Neue Sorten verbessern die Akzeptanz beim Vieh

Rohrschwingel statt Weidelgras auf schwierigen Standorten?

Zu nasse oder zu trockene Bedingungen können selbst das vitale Deutsche Weidelgras an seine Grenzen führen. Kann der als robust geltende Rohrschwingel auf solchen Standorten eine Alternative sein? Christoph Brenner vom DLR Westerwald-Osteifel stellt hierzu die ersten Ergebnisse einer laufenden Praxiserhebung vor.

Der erste Aufwuchs 2015 war von Ausfallweizen und etwas Verunkrautung durchsetzt.

Rohrschwingel liefert hohe Erträge. Ein über die Zeit aufgebautes tiefreichendes Wurzelwerk soll den hochwüchsigen Horstbildner weniger anfällig gegen Trockenperioden machen. Ebenfalls besteht eine hohe Toleranz gegenüber zeitweiliger Vernässung. Hinzu kommt eine relativ hohe Winterfestigkeit. Diese Eigenschaften lassen den Rohrschwingel für schwierige Standorte geeignet erscheinen.

Die Verdaulichkeit wird nicht verbessert

Dennoch ist seine Anbaubedeutung sowohl dort wie auch im Allgemeinen relativ gering. Dies erklärt sich vor allem aus seinen Futtereigenschaften. Vielen ist der Rohrschwingel nämlich in erster Linie als eine Grasart mit derben, rauhen Blättern und hohen Rohfasergehalten geläufig, welcher als Frischgras vom Vieh eher verschmäht wird. Mit der züchterischen Bearbeitung konnten mittlerweile Härte, Zähigkeit und Verkieselung der Blätter reduziert werden, und es sind sogenannte feinblättrige Zuchtsorten erhältlich. Ein dadurch vermuteter Zusammenhang zwischen Blattfeinheit und Verdaulichkeit besteht allerdings nicht. Vielmehr scheint es sich bei der Verdaulichkeit um eine sortenabhängige Eigenschaft zu handeln. Trotz Feinblättrigkeit wird Grünfutter vom Vieh immer noch „zurückhaltend“ angenommen.

In der Etablierungsphase konkurrenzschwach

Rohrschwingel läuft zögerlich auf und hat eine sehr langsame Jugendentwicklung. Deshalb sollte er nach Möglichkeit spätestens Mitte bis Ende August ausgesät werden, um eine gute Vorwinterentwicklung zu erreichen. Dazu werden 50 kg/ha in ein für Feinsämereien geeignetes Saatbett ausgebracht und mit einer Rauwalze rückverfestigt. Eine Nachsaat von Rohrschwingel kommt aufgrund der vorgenannten Eigenschaften nicht in Betracht. Die Saattiefe liegt bei maximal 1,5 cm, die N-Startgabe bei 40 kg/ha. Bedarfsweise wird bei etwa 15 cm Wuchshöhe ein Reinigungsschnitt durchgeführt. In dieser Auflauf- und Etablierungsphase ist der Rohrschwingel konkurrenzschwach, gewinnt danach jedoch mit zunehmender Zeit an Konkurrenzkraft.

Die Nährstoffentzüge eines etablierten Bestands liegen je nach Nutzungsintensität (bis sechs Schnitte) bei 2 bis 2,5 kg N, bei 0,7 bis 1 kg P2O5 und 2,5 bis 3 kg K2O jeweils pro dt TM. Im Gegensatz zu Frischgras wird Silage normal aufgenommen. Dazu wurde in Versuchen herausgefunden, dass die Futterkonservierung als Heu oder Silage die Blattrauheit reduziert. Da der Gehalt an Strukturfasern rasch ansteigt, ist bei qualitätsorientierter Erzeugung eine frühe erste Nutzung erforderlich. Hinsichtlich der Nutzungsreife kann eine Orientierung an Knaulgras erfolgen.

Hohe Erträge bei teils guter Qualität

Von Rohrschwingel liegen nur relativ wenige Versuchsergebnisse vor. In diesen wurden sowohl hohe Erträge als auch zum Teil gute Futterqualitäten ermittelt. So ergaben sich in einem fünfjährigen Mischungsvergleich auf einem Moorstandort in Mecklenburg-Vorpommern die in Tabelle 1 aufgeführten Erträge. Hinsichtlich Verdaulichkeit und Futterqualität wurden in einem Artenvergleich - ebenfalls in MV durchgeführt - die in Tabelle 2 aufgeführten Werte ermittelt. Ein in Rheinland-Pfalz (RLP) angelegter Sortenversuch brachte 2008 die in Tabelle 3 aufgeführten Ertrags- und Qualitätsdaten. Der Rohrschwingel zeigte auf allen Standorten ein hohes Ertragsvermögen und lag im Anbauvergleich an erster Stelle. Im Sortenversuch ergaben sich im ersten Schnitt für alle vier aufgeführten Parameter deutliche Unterschiede. Allein die Ertragsdifferenz zwischen Sorte 1 und Sorte 5 betrug etwa 17 dt TM, wobei im Durchschnitt 135 dt TM geerntet wurden.

Die jeweiligen Analysewerte der Schnitte 2 bis 5 waren hingegen sehr ausgeglichen. Auffallend sind die bereits bei jungem Futter hohen Rohfaser- und damit verbunden niedrigeren Energiegehalte. In weiteren Versuchen wurde hier vor allem sehr hohe ADF-Werte (=Zellulose und unverdauliches Lignin) ermittelt. Im Gegensatz dazu erreichten die Rohproteingehalte bis auf die zweite Nutzung immer die empfohlenen Kennwerte von 15 bis 18 Prozent. Nur in Schnitt 2 wurden diese deutlich überschritten. Wie der Ertrag, so differenzieren auch die Energiegehalte beim 1. Schnitt am stärksten und sind im 5. Schnitt am höchsten. In den meisten Fällen liegt die Energiekonzentration dabei unter 6 MJ NEL/kg TM. Im Vergleich zu anderen Grünlandgräsern ergeben sich somit einerseits ertragliche Stärken und andererseits zum Teil qualitative Schwachpunkte. Beim Futterwert klafft hier insbesondere im Vergleich zum Deutschen Weidelgras beim wichtigen ersten Schnitt eine große Lücke.

 – LW 11/2017