahe und Glan beging 75-jähriges Bestehen

Mit einer agrar- und weinbaupolitischen Tagung im DLR Bad Kreuznach begingen Bauern- und Winzerverband an Nahe und Glan sowie der Weinbauverband Nahe ihre 75-jährigen Bestehen.

Über Bestrebungen des EU-Parlaments, bis 2030 den Einsatz von Pflanzen­schutzmitteln zu halbieren, berichtete EU-Abgeordnete Christine Schneider. Aufmerksam hörten (v. l.) Andy Becht, Michael Hörper sowie (von rechts) Dr. Thomas Höfer und Johannes Thilmann zu.

Foto: Norbert Krupp

An die Zeit der Gründung erinnerte BWV-Kreisvorsitzender Johannes Thilmann. 1948 habe es an der Nahe fast nur landwirtschaftliche Gemischtbetriebe gegeben. Heute habe die Gesellschaft andere Prämissen: „Für gewisse, leider wachsende gesellschaftliche Gruppen ist die Landwirtschaft ein Feindbild: „Obwohl sich sehr viel zum Guten verändert hat, auch im Sinne der Umwelt, können wir es Vielen nicht recht machen“, beschrieb er das politische Klima.

Der Kreisverband Nahe und Glan verfüge heute über 1 100 Mitglieder, die rund 20 000 Hektar Fläche bewirtschaften, davon 16 000 Hektar Landwirtschaft und 4 000 Hektar Weinbau. Die Zahl der wirtschaftlichen Einheiten sei in beiden Bereichen zurückgegangen auf 150 landwirtschaftliche Betriebe und 220 Weinbaubetriebe.

Im zentralen Vortrag der agrar- und weinbaupolitischen Tagung beleuchtete die Europaabgeordnete Christine Schneider (CDU) den aktuellen den Stand der Dinge bei der Landwirtschafts- und Weinbaupolitik in Brüssel.

Staatssekretär Andy Becht vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau mahnte: „Man darf das Unvorstellbare nicht als Grenze bezeichnen, sondern Technologieoffenheit und Innovation in den Fokus stellen.“ Das Land werde Innovationen fördern, versprach Becht.

Flächenverbrauch durch Freiflächen-Photovoltaik

Mit Blick auf den wachsenden Flächenverbrauch ging er auf die 2017 verabschiedete Freiflächen-Photovoltaikverordnung ein, für die man zunächst 50 und später 200 Hektar vereinbart habe. Die Fläche müsse wegen des Ukrainekrieges weiter wachsen. Becht ist überzeugt, dass das Land durch eine Beschleunigung des Windkraft-Ausbaus den Druck beim Bau von Freiflächen-PV-Anlagen reduzieren könne. Höchste Priorität der Landwirtschaft müsse die Sicherstellung der Ernährung sein.

Michael Horper, Präsident des BWV Rheinland-Nassau, gratulierte zum 75-­jährigen Bestehen und appellierte, bei denWahlen zur Landwirtschaftskammer „vernünftige Leute auf die Listen“ zu setzen, denn die Kammer gieße die Formen, mit denen Bauern und Winzer einigermaßen leben könnten. Zur EU-Politik merkte er an, dass nur durch Einigkeit des Verbände sowie Petitionen und Argumente das Pflanzenschutz-Verbot für Schutzgebiete abgewehrt werden könne. Die Politik bat Horper eindringlich, den Verbrauch von landwirtschaftlichen Flächen zugunsten von Wohn- und Gewerbegebieten sowie Energiegewinnungsanlagen, der von einem Hektar pro Tag 2018 auf aktuell 8,7 Hektar angestiegen sei, wieder zurückzufahren.

„Das Anlegen von Grünstreifen und die gewachsenen Begrünungen in den Weinbergen sind Vorleistungen, die ohne Verpflichtung erbracht wurden“, verwies Dr. Thomas Höfer, Präsident des Weinbauverbandes Nahe, auf das ökologische Engagement seines Berufsstandes. In Anbetracht des Klimawandels müsse die Region Vorsorge treffen, um in trockenen Sommern bewässern zu können. Man müsse an der Nahe über den Bau von Rückhaltebecken nachdenken, um Niederschläge im Winterhalbjahr zurückzuhalten.

„Jeder Landwirt muss Umweltschutz betreiben, sonst hat er irgendwann nichts mehr, auf dem er seine Produkte anbauen kann“, gab die Bad Kreuznacher Landrätin Bettina Dickes zu bedenken. Es werde nicht über die existenzielle Frage diskutiert: „Wie viel Selbstversorgung muss unser Land sichern?“

Frank Schätzel, BWV-Vorsitzender an Nahe und Glan, rief zu Optimismus auf: „Mit gesenktem Kopf und Lustlosigkeit ist das alles nicht zu schaffen.“ Der Verband sei mit jungen Leuten gut aufgestellt und es werde weitergehen.

Norbert Krupp – LW 12/2023